Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnds, Wilhelm Erasmus: Eines zehen-jährigen Knabens Christlieb Leberecht von Exter/ aus Zerbst/ Christlich geführter Lebens-Lauff. Halle (Saale), 1708.

Bild:
<< vorherige Seite

Etliche Briefe.
nicht/ als wenn ich sie ergriffen hätte/ und
bestrebe mich/ darnach sie |immer noch
mehr zu erlangen/ bis ich sie völlig ergreif-
fe/ und zwar durch GOttes Gnade/ und
so in allen andern guten Dingen/ auf-
daß meine Lampe möge voll Oele seyn/
wenn ich etwan solte von dieser Welt
genommen werden. Denn gleichwie
das nicht genug wäre/ wenn ein Bettler
vor einer hohen Person erscheinen wolte/
daß er nur allein etliche grobe Sachen
ablege/ sondern er muß gantz andere Sit-
ten/ Mores und Gebehrden lernen/ und
fein angethan werden; also auch wir/
wenn wir wollen vor GOtt erscheinen/
müssen wir gantz anders werden an
Hertz/ Muth und Sinn und Kräften/
daß wir vor GOtt bestehen und vor sein
Angesicht treten können. Was anbe-
langet mein Haupt/ so haben die
Schmertzen daran sich fast gemehret/
und lassen sich noch täglich mercken. Ma-
rie Ließchen
hat zwar ihre Beschwe-
rung nicht mehr so hefftig/ dennoch ist sie

nicht

Etliche Briefe.
nicht/ als wenn ich ſie ergriffen haͤtte/ und
beſtrebe mich/ darnach ſie |immer noch
mehr zu erlangen/ bis ich ſie voͤllig ergreif-
fe/ und zwar durch GOttes Gnade/ und
ſo in allen andern guten Dingen/ auf-
daß meine Lampe moͤge voll Oele ſeyn/
wenn ich etwan ſolte von dieſer Welt
genommen werden. Denn gleichwie
das nicht genug waͤre/ wenn ein Bettler
vor einer hohen Perſon erſcheinen wolte/
daß er nur allein etliche grobe Sachen
ablege/ ſondern er muß gantz andere Sit-
ten/ Mores und Gebehrden lernen/ und
fein angethan werden; alſo auch wir/
wenn wir wollen vor GOtt erſcheinen/
muͤſſen wir gantz anders werden an
Hertz/ Muth und Sinn und Kraͤften/
daß wir vor GOtt beſtehen und vor ſein
Angeſicht treten koͤnnen. Was anbe-
langet mein Haupt/ ſo haben die
Schmertzen daran ſich faſt gemehret/
und laſſen ſich noch taͤglich mercken. Ma-
rie Ließchen
hat zwar ihre Beſchwe-
rung nicht mehr ſo hefftig/ dennoch iſt ſie

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter">
          <p><pb facs="#f0178" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Etliche Briefe.</hi></fw><lb/>
nicht/ als wenn ich &#x017F;ie ergriffen ha&#x0364;tte/ und<lb/>
be&#x017F;trebe mich/ darnach &#x017F;ie |immer noch<lb/>
mehr zu erlangen/ bis ich &#x017F;ie vo&#x0364;llig ergreif-<lb/>
fe/ und zwar durch GOttes Gnade/ und<lb/>
&#x017F;o in allen andern guten Dingen/ auf-<lb/>
daß meine Lampe mo&#x0364;ge voll Oele &#x017F;eyn/<lb/>
wenn ich etwan &#x017F;olte von die&#x017F;er Welt<lb/>
genommen werden. Denn gleichwie<lb/>
das nicht genug wa&#x0364;re/ wenn ein Bettler<lb/>
vor einer hohen Per&#x017F;on er&#x017F;cheinen wolte/<lb/>
daß er nur allein etliche grobe Sachen<lb/>
ablege/ &#x017F;ondern er muß gantz andere Sit-<lb/>
ten/ <hi rendition="#aq">Mores</hi> und Gebehrden lernen/ und<lb/>
fein angethan werden; al&#x017F;o auch wir/<lb/>
wenn wir wollen vor GOtt er&#x017F;cheinen/<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir gantz anders werden an<lb/>
Hertz/ Muth und Sinn und Kra&#x0364;ften/<lb/>
daß wir vor GOtt be&#x017F;tehen und vor &#x017F;ein<lb/>
Ange&#x017F;icht treten ko&#x0364;nnen. Was anbe-<lb/>
langet mein Haupt/ &#x017F;o haben die<lb/>
Schmertzen daran &#x017F;ich fa&#x017F;t gemehret/<lb/>
und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich noch ta&#x0364;glich mercken. <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
rie Ließchen</hi> hat zwar ihre Be&#x017F;chwe-<lb/>
rung nicht mehr &#x017F;o hefftig/ dennoch i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0178] Etliche Briefe. nicht/ als wenn ich ſie ergriffen haͤtte/ und beſtrebe mich/ darnach ſie |immer noch mehr zu erlangen/ bis ich ſie voͤllig ergreif- fe/ und zwar durch GOttes Gnade/ und ſo in allen andern guten Dingen/ auf- daß meine Lampe moͤge voll Oele ſeyn/ wenn ich etwan ſolte von dieſer Welt genommen werden. Denn gleichwie das nicht genug waͤre/ wenn ein Bettler vor einer hohen Perſon erſcheinen wolte/ daß er nur allein etliche grobe Sachen ablege/ ſondern er muß gantz andere Sit- ten/ Mores und Gebehrden lernen/ und fein angethan werden; alſo auch wir/ wenn wir wollen vor GOtt erſcheinen/ muͤſſen wir gantz anders werden an Hertz/ Muth und Sinn und Kraͤften/ daß wir vor GOtt beſtehen und vor ſein Angeſicht treten koͤnnen. Was anbe- langet mein Haupt/ ſo haben die Schmertzen daran ſich faſt gemehret/ und laſſen ſich noch taͤglich mercken. Ma- rie Ließchen hat zwar ihre Beſchwe- rung nicht mehr ſo hefftig/ dennoch iſt ſie nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708/178
Zitationshilfe: Arnds, Wilhelm Erasmus: Eines zehen-jährigen Knabens Christlieb Leberecht von Exter/ aus Zerbst/ Christlich geführter Lebens-Lauff. Halle (Saale), 1708, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708/178>, abgerufen am 19.04.2024.