Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Orlamündens Herzogin
Spricht zu sich in ihrem Sinn:
"Witwe bin ich schön vor allen,
"Aller Fürsten Wohlgefallen;
"Wenn nicht hier vier Augen wären,
"Würde seine Lieb mich ehren."
"Kinder ihr vom schlechten Mann,
"Der mich hielt in strengem Bann;
"Weil ihr meine Land ererbet
"Wenn ihr nicht unmündig sterbet."
Also Oehl in Flammen wüthet,
Das statt Wasser aufgeschüttet.
Also deutet sie die Rede
Auf zwey eigne Kinder schnöde,
Die im Saal zum Spiel abzählen,
Unter sich den Engel wählen:
"Engel, Bengel, laß mich leben,
"Ich will dir den Vogel geben."
Nadeln aus dem Wittibschleyer
Zieht sie, daß er falle freyer,
Zu dem wilden Hager spricht:
"Nimm die Nadeln und verricht,
"Schwarzer Hager, du mein Freyer
"Fürchtest nicht den schwarzen Schleyer,

Orlamuͤndens Herzogin
Spricht zu ſich in ihrem Sinn:
„Witwe bin ich ſchoͤn vor allen,
„Aller Fuͤrſten Wohlgefallen;
„Wenn nicht hier vier Augen waͤren,
„Wuͤrde ſeine Lieb mich ehren.“
„Kinder ihr vom ſchlechten Mann,
„Der mich hielt in ſtrengem Bann;
„Weil ihr meine Land ererbet
„Wenn ihr nicht unmuͤndig ſterbet.“
Alſo Oehl in Flammen wuͤthet,
Das ſtatt Waſſer aufgeſchuͤttet.
Alſo deutet ſie die Rede
Auf zwey eigne Kinder ſchnoͤde,
Die im Saal zum Spiel abzaͤhlen,
Unter ſich den Engel waͤhlen:
„Engel, Bengel, laß mich leben,
„Ich will dir den Vogel geben.“
Nadeln aus dem Wittibſchleyer
Zieht ſie, daß er falle freyer,
Zu dem wilden Hager ſpricht:
„Nimm die Nadeln und verricht,
„Schwarzer Hager, du mein Freyer
„Fuͤrchteſt nicht den ſchwarzen Schleyer,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0245" n="233"/>
            <lg n="5">
              <l>Orlamu&#x0364;ndens Herzogin</l><lb/>
              <l>Spricht zu &#x017F;ich in ihrem Sinn:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>&#x201E;Witwe bin ich &#x017F;cho&#x0364;n vor allen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Aller Fu&#x0364;r&#x017F;ten Wohlgefallen;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>&#x201E;Wenn nicht hier vier Augen wa&#x0364;ren,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wu&#x0364;rde &#x017F;eine Lieb mich ehren.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>&#x201E;Kinder ihr vom &#x017F;chlechten Mann,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der mich hielt in &#x017F;trengem Bann;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>&#x201E;Weil ihr meine Land ererbet</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wenn ihr nicht unmu&#x0364;ndig &#x017F;terbet.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Al&#x017F;o Oehl in Flammen wu&#x0364;thet,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;tatt Wa&#x017F;&#x017F;er aufge&#x017F;chu&#x0364;ttet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Al&#x017F;o deutet &#x017F;ie die Rede</l><lb/>
              <l>Auf zwey eigne Kinder &#x017F;chno&#x0364;de,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Die im Saal zum Spiel abza&#x0364;hlen,</l><lb/>
              <l>Unter &#x017F;ich den Engel wa&#x0364;hlen:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>&#x201E;Engel, Bengel, laß mich leben,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich will dir den Vogel geben.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Nadeln aus dem Wittib&#x017F;chleyer</l><lb/>
              <l>Zieht &#x017F;ie, daß er falle freyer,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Zu dem wilden Hager &#x017F;pricht:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Nimm die Nadeln und verricht,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>&#x201E;Schwarzer Hager, du mein Freyer</l><lb/>
              <l>&#x201E;Fu&#x0364;rchte&#x017F;t nicht den &#x017F;chwarzen Schleyer,</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0245] Orlamuͤndens Herzogin Spricht zu ſich in ihrem Sinn: „Witwe bin ich ſchoͤn vor allen, „Aller Fuͤrſten Wohlgefallen; „Wenn nicht hier vier Augen waͤren, „Wuͤrde ſeine Lieb mich ehren.“ „Kinder ihr vom ſchlechten Mann, „Der mich hielt in ſtrengem Bann; „Weil ihr meine Land ererbet „Wenn ihr nicht unmuͤndig ſterbet.“ Alſo Oehl in Flammen wuͤthet, Das ſtatt Waſſer aufgeſchuͤttet. Alſo deutet ſie die Rede Auf zwey eigne Kinder ſchnoͤde, Die im Saal zum Spiel abzaͤhlen, Unter ſich den Engel waͤhlen: „Engel, Bengel, laß mich leben, „Ich will dir den Vogel geben.“ Nadeln aus dem Wittibſchleyer Zieht ſie, daß er falle freyer, Zu dem wilden Hager ſpricht: „Nimm die Nadeln und verricht, „Schwarzer Hager, du mein Freyer „Fuͤrchteſt nicht den ſchwarzen Schleyer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/245
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/245>, abgerufen am 19.04.2024.