Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

"wie wird's über's Jahr mit mir wohl ausschauen?" Die Heer-
den aber verlangen zur bestimmten Zeit eben so nach der Heim-
reise, wie sie im Frühling aus dem Dorf hinaus verlangen. --
Die Träger wurden wieder mit den Kraxen bepackt, die Heerden
losgelassen, und guten Muths und bei einem frischen Luftzug,
der Ende August zuweilen schon mit leichtem Schneegestöber über
den Planberg streift, ging der Zug in's Thal zur Niederalm
herab. Die Resl ließ sich aber den folgenden Tag von der Dirn
ablösen und kehrte in's väterliche Haus zurück. -- Beim Wieder-
sehen dachte der Adler an gar nichts, als daß er seine Resl
wieder hat, und schloß sie ganz beglückt in seine Arme. Der
Wastl war auch zum Empfang gekommen und theilte von ganzer
Seele die Festfreude. -- Nun zog der Adler seine Tochter neben
sich auf die Bank nieder und sagte: "Du schaust ja so frisch aus
wie ein Alpenrösl vom Blauberg!" "Jst mir auch immer gut
gegangen, Vater, gefehlt hat mir keine Stund' was," erwiederte
sie, "und der Frieden da oben war mir lieber als der schönste
Tanz auf der Kirchweih." "Aber jetzt bist du doch gern wieder
zu mir gekommen, gelt Resl?" "Nun, das will ich meinen",
sagte sie, "recht gefreut hab' ich mich heim zu kommen." Nun
mußte sie erzählen, wie es im Stall und auf den Weiden aus-
sah, wie viele Kälber auf die Welt kamen u. s. w. -- Auf ein-
mal drückte es den Wastl, der von dem Besuch des Franzl nichts
wußte, zu fragen, ob wirklich der Michel oben war, und ob sie
so gar freundlich mit ihm gethan, wie er sich gerühmt hat. "O
der schlechte Mensch!" rief das Mädchen -- eigentlich wollte die
Resl weder vom schlimmen, noch vom guten Besuch sogleich reden
-- nun erzählte sie aber den ganzen Ueberfall. "Der miserable
Kerl!" schrie der Leonhard, "wie froh bin ich, daß ich ihm kein
Wort geglaubt hab'. Denk' nur Resl, er wollte mir was vor-
machen, als wär' der Franz bei dir gewesen." Die Resl er-
blaßte. "Was," rief der Adler, "es ist doch nicht wahr?" "Ja,
Vater," sagte sie fest und ruhig, "es ist wahr. Aber so gewiß
ich in den Himmel kommen will, er hat mir kein Wort gesagt,
das ich dem Vater nicht wieder sagen könnt'." Aber schon beim
Ja kam der Adler einer Ohnmacht nah, und der Wastl hielt

„wie wird’s über’s Jahr mit mir wohl ausſchauen?“ Die Heer-
den aber verlangen zur beſtimmten Zeit eben ſo nach der Heim-
reiſe, wie ſie im Frühling aus dem Dorf hinaus verlangen. —
Die Träger wurden wieder mit den Kraxen bepackt, die Heerden
losgelaſſen, und guten Muths und bei einem friſchen Luftzug,
der Ende Auguſt zuweilen ſchon mit leichtem Schneegeſtöber über
den Planberg ſtreift, ging der Zug in’s Thal zur Niederalm
herab. Die Resl ließ ſich aber den folgenden Tag von der Dirn
ablöſen und kehrte in’s väterliche Haus zurück. — Beim Wieder-
ſehen dachte der Adler an gar nichts, als daß er ſeine Resl
wieder hat, und ſchloß ſie ganz beglückt in ſeine Arme. Der
Waſtl war auch zum Empfang gekommen und theilte von ganzer
Seele die Feſtfreude. — Nun zog der Adler ſeine Tochter neben
ſich auf die Bank nieder und ſagte: „Du ſchauſt ja ſo friſch aus
wie ein Alpenrösl vom Blauberg!“ „Jſt mir auch immer gut
gegangen, Vater, gefehlt hat mir keine Stund’ was,“ erwiederte
ſie, „und der Frieden da oben war mir lieber als der ſchönſte
Tanz auf der Kirchweih.“ „Aber jetzt biſt du doch gern wieder
zu mir gekommen, gelt Resl?“ „Nun, das will ich meinen“,
