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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Genese der Zelle.
die Uebergänge zu suchen haben, die das Verständniss aller
Formen des lebenden Protoplasmas bis zur Zelle hin vermitteln.

Die echte hochorganisirte Zelle zeigt uns einen höchst com¬
plicirten Bau. Dass dem so ist, erfüllt uns vielleicht zunächst
mit einer Art von Befriedigung; entspricht es doch einiger¬
massen den Vorstellungen, welche wir von den complicirten
Fähigkeiten lebender Gebilde haben. Hat man aber das Be¬
dürfniss, zu einheitlichen Anschauungen zu kommen, so kann
in dieser Complicirtheit des Zellenbaues das Wesen einer Ein¬
heit nicht begründet sein. Die Frage, ob es eine morpho¬
logische Einheit der organisirten Materie giebt und
welches diese sei
, ist daher durch die Aufstellung des
Zellenbegriffes noch nicht erledigt
.

In den voranstehenden Capiteln haben wir gezeigt, wie in
den verschiedensten Zellengattungen sich die Protoplasmen aus
Granulis zusammensetzen, und dass auch die Zellfibrillen meist
sichtbarlich aus nichts Anderem bestehen, als aus fibrillär an¬
einander gereihten Granulis. Trotzdem erscheint es wichtig,
zunächst dieses Verhältniss von einzelnen Granulis und Fibrillen
noch näher zu charakterisiren.

Hier werden wir nicht umhin können, die Mikroorganismen
mit in Vergleich zu ziehen, und sehen wir bei ihnen, dass die
vielfachen Formen derselben und die vielfachen Bemühungen,
diese systematisch zu ordnen, ebenfalls eine Theilung in zwei
Hauptgruppen erkennen lassen, die man als Einzelelemente oder
Monaden und als Fadenelemente oder Nematoden bezeichnen
kann und auch bezeichnet hat, und wenn auch das Bestreben
vollständig zu sein öfter dazu Veranlassung gab, neben diesen
beiden Hauptgattungen noch andere Formen als gleichberechtigt
hinzustellen, so war das wohl ein Fehler, aber ein um so mehr
verzeihlicher, als er aus der Gewissenhaftigkeit der Forscher
entsprungen ist.

Schon Ehrenberg hat dieses Theilungsprincip aufgestellt,
indem er seine Monadinen von den Monadenstöcken oder Glieder¬
fäden trennte, und wenn Cohn die Einzelindividuen wegen ihrer
öfter zu beobachtenden Tendenz Schleimfamilien zu bilden als
Gloeogenae von den Fäden bildenden Nemotagenae scheidet, so
ist hierin die gleiche Grundidee der Theilung enthalten. Wir

Die Genese der Zelle.
die Uebergänge zu suchen haben, die das Verständniss aller
Formen des lebenden Protoplasmas bis zur Zelle hin vermitteln.

Die echte hochorganisirte Zelle zeigt uns einen höchst com¬
plicirten Bau. Dass dem so ist, erfüllt uns vielleicht zunächst
mit einer Art von Befriedigung; entspricht es doch einiger¬
massen den Vorstellungen, welche wir von den complicirten
Fähigkeiten lebender Gebilde haben. Hat man aber das Be¬
dürfniss, zu einheitlichen Anschauungen zu kommen, so kann
in dieser Complicirtheit des Zellenbaues das Wesen einer Ein¬
heit nicht begründet sein. Die Frage, ob es eine morpho¬
logische Einheit der organisirten Materie giebt und
welches diese sei
, ist daher durch die Aufstellung des
Zellenbegriffes noch nicht erledigt
.

In den voranstehenden Capiteln haben wir gezeigt, wie in
den verschiedensten Zellengattungen sich die Protoplasmen aus
Granulis zusammensetzen, und dass auch die Zellfibrillen meist
sichtbarlich aus nichts Anderem bestehen, als aus fibrillär an¬
einander gereihten Granulis. Trotzdem erscheint es wichtig,
zunächst dieses Verhältniss von einzelnen Granulis und Fibrillen
noch näher zu charakterisiren.

