Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sein auch bleiches Gesicht blitzte von einer ver¬
rätherischen Röthe, während das dunkle tiefe Auge
gespensterhafte Glanzblitze warf. Es war Louis
Bovillard; er hatte die obigen Worte gesprochen.

"Dem Fatalismus huldigen, dahin also führte
unser langer saurer Bildungsproceß, unser Suchen,
Tappen, Klimmen! entgegnete Walter. Du mußt
bekennen, daß die Türken dies Ziel bequemer haben. --
Du bist noch krank."

Bovillard sah mit seinem glühenden Auge weh¬
müthig auf den Freund: "Was hilft Dir Deine
Gesundheit?"

"Daß ich meine Kraft sparte."

"Wofür? Was hilft der Ameise die Seherkraft
der Kassandra, wenn der Stiefel eines Stallknechts
sich nur aufzuheben braucht und der Bau ihres
Lebens ist zerstört!"

"Gott und Natur sind ewig, und der Mensch --"

"Bleibt ihre erhabenste Creatur, aber ewig wie
Herkules am Scheidewege. Da steht: Entsage! und
ein himmelblaues Lamm daneben, Dich auf Dornen¬
wegen zur Trübsal zu führen. Hier steht: Genieße!
und Fuchs, Wolf und Schlange stehn als Deine Lehr¬
meister dabei."

Walter hatte längere Zeit vor sich hingeblickt;
die Lucubrationen des Freundes hatten ihn nicht
gestört: "Wo ist das Allgemeinwohl? das ist die
Frage. Sitzt's in den Gipfeln? in den Wurzeln?
Wo ist das Mark? Wir fühlen es, wie das Wasser

ſein auch bleiches Geſicht blitzte von einer ver¬
rätheriſchen Röthe, während das dunkle tiefe Auge
geſpenſterhafte Glanzblitze warf. Es war Louis
Bovillard; er hatte die obigen Worte geſprochen.

„Dem Fatalismus huldigen, dahin alſo führte
unſer langer ſaurer Bildungsproceß, unſer Suchen,
Tappen, Klimmen! entgegnete Walter. Du mußt
bekennen, daß die Türken dies Ziel bequemer haben. —
Du biſt noch krank.“

Bovillard ſah mit ſeinem glühenden Auge weh¬
müthig auf den Freund: „Was hilft Dir Deine
Geſundheit?“

„Daß ich meine Kraft ſparte.“

„Wofür? Was hilft der Ameiſe die Seherkraft
der Kaſſandra, wenn der Stiefel eines Stallknechts
ſich nur aufzuheben braucht und der Bau ihres
Lebens iſt zerſtört!“

„Gott und Natur ſind ewig, und der Menſch —“

„Bleibt ihre erhabenſte Creatur, aber ewig wie
Herkules am Scheidewege. Da ſteht: Entſage! und
ein himmelblaues Lamm daneben, Dich auf Dornen¬
wegen zur Trübſal zu führen. Hier ſteht: Genieße!
und Fuchs, Wolf und Schlange ſtehn als Deine Lehr¬
meiſter dabei.“

Walter hatte längere Zeit vor ſich hingeblickt;
die Lucubrationen des Freundes hatten ihn nicht
geſtört: „Wo iſt das Allgemeinwohl? das iſt die
Frage. Sitzt's in den Gipfeln? in den Wurzeln?
Wo iſt das Mark? Wir fühlen es, wie das Waſſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="45"/>
&#x017F;ein auch bleiches Ge&#x017F;icht blitzte von einer ver¬<lb/>
rätheri&#x017F;chen Röthe, während das dunkle tiefe Auge<lb/>
ge&#x017F;pen&#x017F;terhafte Glanzblitze warf. Es war Louis<lb/>
Bovillard; er hatte die obigen Worte ge&#x017F;prochen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dem Fatalismus huldigen, dahin al&#x017F;o führte<lb/>
un&#x017F;er langer &#x017F;aurer Bildungsproceß, un&#x017F;er Suchen,<lb/>
Tappen, Klimmen! entgegnete Walter. Du mußt<lb/>
bekennen, daß die Türken dies Ziel bequemer haben. &#x2014;<lb/>
Du bi&#x017F;t noch krank.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bovillard &#x017F;ah mit &#x017F;einem glühenden Auge weh¬<lb/>
müthig auf den Freund: &#x201E;Was hilft Dir Deine<lb/>
Ge&#x017F;undheit?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß ich meine Kraft &#x017F;parte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wofür? Was hilft der Amei&#x017F;e die Seherkraft<lb/>
der Ka&#x017F;&#x017F;andra, wenn der Stiefel eines Stallknechts<lb/>
&#x017F;ich nur aufzuheben braucht und der Bau ihres<lb/>
Lebens i&#x017F;t zer&#x017F;tört!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gott und Natur &#x017F;ind ewig, und der Men&#x017F;ch &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bleibt ihre erhaben&#x017F;te Creatur, aber ewig wie<lb/>
Herkules am Scheidewege. Da &#x017F;teht: Ent&#x017F;age! und<lb/>
ein himmelblaues Lamm daneben, Dich auf Dornen¬<lb/>
wegen zur Trüb&#x017F;al zu führen. Hier &#x017F;teht: Genieße!<lb/>
und Fuchs, Wolf und Schlange &#x017F;tehn als Deine Lehr¬<lb/>
mei&#x017F;ter dabei.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walter hatte längere Zeit vor &#x017F;ich hingeblickt;<lb/>
die Lucubrationen des Freundes hatten ihn nicht<lb/>
ge&#x017F;tört: &#x201E;Wo i&#x017F;t das Allgemeinwohl? das i&#x017F;t die<lb/>
Frage. Sitzt's in den Gipfeln? in den Wurzeln?<lb/>
Wo i&#x017F;t das Mark? Wir fühlen es, wie das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0055] ſein auch bleiches Geſicht blitzte von einer ver¬ rätheriſchen Röthe, während das dunkle tiefe Auge geſpenſterhafte Glanzblitze warf. Es war Louis Bovillard; er hatte die obigen Worte geſprochen. „Dem Fatalismus huldigen, dahin alſo führte unſer langer ſaurer Bildungsproceß, unſer Suchen, Tappen, Klimmen! entgegnete Walter. Du mußt bekennen, daß die Türken dies Ziel bequemer haben. — Du biſt noch krank.“ Bovillard ſah mit ſeinem glühenden Auge weh¬ müthig auf den Freund: „Was hilft Dir Deine Geſundheit?“ „Daß ich meine Kraft ſparte.“ „Wofür? Was hilft der Ameiſe die Seherkraft der Kaſſandra, wenn der Stiefel eines Stallknechts ſich nur aufzuheben braucht und der Bau ihres Lebens iſt zerſtört!“ „Gott und Natur ſind ewig, und der Menſch —“ „Bleibt ihre erhabenſte Creatur, aber ewig wie Herkules am Scheidewege. Da ſteht: Entſage! und ein himmelblaues Lamm daneben, Dich auf Dornen¬ wegen zur Trübſal zu führen. Hier ſteht: Genieße! und Fuchs, Wolf und Schlange ſtehn als Deine Lehr¬ meiſter dabei.“ Walter hatte längere Zeit vor ſich hingeblickt; die Lucubrationen des Freundes hatten ihn nicht geſtört: „Wo iſt das Allgemeinwohl? das iſt die Frage. Sitzt's in den Gipfeln? in den Wurzeln? Wo iſt das Mark? Wir fühlen es, wie das Waſſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/55
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/55>, abgerufen am 23.04.2024.