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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Jahre, und ich weiß, was hinter dieser rauhen Hülle steckt. Aber nicht Jeder, mit dem Sie zusammentreffen, wird diesen Kern entdecken. Sie wollen thätig werden in Ihrem Vaterlande, vielleicht Reisen unternehmen, man wird Sie verkennen, und Sie werden die Menschen nicht kennen lernen.

Desto besser, entgegnete Sacken; je einsamer der Mensch ist, um so sicherer ist er vor der Täuschung, die in jedem Winkel lauert. Jahrelang ohne Gemeinschaft, und er müßte sich doch am Ende kennen lernen. Wenn das möglich wäre, ich wünschte es.

Und ich wünschte, sagte Behrend, daß Sie in Ihrer Heimath angelangt keinen Augenblick säumten, das kluge, klar blickende Fräulein von Trotha vor den Altar zu führen. Eine solche verständige Frau, die in ihrer Art für Sie rechnete, thäte Ihnen noth. Sie würden sich selbst und die Menschen kennen lernen. Wie lange wollen Sie noch zögern? Sie sind reich, warten auf nichts. Sie waren kein Jüngling mehr, als Sie die Universität bezogen; es ist Zeit, Herr von Sacken.

Worauf ich warte? antwortete dieser. Ei, mein Freund, ich bin uneigennützig. Ich warte, ob für meine Benigna kein Freier kommen will, der ihr mehr ansteht, als der alternde, grämliche, schwarzblickende Theosophus Sacken. Nicht wahr, steht es nicht in einem ihrer Briefe, daß sie mich mit stiller Sehnsucht erwartet? Das Papier ist geduldig, die Feder gehorsam. Auch ihr Auge spricht vielleicht so, möglich, daß sie zittert, wenn ich ankomme.

Jahre, und ich weiß, was hinter dieser rauhen Hülle steckt. Aber nicht Jeder, mit dem Sie zusammentreffen, wird diesen Kern entdecken. Sie wollen thätig werden in Ihrem Vaterlande, vielleicht Reisen unternehmen, man wird Sie verkennen, und Sie werden die Menschen nicht kennen lernen.

Desto besser, entgegnete Sacken; je einsamer der Mensch ist, um so sicherer ist er vor der Täuschung, die in jedem Winkel lauert. Jahrelang ohne Gemeinschaft, und er müßte sich doch am Ende kennen lernen. Wenn das möglich wäre, ich wünschte es.

Und ich wünschte, sagte Behrend, daß Sie in Ihrer Heimath angelangt keinen Augenblick säumten, das kluge, klar blickende Fräulein von Trotha vor den Altar zu führen. Eine solche verständige Frau, die in ihrer Art für Sie rechnete, thäte Ihnen noth. Sie würden sich selbst und die Menschen kennen lernen. Wie lange wollen Sie noch zögern? Sie sind reich, warten auf nichts. Sie waren kein Jüngling mehr, als Sie die Universität bezogen; es ist Zeit, Herr von Sacken.

Worauf ich warte? antwortete dieser. Ei, mein Freund, ich bin uneigennützig. Ich warte, ob für meine Benigna kein Freier kommen will, der ihr mehr ansteht, als der alternde, grämliche, schwarzblickende Theosophus Sacken. Nicht wahr, steht es nicht in einem ihrer Briefe, daß sie mich mit stiller Sehnsucht erwartet? Das Papier ist geduldig, die Feder gehorsam. Auch ihr Auge spricht vielleicht so, möglich, daß sie zittert, wenn ich ankomme.

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[0036] Jahre, und ich weiß, was hinter dieser rauhen Hülle steckt. Aber nicht Jeder, mit dem Sie zusammentreffen, wird diesen Kern entdecken. Sie wollen thätig werden in Ihrem Vaterlande, vielleicht Reisen unternehmen, man wird Sie verkennen, und Sie werden die Menschen nicht kennen lernen. Desto besser, entgegnete Sacken; je einsamer der Mensch ist, um so sicherer ist er vor der Täuschung, die in jedem Winkel lauert. Jahrelang ohne Gemeinschaft, und er müßte sich doch am Ende kennen lernen. Wenn das möglich wäre, ich wünschte es. Und ich wünschte, sagte Behrend, daß Sie in Ihrer Heimath angelangt keinen Augenblick säumten, das kluge, klar blickende Fräulein von Trotha vor den Altar zu führen. Eine solche verständige Frau, die in ihrer Art für Sie rechnete, thäte Ihnen noth. Sie würden sich selbst und die Menschen kennen lernen. Wie lange wollen Sie noch zögern? Sie sind reich, warten auf nichts. Sie waren kein Jüngling mehr, als Sie die Universität bezogen; es ist Zeit, Herr von Sacken. Worauf ich warte? antwortete dieser. Ei, mein Freund, ich bin uneigennützig. Ich warte, ob für meine Benigna kein Freier kommen will, der ihr mehr ansteht, als der alternde, grämliche, schwarzblickende Theosophus Sacken. Nicht wahr, steht es nicht in einem ihrer Briefe, daß sie mich mit stiller Sehnsucht erwartet? Das Papier ist geduldig, die Feder gehorsam. Auch ihr Auge spricht vielleicht so, möglich, daß sie zittert, wenn ich ankomme.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/36>, abgerufen am 29.03.2024.