Hier werden wir nicht umhin können, die Mikroorganismen
mit in Vergleich zu ziehen, und sehen wir bei ihnen, dass die
vielfachen Formen derselben und die vielfachen Bemühungen,
diese systematisch zu ordnen, ebenfalls eine Theilung in zwei
Hauptgruppen erkennen lassen, die man als Einzelelemente oder
Monaden und als Fadenelemente oder Nematoden bezeichnen
kann und auch bezeichnet hat, und wenn auch das Bestreben
vollständig zu sein öfter dazu Veranlassung gab, neben diesen
beiden Hauptgattungen noch andere Formen als gleichberechtigt
hinzustellen, so war das wohl ein Fehler, aber ein um so mehr
verzeihlicher, als er aus der Gewissenhaftigkeit der Forscher
entsprungen ist.

Schon Ehrenberg hat dieses Theilungsprincip aufgestellt,
indem er seine Monadinen von den Monadenstöcken oder Glieder¬
fäden trennte, und wenn Cohn die Einzelindividuen wegen ihrer
öfter zu beobachtenden Tendenz Schleimfamilien zu bilden als
Gloeogenae von den Fäden bildenden Nemotagenae scheidet, so
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[124/0140] Die Genese der Zelle. die Uebergänge zu suchen haben, die das Verständniss aller Formen des lebenden Protoplasmas bis zur Zelle hin vermitteln. Die echte hochorganisirte Zelle zeigt uns einen höchst com¬ plicirten Bau. Dass dem so ist, erfüllt uns vielleicht zunächst mit einer Art von Befriedigung; entspricht es doch einiger¬ massen den Vorstellungen, welche wir von den complicirten Fähigkeiten lebender Gebilde haben. Hat man aber das Be¬ dürfniss, zu einheitlichen Anschauungen zu kommen, so kann in dieser Complicirtheit des Zellenbaues das Wesen einer Ein¬ heit nicht begründet sein. Die Frage, ob es eine morpho¬ logische Einheit der organisirten Materie giebt und welches diese sei, ist daher durch die Aufstellung des Zellenbegriffes noch nicht erledigt. In den voranstehenden Capiteln haben wir gezeigt, wie in den verschiedensten Zellengattungen sich die Protoplasmen aus Granulis zusammensetzen, und dass auch die Zellfibrillen meist sichtbarlich aus nichts Anderem bestehen, als aus fibrillär an¬ einander gereihten Granulis. Trotzdem erscheint es wichtig, zunächst dieses Verhältniss von einzelnen Granulis und Fibrillen noch näher zu charakterisiren. Hier werden wir nicht umhin können, die Mikroorganismen mit in Vergleich zu ziehen, und sehen wir bei ihnen, dass die vielfachen Formen derselben und die vielfachen Bemühungen, diese systematisch zu ordnen, ebenfalls eine Theilung in zwei Hauptgruppen erkennen lassen, die man als Einzelelemente oder Monaden und als Fadenelemente oder Nematoden bezeichnen kann und auch bezeichnet hat, und wenn auch das Bestreben vollständig zu sein öfter dazu Veranlassung gab, neben diesen beiden Hauptgattungen noch andere Formen als gleichberechtigt hinzustellen, so war das wohl ein Fehler, aber ein um so mehr verzeihlicher, als er aus der Gewissenhaftigkeit der Forscher entsprungen ist. Schon Ehrenberg hat dieses Theilungsprincip aufgestellt, indem er seine Monadinen von den Monadenstöcken oder Glieder¬ fäden trennte, und wenn Cohn die Einzelindividuen wegen ihrer öfter zu beobachtenden Tendenz Schleimfamilien zu bilden als Gloeogenae von den Fäden bildenden Nemotagenae scheidet, so ist hierin die gleiche Grundidee der Theilung enthalten. Wir

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/140>, abgerufen am 23.04.2024.