Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

wesen ist. Wie die Menschen von Anfang an eingetheilt waren, so bleiben sie auch. Wer zu einer Familie gehört, die von Anfang an prügelte, der wird immerfort prügeln, und wer zu einer gehört, die Prügel bekam, wird sein Lebtag lang, und seine Kinder und Kindeskinder auch, geprügelt werden. Wie Viele versprachen uns, was sie Verbesserung unserer Lage nannten, die gnädigen Herzöge, die Kettlers, die Schweden, die Russen, der und jener von unseren Herren; aber es blieb immer beim Alten, die prügeln und wir werden geprügelt. Der ist unvernünftig, der da meint, er könne ändern, was einmal ist; und darum sind die Menschen eigentlich die unvernünftigsten Geschöpfe, weil sie sich noch immer Mühe geben, was schief ist, in die Richte zu schieben. Durch alle die Verbesserungsversuche wird es eher noch schlimmer, denn was dabei drauf geht, macht die Leute ärmer und ärgerlicher, und wer anders muß es ausbaden, als wir, auf die Alles zurückfällt. Wir müssen mehr arbeiten, mehr schwitzen und schaffen. Unsere Großväter saßen wärmer und hatten mehr zu essen. Warum? Weil sie nie daran dachten, daß es ihnen besser gehn und die Welt bestehen könnte, wenn sie weniger Schläge kriegten, als an die sie von Kind an gewöhnt waren.

Eigentlich sind die Thiere die vernünftigsten Geschöpfe, sagte er nach einer langen Pause, während der er dem Spiel der Vögel zugesehen. Eins hetzt und jagt das Andere. Sie wissen recht gut, daß sie einmal

wesen ist. Wie die Menschen von Anfang an eingetheilt waren, so bleiben sie auch. Wer zu einer Familie gehört, die von Anfang an prügelte, der wird immerfort prügeln, und wer zu einer gehört, die Prügel bekam, wird sein Lebtag lang, und seine Kinder und Kindeskinder auch, geprügelt werden. Wie Viele versprachen uns, was sie Verbesserung unserer Lage nannten, die gnädigen Herzöge, die Kettlers, die Schweden, die Russen, der und jener von unseren Herren; aber es blieb immer beim Alten, die prügeln und wir werden geprügelt. Der ist unvernünftig, der da meint, er könne ändern, was einmal ist; und darum sind die Menschen eigentlich die unvernünftigsten Geschöpfe, weil sie sich noch immer Mühe geben, was schief ist, in die Richte zu schieben. Durch alle die Verbesserungsversuche wird es eher noch schlimmer, denn was dabei drauf geht, macht die Leute ärmer und ärgerlicher, und wer anders muß es ausbaden, als wir, auf die Alles zurückfällt. Wir müssen mehr arbeiten, mehr schwitzen und schaffen. Unsere Großväter saßen wärmer und hatten mehr zu essen. Warum? Weil sie nie daran dachten, daß es ihnen besser gehn und die Welt bestehen könnte, wenn sie weniger Schläge kriegten, als an die sie von Kind an gewöhnt waren.

Eigentlich sind die Thiere die vernünftigsten Geschöpfe, sagte er nach einer langen Pause, während der er dem Spiel der Vögel zugesehen. Eins hetzt und jagt das Andere. Sie wissen recht gut, daß sie einmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="5">
        <p><pb facs="#f0049"/>
wesen ist. Wie die Menschen                von Anfang an eingetheilt waren, so bleiben sie auch. Wer zu einer Familie gehört,                die von Anfang an prügelte, der wird immerfort prügeln, und wer zu einer gehört, die                Prügel bekam, wird sein Lebtag lang, und seine Kinder und Kindeskinder auch,                geprügelt werden. Wie Viele versprachen uns, was sie Verbesserung unserer Lage                nannten, die gnädigen Herzöge, die Kettlers, die Schweden, die Russen, der und jener                von unseren Herren; aber es blieb immer beim Alten, die prügeln und wir werden                geprügelt. Der ist unvernünftig, der da meint, er könne ändern, was einmal ist; und                darum sind die Menschen eigentlich die unvernünftigsten Geschöpfe, weil sie sich noch                immer Mühe geben, was schief ist, in die Richte zu schieben. Durch alle die                Verbesserungsversuche wird es eher noch schlimmer, denn was dabei drauf geht, macht                die Leute ärmer und ärgerlicher, und wer anders muß es ausbaden, als wir, auf die                Alles zurückfällt. Wir müssen mehr arbeiten, mehr schwitzen und schaffen. Unsere                Großväter saßen wärmer und hatten mehr zu essen. Warum? Weil sie nie daran dachten,                daß es ihnen besser gehn und die Welt bestehen könnte, wenn sie weniger Schläge                kriegten, als an die sie von Kind an gewöhnt waren.</p><lb/>
        <p>Eigentlich sind die Thiere die vernünftigsten Geschöpfe, sagte er nach einer langen                Pause, während der er dem Spiel der Vögel zugesehen. Eins hetzt und jagt das Andere.                Sie wissen recht gut, daß sie einmal<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] wesen ist. Wie die Menschen von Anfang an eingetheilt waren, so bleiben sie auch. Wer zu einer Familie gehört, die von Anfang an prügelte, der wird immerfort prügeln, und wer zu einer gehört, die Prügel bekam, wird sein Lebtag lang, und seine Kinder und Kindeskinder auch, geprügelt werden. Wie Viele versprachen uns, was sie Verbesserung unserer Lage nannten, die gnädigen Herzöge, die Kettlers, die Schweden, die Russen, der und jener von unseren Herren; aber es blieb immer beim Alten, die prügeln und wir werden geprügelt. Der ist unvernünftig, der da meint, er könne ändern, was einmal ist; und darum sind die Menschen eigentlich die unvernünftigsten Geschöpfe, weil sie sich noch immer Mühe geben, was schief ist, in die Richte zu schieben. Durch alle die Verbesserungsversuche wird es eher noch schlimmer, denn was dabei drauf geht, macht die Leute ärmer und ärgerlicher, und wer anders muß es ausbaden, als wir, auf die Alles zurückfällt. Wir müssen mehr arbeiten, mehr schwitzen und schaffen. Unsere Großväter saßen wärmer und hatten mehr zu essen. Warum? Weil sie nie daran dachten, daß es ihnen besser gehn und die Welt bestehen könnte, wenn sie weniger Schläge kriegten, als an die sie von Kind an gewöhnt waren. Eigentlich sind die Thiere die vernünftigsten Geschöpfe, sagte er nach einer langen Pause, während der er dem Spiel der Vögel zugesehen. Eins hetzt und jagt das Andere. Sie wissen recht gut, daß sie einmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/49
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/49>, abgerufen am 24.04.2024.