ſagte ſie, „recht gefreut hab’ ich mich heim zu kommen.“ Nun
mußte ſie erzählen, wie es im Stall und auf den Weiden aus-
ſah, wie viele Kälber auf die Welt kamen u. ſ. w. — Auf ein-
mal drückte es den Waſtl, der von dem Beſuch des Franzl nichts
wußte, zu fragen, ob wirklich der Michel oben war, und ob ſie
ſo gar freundlich mit ihm gethan, wie er ſich gerühmt hat. „O
der ſchlechte Menſch!“ rief das Mädchen — eigentlich wollte die
Resl weder vom ſchlimmen, noch vom guten Beſuch ſogleich reden
nun erzählte ſie aber den ganzen Ueberfall. „Der miſerable
Kerl!“ ſchrie der Leonhard, „wie froh bin ich, daß ich ihm kein
Wort geglaubt hab’. Denk’ nur Resl, er wollte mir was vor-
machen, als wär’ der Franz bei dir geweſen.“ Die Resl er-
blaßte. „Was,“ rief der Adler, „es iſt doch nicht wahr?“ „Ja,
Vater,“ ſagte ſie feſt und ruhig, „es iſt wahr. Aber ſo gewiß
ich in den Himmel kommen will, er hat mir kein Wort geſagt,
das ich dem Vater nicht wieder ſagen könnt’.“ Aber ſchon beim
Ja kam der Adler einer Ohnmacht nah, und der Waſtl hielt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <p><pb facs="#f0059"/>
&#x201E;wie wird&#x2019;s über&#x2019;s Jahr mit mir wohl aus&#x017F;chauen?&#x201C; Die Heer-<lb/>
den aber verlangen zur be&#x017F;timmten Zeit eben &#x017F;o nach der Heim-<lb/>
rei&#x017F;e, wie &#x017F;ie im Frühling aus dem Dorf hinaus verlangen. &#x2014;<lb/>
Die Träger wurden wieder mit den Kraxen bepackt, die Heerden<lb/>
losgela&#x017F;&#x017F;en, und guten Muths und bei einem fri&#x017F;chen Luftzug,<lb/>
der Ende Augu&#x017F;t zuweilen &#x017F;chon mit leichtem Schneege&#x017F;töber über<lb/>
den Planberg &#x017F;treift, ging der Zug in&#x2019;s Thal zur Niederalm<lb/>
herab. Die Resl ließ &#x017F;ich aber den folgenden Tag von der Dirn<lb/>
ablö&#x017F;en und kehrte in&#x2019;s väterliche Haus zurück. &#x2014; Beim Wieder-<lb/>
&#x017F;ehen dachte der Adler an gar nichts, als daß er &#x017F;eine Resl<lb/>
wieder hat, und &#x017F;chloß &#x017F;ie ganz beglückt in &#x017F;eine Arme. Der<lb/>
Wa&#x017F;tl war auch zum Empfang gekommen und theilte von ganzer<lb/>
Seele die Fe&#x017F;tfreude. &#x2014; Nun zog der Adler &#x017F;eine Tochter neben<lb/>
&#x017F;ich auf die Bank nieder und &#x017F;agte: &#x201E;Du &#x017F;chau&#x017F;t ja &#x017F;o fri&#x017F;ch aus<lb/>
wie ein Alpenrösl vom Blauberg!&#x201C; &#x201E;J&#x017F;t mir auch immer gut<lb/>
gegangen, Vater, gefehlt hat mir keine Stund&#x2019; was,&#x201C; erwiederte<lb/>
&#x017F;ie, &#x201E;und der Frieden da oben war mir lieber als der &#x017F;chön&#x017F;te<lb/>
Tanz auf der Kirchweih.&#x201C; &#x201E;Aber jetzt bi&#x017F;t du doch gern wieder<lb/>
zu mir gekommen, gelt Resl?&#x201C; &#x201E;Nun, das will ich meinen&#x201C;,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, &#x201E;recht gefreut hab&#x2019; ich mich heim zu kommen.&#x201C; Nun<lb/>
mußte &#x017F;ie erzählen, wie es im Stall und auf den Weiden aus-<lb/>
&#x017F;ah, wie viele Kälber auf die Welt kamen u. &#x017F;. w. &#x2014; Auf ein-<lb/>
mal drückte es den Wa&#x017F;tl, der von dem Be&#x017F;uch des Franzl nichts<lb/>
wußte, zu fragen, ob wirklich der Michel oben war, und ob &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o gar freundlich mit ihm gethan, wie er &#x017F;ich gerühmt hat. &#x201E;O<lb/>
der &#x017F;chlechte Men&#x017F;ch!&#x201C; rief das Mädchen &#x2014; eigentlich wollte die<lb/>
