Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Er sprach: Ich muß erst zeigen an,
Welch' von euch soll in Himmel gahn,
Drauf ging er hin und fragte nach,
Die Himmelsstimme also sprach:
Die ältsten zwei sollen hier ein gehn,
Die jüngste muß bleiben stehn.
Sie schrie und sprach: Was hab ich gethan,
Daß ich hier bleiben soll bestahn?
Sankt Petrus sprach: Weil du veracht
Gotts Wort, deine Seele nicht bedacht,
So geh nun hin und siehe zu,
Wo du findest in der Höllen Ruh.
Denn wenn du in die Kirch solltst gehn,
So bliebst du vor dem Spiegel stehn,
Dein Haupt bekrönt, dein Haar geschmiert,
Und dich hoffärtig ausgeziert:
Drum geh nur fort und packe dich,
Die Hölle wird aufnehmen dich!
Als sie nun vor die Hölle kam,
Da klopfte sie gar grausam an,
Der Satan sprach: Wer ist allhier?
Es ist eine arme Seel dafür!
Drauf sprang er auf, und ließ sie ein,
Und schenkt ihr ein ein glühnden Wein.
Als sie nun aus dem Becher trank,
Das Blut ihr aus den Nägeln sprang,
Er bracht sie in den höllischen Pfuhl,
Und sezt sie auf ein glühenden Stuhl,
Er ſprach: Ich muß erſt zeigen an,
Welch' von euch ſoll in Himmel gahn,
Drauf ging er hin und fragte nach,
Die Himmelsſtimme alſo ſprach:
Die aͤltſten zwei ſollen hier ein gehn,
Die juͤngſte muß bleiben ſtehn.
Sie ſchrie und ſprach: Was hab ich gethan,
Daß ich hier bleiben ſoll beſtahn?
Sankt Petrus ſprach: Weil du veracht
Gotts Wort, deine Seele nicht bedacht,
So geh nun hin und ſiehe zu,
Wo du findeſt in der Hoͤllen Ruh.
Denn wenn du in die Kirch ſolltſt gehn,
So bliebſt du vor dem Spiegel ſtehn,
Dein Haupt bekroͤnt, dein Haar geſchmiert,
Und dich hoffaͤrtig ausgeziert:
Drum geh nur fort und packe dich,
Die Hoͤlle wird aufnehmen dich!
Als ſie nun vor die Hoͤlle kam,
Da klopfte ſie gar grauſam an,
Der Satan ſprach: Wer iſt allhier?
Es iſt eine arme Seel dafuͤr!
Drauf ſprang er auf, und ließ ſie ein,
Und ſchenkt ihr ein ein gluͤhnden Wein.
Als ſie nun aus dem Becher trank,
Das Blut ihr aus den Naͤgeln ſprang,
Er bracht ſie in den hoͤlliſchen Pfuhl,
Und ſezt ſie auf ein gluͤhenden Stuhl,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0223" n="211"/>
            <lg n="3">
              <l>Er &#x017F;prach: Ich muß er&#x017F;t zeigen an,</l><lb/>
              <l>Welch' von euch &#x017F;oll in Himmel gahn,</l><lb/>
              <l>Drauf ging er hin und fragte nach,</l><lb/>
              <l>Die Himmels&#x017F;timme al&#x017F;o &#x017F;prach:</l><lb/>
              <l>Die a&#x0364;lt&#x017F;ten zwei &#x017F;ollen hier ein gehn,</l><lb/>
              <l>Die ju&#x0364;ng&#x017F;te muß bleiben &#x017F;tehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Sie &#x017F;chrie und &#x017F;prach: Was hab ich gethan,</l><lb/>
              <l>Daß ich hier bleiben &#x017F;oll be&#x017F;tahn?</l><lb/>
              <l>Sankt Petrus &#x017F;prach: Weil du veracht</l><lb/>
              <l>Gotts Wort, deine Seele nicht bedacht,</l><lb/>
              <l>So geh nun hin und &#x017F;iehe zu,</l><lb/>
              <l>Wo du finde&#x017F;t in der Ho&#x0364;llen Ruh.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Denn wenn du in die Kirch &#x017F;ollt&#x017F;t gehn,</l><lb/>
              <l>So blieb&#x017F;t du vor dem Spiegel &#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Dein Haupt bekro&#x0364;nt, dein Haar ge&#x017F;chmiert,</l><lb/>
              <l>Und dich hoffa&#x0364;rtig ausgeziert:</l><lb/>
              <l>Drum geh nur fort und packe dich,</l><lb/>
              <l>Die Ho&#x0364;lle wird aufnehmen dich!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Als &#x017F;ie nun vor die Ho&#x0364;lle kam,</l><lb/>
              <l>Da klopfte &#x017F;ie gar grau&#x017F;am an,</l><lb/>
              <l>Der Satan &#x017F;prach: Wer i&#x017F;t allhier?</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t eine arme Seel dafu&#x0364;r!</l><lb/>
              <l>Drauf &#x017F;prang er auf, und ließ &#x017F;ie ein,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chenkt ihr ein ein glu&#x0364;hnden Wein.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Als &#x017F;ie nun aus dem Becher trank,</l><lb/>
              <l>Das Blut ihr aus den Na&#x0364;geln &#x017F;prang,</l><lb/>
              <l>Er bracht &#x017F;ie in den ho&#x0364;lli&#x017F;chen Pfuhl,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ezt &#x017F;ie auf ein glu&#x0364;henden Stuhl,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0223] Er ſprach: Ich muß erſt zeigen an, Welch' von euch ſoll in Himmel gahn, Drauf ging er hin und fragte nach, Die Himmelsſtimme alſo ſprach: Die aͤltſten zwei ſollen hier ein gehn, Die juͤngſte muß bleiben ſtehn. Sie ſchrie und ſprach: Was hab ich gethan, Daß ich hier bleiben ſoll beſtahn? Sankt Petrus ſprach: Weil du veracht Gotts Wort, deine Seele nicht bedacht, So geh nun hin und ſiehe zu, Wo du findeſt in der Hoͤllen Ruh. Denn wenn du in die Kirch ſolltſt gehn, So bliebſt du vor dem Spiegel ſtehn, Dein Haupt bekroͤnt, dein Haar geſchmiert, Und dich hoffaͤrtig ausgeziert: Drum geh nur fort und packe dich, Die Hoͤlle wird aufnehmen dich! Als ſie nun vor die Hoͤlle kam, Da klopfte ſie gar grauſam an, Der Satan ſprach: Wer iſt allhier? Es iſt eine arme Seel dafuͤr! Drauf ſprang er auf, und ließ ſie ein, Und ſchenkt ihr ein ein gluͤhnden Wein. Als ſie nun aus dem Becher trank, Das Blut ihr aus den Naͤgeln ſprang, Er bracht ſie in den hoͤlliſchen Pfuhl, Und ſezt ſie auf ein gluͤhenden Stuhl,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/223
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/223>, abgerufen am 16.04.2024.