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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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bracht, und das Glas mit dem Reste fallen ließ, daß es zerbrach. Reinen Tisch gemacht! jubilirte der Chor, und Gläser und Flaschen flogen über die Köpfe und Tische gegen die Wände.

Warum steht deines noch ganz vor dir? rief das bemoos'te Haupt einem Jünglinge zu, der im Winkel zurückgezogen saß, die breite Hand auf seine Schultern legend. -- Weil ich noch trinken will, entgegnete Dieser, und schüttelte sie ab. -- Was! will der Kurländer nicht huldigen? rief ein Anderer. Der Zuruf eines Besonnenern, es sei der melancholische Sacken, der über Plato und Seneca vergesse, was drei Schritte von ihm vorgehe, wurde überschrieen durch den Tumult der Stimmen: Kurland muß huldigen! -- In dem Prinzen schien in diesem Augenblicke der Rausch auf dem Gipfelpunkte. Er sprang auf, stieß den Sessel mit dem Fuß um und schrie: Es muß -- ich schwör' es euch, Brüder, es muß -- so wahr Piastenblut mir in den Adern rinnt: keine Provinz, keinen Flecken, kein Dorf, die uns gehörten, lassen wir los. -- Wir lassen sie nicht los, wiederholte der Chor. Sie sind unsere Lehnsmänner! Kuronia heran! Auf die Kniee vor unserm erwählten Könige. Sie sollen aufs Neue um Belehnung bitten! oder --

Ein junger Bursch von blühendem Gesicht und kräftiger, aber gedrängter Figur arbeitete sich über die Schultern zweier Polen durch einen kecken Satz auf den großen Tisch. Der Wein glühte auch in seinem blonden

bracht, und das Glas mit dem Reste fallen ließ, daß es zerbrach. Reinen Tisch gemacht! jubilirte der Chor, und Gläser und Flaschen flogen über die Köpfe und Tische gegen die Wände.

Warum steht deines noch ganz vor dir? rief das bemoos'te Haupt einem Jünglinge zu, der im Winkel zurückgezogen saß, die breite Hand auf seine Schultern legend. — Weil ich noch trinken will, entgegnete Dieser, und schüttelte sie ab. — Was! will der Kurländer nicht huldigen? rief ein Anderer. Der Zuruf eines Besonnenern, es sei der melancholische Sacken, der über Plato und Seneca vergesse, was drei Schritte von ihm vorgehe, wurde überschrieen durch den Tumult der Stimmen: Kurland muß huldigen! — In dem Prinzen schien in diesem Augenblicke der Rausch auf dem Gipfelpunkte. Er sprang auf, stieß den Sessel mit dem Fuß um und schrie: Es muß — ich schwör' es euch, Brüder, es muß — so wahr Piastenblut mir in den Adern rinnt: keine Provinz, keinen Flecken, kein Dorf, die uns gehörten, lassen wir los. — Wir lassen sie nicht los, wiederholte der Chor. Sie sind unsere Lehnsmänner! Kuronia heran! Auf die Kniee vor unserm erwählten Könige. Sie sollen aufs Neue um Belehnung bitten! oder —

Ein junger Bursch von blühendem Gesicht und kräftiger, aber gedrängter Figur arbeitete sich über die Schultern zweier Polen durch einen kecken Satz auf den großen Tisch. Der Wein glühte auch in seinem blonden

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/18>, abgerufen am 18.04.2024.