Resl weder vom &#x017F;chlimmen, noch vom guten Be&#x017F;uch &#x017F;ogleich reden<lb/><choice><sic>=</sic><corr>&#x2014;</corr></choice> nun erzählte &#x017F;ie aber den ganzen Ueberfall. &#x201E;Der mi&#x017F;erable<lb/>
Kerl!&#x201C; &#x017F;chrie der Leonhard, &#x201E;wie froh bin ich, daß ich ihm kein<lb/>
Wort geglaubt hab&#x2019;. Denk&#x2019; nur Resl, er wollte mir was vor-<lb/>
machen, als wär&#x2019; der Franz bei dir gewe&#x017F;en.&#x201C; Die Resl er-<lb/>
blaßte. &#x201E;Was,&#x201C; rief der Adler, &#x201E;es i&#x017F;t doch nicht wahr?&#x201C; &#x201E;Ja,<lb/>
Vater,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie fe&#x017F;t und ruhig, &#x201E;es i&#x017F;t wahr. Aber &#x017F;o gewiß<lb/>
ich in den Himmel kommen will, er hat mir kein Wort ge&#x017F;agt,<lb/>
das ich dem Vater nicht wieder &#x017F;agen könnt&#x2019;.&#x201C; Aber &#x017F;chon beim<lb/><hi rendition="#g">Ja</hi> kam der Adler einer Ohnmacht nah, und der Wa&#x017F;tl hielt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] „wie wird’s über’s Jahr mit mir wohl ausſchauen?“ Die Heer- den aber verlangen zur beſtimmten Zeit eben ſo nach der Heim- reiſe, wie ſie im Frühling aus dem Dorf hinaus verlangen. — Die Träger wurden wieder mit den Kraxen bepackt, die Heerden losgelaſſen, und guten Muths und bei einem friſchen Luftzug, der Ende Auguſt zuweilen ſchon mit leichtem Schneegeſtöber über den Planberg ſtreift, ging der Zug in’s Thal zur Niederalm herab. Die Resl ließ ſich aber den folgenden Tag von der Dirn ablöſen und kehrte in’s väterliche Haus zurück. — Beim Wieder- ſehen dachte der Adler an gar nichts, als daß er ſeine Resl wieder hat, und ſchloß ſie ganz beglückt in ſeine Arme. Der Waſtl war auch zum Empfang gekommen und theilte von ganzer Seele die Feſtfreude. — Nun zog der Adler ſeine Tochter neben ſich auf die Bank nieder und ſagte: „Du ſchauſt ja ſo friſch aus wie ein Alpenrösl vom Blauberg!“ „Jſt mir auch immer gut gegangen, Vater, gefehlt hat mir keine Stund’ was,“ erwiederte ſie, „und der Frieden da oben war mir lieber als der ſchönſte Tanz auf der Kirchweih.“ „Aber jetzt biſt du doch gern wieder zu mir gekommen, gelt Resl?“ „Nun, das will ich meinen“, ſagte ſie, „recht gefreut hab’ ich mich heim zu kommen.“ Nun mußte ſie erzählen, wie es im Stall und auf den Weiden aus- ſah, wie viele Kälber auf die Welt kamen u. ſ. w. — Auf ein- mal drückte es den Waſtl, der von dem Beſuch des Franzl nichts wußte, zu fragen, ob wirklich der Michel oben war, und ob ſie ſo gar freundlich mit ihm gethan, wie er ſich gerühmt hat. „O der ſchlechte Menſch!“ rief das Mädchen — eigentlich wollte die Resl weder vom ſchlimmen, noch vom guten Beſuch ſogleich reden — nun erzählte ſie aber den ganzen Ueberfall. „Der miſerable Kerl!“ ſchrie der Leonhard, „wie froh bin ich, daß ich ihm kein Wort geglaubt hab’. Denk’ nur Resl, er wollte mir was vor- machen, als wär’ der Franz bei dir geweſen.“ Die Resl er- blaßte. „Was,“ rief der Adler, „es iſt doch nicht wahr?“ „Ja, Vater,“ ſagte ſie feſt und ruhig, „es iſt wahr. Aber ſo gewiß ich in den Himmel kommen will, er hat mir kein Wort geſagt, das ich dem Vater nicht wieder ſagen könnt’.“ Aber ſchon beim Ja kam der Adler einer Ohnmacht nah, und der Waſtl hielt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/59
Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/59>, abgerufen am 19.04.2024.