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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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und Kränzen geziert ist, und auf welchem zum Schluß gewöhn-
lich ein lustiger Tanz statt findet. Ein solches Preisschießen
dauert oft mehrere Tage. Vom Morgen bis zum Abend knallen
die Büchsen, die Berge geben eben so knalllustig Antwort, und
es ist ein Singen und Jauchzen, Tuschblasen und Hüteschwingen,
daß auch der griesgrämigste Stubenhocker mit den Fröhlichen
wieder einmal fröhlich sein muß. -- Für die besten Schüsse
sind Geldpreise bestimmt, und je näher der Ring, in den ge-
schossen wird, dem Zentrum ist, desto höher der Preis; für den
Meisterschuß aber sind heute 10 Kronenthaler festgesetzt, und
der freigebige König legte noch drei Karolin dazu. -- Schon
zwei Tage währte das Festschießen unter einem Himmel vom
schönsten bayerischen Blau, und der Tag, an dem geschlossen
werden sollte, brach an. Es ist recht brav geschossen worden
und nahe bis an's Ziel, der beste Schuß aber -- der war noch
zu erringen. Da nahm die Aufregung und Hitze der Schützen
immer mehr zu, und auch der Kugler-Seppl zielte so scharf er
nur konnte, denn er dachte, mit dem Siegespreis müsse er rasch
noch höher steigen in Resl's Gunst, und demnächst werde dann
Hochzeit sein. -- Jn den Adlerhof trat schon mit den ersten
Sonnenstrahlen ein alter Schulkamerad des Bauers ein, der
Holzwastel aus der Glashütte, und forderte ihn auf, mit nach
Tegernsee zum letzten Scheibenschießen zu gehen. Der Wastel
war eine gar gute, treue Haut, und galt viel beim Adler, ja
selbst mit der Resl, die er wie sein eigenes Kind liebte, konnte
er wohl ein offenes Wort reden. Der Adler, just fidel auf-
gelegt, ließ sich nicht lange bitten und rief in die Oberstube
hinauf: "Resl, der Wastel holt uns ab zum Schießen, zieh' dich
an, aber fein schön, hörst du, denn gewiß kommt der Herr
König zum Schießstand." "Gleich Vater," antwortete eine helle
Stimme, und die Resl, in allen Dingen flink, stand bald fix
und fertig vor dem glücklichen Vater und dem Wastel, der mit
einem kräftigen "Grüß' dich Gott, liebe Resl!" ihr die Hand
herzhaft schüttelte, und dann -- indem er über seinen grauen
Schnurbart strich -- noch beifügte: "nun, wenn du nicht die
Schönste beim Fest bist, so will ich heut' keinen Tropfen Bier

und Kränzen geziert iſt, und auf welchem zum Schluß gewöhn-
lich ein luſtiger Tanz ſtatt findet. Ein ſolches Preisſchießen
dauert oft mehrere Tage. Vom Morgen bis zum Abend knallen
die Büchſen, die Berge geben eben ſo knallluſtig Antwort, und
es iſt ein Singen und Jauchzen, Tuſchblaſen und Hüteſchwingen,
daß auch der griesgrämigſte Stubenhocker mit den Fröhlichen
wieder einmal fröhlich ſein muß. — Für die beſten Schüſſe
ſind Geldpreiſe beſtimmt, und je näher der Ring, in den ge-
ſchoſſen wird, dem Zentrum iſt, deſto höher der Preis; für den
Meiſterſchuß aber ſind heute 10 Kronenthaler feſtgeſetzt, und
der freigebige König legte noch drei Karolin dazu. — Schon
zwei Tage währte das Feſtſchießen unter einem Himmel vom
ſchönſten bayeriſchen Blau, und der Tag, an dem geſchloſſen
werden ſollte, brach an. Es iſt recht brav geſchoſſen worden
und nahe bis an’s Ziel, der beſte Schuß aber — der war noch
zu erringen. Da nahm die Aufregung und Hitze der Schützen
immer mehr zu, und auch der Kugler-Seppl zielte ſo ſcharf er
nur konnte, denn er dachte, mit dem Siegespreis müſſe er raſch
noch höher ſteigen in Resl’s Gunſt, und demnächſt werde dann
Hochzeit ſein. — Jn den Adlerhof trat ſchon mit den erſten
Sonnenſtrahlen ein alter Schulkamerad des Bauers ein, der
Holzwaſtel aus der Glashütte, und forderte ihn auf, mit nach
Tegernſee zum letzten Scheibenſchießen zu gehen. Der Waſtel
war eine gar gute, treue Haut, und galt viel beim Adler, ja
ſelbſt mit der Resl, die er wie ſein eigenes Kind liebte, konnte
er wohl ein offenes Wort reden. Der Adler, juſt fidel auf-
gelegt, ließ ſich nicht lange bitten und rief in die Oberſtube
hinauf: „Resl, der Waſtel holt uns ab zum Schießen, zieh’ dich
an, aber fein ſchön, hörſt du, denn gewiß kommt der Herr
König zum Schießſtand.“ „Gleich Vater,“ antwortete eine helle
Stimme, und die Resl, in allen Dingen flink, ſtand bald fix
und fertig vor dem glücklichen Vater und dem Waſtel, der mit
einem kräftigen „Grüß’ dich Gott, liebe Resl!“ ihr die Hand
herzhaft ſchüttelte, und dann — indem er über ſeinen grauen
Schnurbart ſtrich — noch beifügte: „nun, wenn du nicht die
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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/21>, abgerufen am 29.03.2024.