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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Warum sollt ich nicht werden bleich,
Ich trag alle Tag groß Herzeleid,
Allein schöns Lieb um dich,
Daß du mich verkiefen willt,
Das reuet mich.
Warum sollt ich dich verkiefen,
Ich hab dich noch viel lieber
Als alle Freunde mein,
Ach Maidelein laß dein Sorgen
Und folge du mir.
Worin ging sie ihm entgegen?
In eim seiden Hemdlein war wohl genäht,
Das war so fein,
Darin ging sie geschnüret
Das wacker Maidelein.
Er nahm sie bey ihrer schneeweißen Hand,
Er führt sie durch den grünen Wald,
Da brach er ihr einen Zweig,
Sie küsset ihn auf seinen rothen Mund,
Das wackre Maidelein.
Und da es kam zur halben Mitternacht
Der gute Held nahm Urlaub von der Magd,
Derselbig gute Held
Die Treu, die er ihr gelobet hat,
Die hielt er nicht.
Und wär ich weisser denn ein Schwan,
Ich wollt mich schwingen über Berg und tiefe Thal,
Wollt fahren über'n Rhein,
Warum ſollt ich nicht werden bleich,
Ich trag alle Tag groß Herzeleid,
Allein ſchoͤns Lieb um dich,
Daß du mich verkiefen willt,
Das reuet mich.
Warum ſollt ich dich verkiefen,
Ich hab dich noch viel lieber
Als alle Freunde mein,
Ach Maidelein laß dein Sorgen
Und folge du mir.
Worin ging ſie ihm entgegen?
In eim ſeiden Hemdlein war wohl genaͤht,
Das war ſo fein,
Darin ging ſie geſchnuͤret
Das wacker Maidelein.
Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand,
Er fuͤhrt ſie durch den gruͤnen Wald,
Da brach er ihr einen Zweig,
Sie kuͤſſet ihn auf ſeinen rothen Mund,
Das wackre Maidelein.
Und da es kam zur halben Mitternacht
Der gute Held nahm Urlaub von der Magd,
Derſelbig gute Held
Die Treu, die er ihr gelobet hat,
Die hielt er nicht.
Und waͤr ich weiſſer denn ein Schwan,
Ich wollt mich ſchwingen uͤber Berg und tiefe Thal,
Wollt fahren uͤber'n Rhein,
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[213/0225] Warum ſollt ich nicht werden bleich, Ich trag alle Tag groß Herzeleid, Allein ſchoͤns Lieb um dich, Daß du mich verkiefen willt, Das reuet mich. Warum ſollt ich dich verkiefen, Ich hab dich noch viel lieber Als alle Freunde mein, Ach Maidelein laß dein Sorgen Und folge du mir. Worin ging ſie ihm entgegen? In eim ſeiden Hemdlein war wohl genaͤht, Das war ſo fein, Darin ging ſie geſchnuͤret Das wacker Maidelein. Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand, Er fuͤhrt ſie durch den gruͤnen Wald, Da brach er ihr einen Zweig, Sie kuͤſſet ihn auf ſeinen rothen Mund, Das wackre Maidelein. Und da es kam zur halben Mitternacht Der gute Held nahm Urlaub von der Magd, Derſelbig gute Held Die Treu, die er ihr gelobet hat, Die hielt er nicht. Und waͤr ich weiſſer denn ein Schwan, Ich wollt mich ſchwingen uͤber Berg und tiefe Thal, Wollt fahren uͤber'n Rhein,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/225>, abgerufen am 28.03.2024.