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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Fürwahr sie lebt bis an den eilften Tag,
Da schied die Zart, die Werth davon,
Dem Herrn geschah groß Leiden.
"Ach Gott wie soll es mir ergahn,
"Daß ich die liebste Fraue mein
"So unehrlich hab verrathen
"Und ihren werthen Dienstmann,
"Ich fürcht es wird mir viel zu schwer
"Mein Seel die muß leiden Noth."
Der Herr der stand und sah den grossen Jammer an:
"O Herre Gott, daß ich sie beyde samt verrathen han!"
Der Herr ein Messer in sein eigen Herz stach,
Es wende dann Maria und ihr liebes Kind
Sein Seel muß leiden Ungemach.



Die Herzogin von Orlamünde.

Nach einer chronikalischen Erzählung von Nikolaus Dumman, abgedruckt
in Ch. Ph. Weldenfels Selecta antiquit lib. II. c. XXXIII. p. 469,
Herr Heinze bemerkte, daß die Kinder in der Niederlausitz sich der
Worte beym Abzählen bedienen: Engel, Bengel laß mich leben,
ich will dir einen schönen Vogel geben.

Albert Graf von Nürnberg spricht:
"Herzogin ich liebe nicht;
"Bin ein Kind von achtzehn Jahren
"Und im Lieben unerfahren,
"Würde doch zum Weib dich nehmen,
"Doch vier Augen mich beschämen;
"Wenn nicht hier vier Augen wären,
"Die das Herze mein beschweren."

Fuͤrwahr ſie lebt bis an den eilften Tag,
Da ſchied die Zart, die Werth davon,
Dem Herrn geſchah groß Leiden.
„Ach Gott wie ſoll es mir ergahn,
„Daß ich die liebſte Fraue mein
„So unehrlich hab verrathen
„Und ihren werthen Dienſtmann,
„Ich fuͤrcht es wird mir viel zu ſchwer
„Mein Seel die muß leiden Noth.“
Der Herr der ſtand und ſah den groſſen Jammer an:
„O Herre Gott, daß ich ſie beyde ſamt verrathen han!“
Der Herr ein Meſſer in ſein eigen Herz ſtach,
Es wende dann Maria und ihr liebes Kind
Sein Seel muß leiden Ungemach.



Die Herzogin von Orlamuͤnde.

Nach einer chronikaliſchen Erzaͤhlung von Nikolaus Dumman, abgedruckt
in Ch. Ph. Weldenfels Selecta antiquit lib. II. c. XXXIII. p. 469,
Herr Heinze bemerkte, daß die Kinder in der Niederlauſitz ſich der
Worte beym Abzaͤhlen bedienen: Engel, Bengel laß mich leben,
ich will dir einen ſchoͤnen Vogel geben.

Albert Graf von Nuͤrnberg ſpricht:
„Herzogin ich liebe nicht;
„Bin ein Kind von achtzehn Jahren
„Und im Lieben unerfahren,
„Wuͤrde doch zum Weib dich nehmen,
„Doch vier Augen mich beſchaͤmen;
„Wenn nicht hier vier Augen waͤren,
„Die das Herze mein beſchweren.“

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[232/0244] Fuͤrwahr ſie lebt bis an den eilften Tag, Da ſchied die Zart, die Werth davon, Dem Herrn geſchah groß Leiden. „Ach Gott wie ſoll es mir ergahn, „Daß ich die liebſte Fraue mein „So unehrlich hab verrathen „Und ihren werthen Dienſtmann, „Ich fuͤrcht es wird mir viel zu ſchwer „Mein Seel die muß leiden Noth.“ Der Herr der ſtand und ſah den groſſen Jammer an: „O Herre Gott, daß ich ſie beyde ſamt verrathen han!“ Der Herr ein Meſſer in ſein eigen Herz ſtach, Es wende dann Maria und ihr liebes Kind Sein Seel muß leiden Ungemach. Die Herzogin von Orlamuͤnde. Nach einer chronikaliſchen Erzaͤhlung von Nikolaus Dumman, abgedruckt in Ch. Ph. Weldenfels Selecta antiquit lib. II. c. XXXIII. p. 469, Herr Heinze bemerkte, daß die Kinder in der Niederlauſitz ſich der Worte beym Abzaͤhlen bedienen: Engel, Bengel laß mich leben, ich will dir einen ſchoͤnen Vogel geben. Albert Graf von Nuͤrnberg ſpricht: „Herzogin ich liebe nicht; „Bin ein Kind von achtzehn Jahren „Und im Lieben unerfahren, „Wuͤrde doch zum Weib dich nehmen, „Doch vier Augen mich beſchaͤmen; „Wenn nicht hier vier Augen waͤren, „Die das Herze mein beſchweren.“

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/244>, abgerufen am 29.03.2024.