Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Und da die beiden beisammen waren, Sie meinen sie wären allein, Da schlich wohl das älteste Kammerweib her, Zum Schlüsselloch schaut sie hinein. "Ach edler Herr, ach edler Herr! "Groß Wunder, zu dieser Stund "Da küßet der jung frische Zimmergesell, "Die Frau Markgräfin an Mund." "Und hat er geküßt meine schöne Frau, "Des Todes muß er mir sein, "Ein Galgen soll er sich selber baun "Zu Schafhausen draus an dem Rhein." Und als der Galgen gebauet war, Sechshundert Schauladen hinaus, Von lauter Silber und Edelgestein, Steckt er darauf ein Straus. Da sprach der Markgraf selber, wohl Wir wollen ihn leben lan, Ist keiner doch unter uns Allen hier Der dies nicht hätte gethan. Was zog er aus der Tasche heraus Wohl hundert Goldkronen so roth, Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus, Du findest wohl überall Brod. Und als er hinaus gezogen war, Da ging er über die Haid, Da steht wohl des jungen Markgrafen sein Weib, In ihrem schneeweißen Kleid. Und da die beiden beiſammen waren, Sie meinen ſie waͤren allein, Da ſchlich wohl das aͤlteſte Kammerweib her, Zum Schluͤſſelloch ſchaut ſie hinein. „Ach edler Herr, ach edler Herr! „Groß Wunder, zu dieſer Stund „Da kuͤßet der jung friſche Zimmergeſell, „Die Frau Markgraͤfin an Mund.“ „Und hat er gekuͤßt meine ſchoͤne Frau, „Des Todes muß er mir ſein, „Ein Galgen ſoll er ſich ſelber baun „Zu Schafhauſen draus an dem Rhein.“ Und als der Galgen gebauet war, Sechshundert Schauladen hinaus, Von lauter Silber und Edelgeſtein, Steckt er darauf ein Straus. Da ſprach der Markgraf ſelber, wohl Wir wollen ihn leben lan, Iſt keiner doch unter uns Allen hier Der dies nicht haͤtte gethan. Was zog er aus der Taſche heraus Wohl hundert Goldkronen ſo roth, Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus, Du findeſt wohl uͤberall Brod. Und als er hinaus gezogen war, Da ging er uͤber die Haid, Da ſteht wohl des jungen Markgrafen ſein Weib, In ihrem ſchneeweißen Kleid. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0248" n="236"/> <lg n="5"> <l>Und da die beiden beiſammen waren,</l><lb/> <l>Sie meinen ſie waͤren allein,</l><lb/> <l>Da ſchlich wohl das aͤlteſte Kammerweib her,</l><lb/> <l>Zum Schluͤſſelloch ſchaut ſie hinein.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Ach edler Herr, ach edler Herr!</l><lb/> <l>„Groß Wunder, zu dieſer Stund</l><lb/> <l>„Da kuͤßet der jung friſche Zimmergeſell,</l><lb/> <l>„Die Frau Markgraͤfin an Mund.“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Und hat er gekuͤßt meine ſchoͤne Frau,</l><lb/> <l>„Des Todes muß er mir ſein,</l><lb/> <l>„Ein Galgen ſoll er ſich ſelber baun</l><lb/> <l>„Zu Schafhauſen draus an dem Rhein.“</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Und als der Galgen gebauet war,</l><lb/> <l>Sechshundert Schauladen hinaus,</l><lb/> <l>Von lauter Silber und Edelgeſtein,</l><lb/> <l>Steckt er darauf ein Straus.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Da ſprach der Markgraf ſelber, wohl</l><lb/> <l>Wir wollen ihn leben lan,</l><lb/> <l>Iſt keiner doch unter uns Allen hier</l><lb/> <l>Der dies nicht haͤtte gethan.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Was zog er aus der Taſche heraus</l><lb/> <l>Wohl hundert Goldkronen ſo roth,</l><lb/> <l>Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus,</l><lb/> <l>Du findeſt wohl uͤberall Brod.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Und als er hinaus gezogen war,</l><lb/> <l>Da ging er uͤber die Haid,</l><lb/> <l>Da ſteht wohl des jungen Markgrafen ſein Weib,</l><lb/> <l>In ihrem ſchneeweißen Kleid.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0248]
Und da die beiden beiſammen waren,
Sie meinen ſie waͤren allein,
Da ſchlich wohl das aͤlteſte Kammerweib her,
Zum Schluͤſſelloch ſchaut ſie hinein.
„Ach edler Herr, ach edler Herr!
„Groß Wunder, zu dieſer Stund
„Da kuͤßet der jung friſche Zimmergeſell,
„Die Frau Markgraͤfin an Mund.“
„Und hat er gekuͤßt meine ſchoͤne Frau,
„Des Todes muß er mir ſein,
„Ein Galgen ſoll er ſich ſelber baun
„Zu Schafhauſen draus an dem Rhein.“
Und als der Galgen gebauet war,
Sechshundert Schauladen hinaus,
Von lauter Silber und Edelgeſtein,
Steckt er darauf ein Straus.
Da ſprach der Markgraf ſelber, wohl
Wir wollen ihn leben lan,
Iſt keiner doch unter uns Allen hier
Der dies nicht haͤtte gethan.
Was zog er aus der Taſche heraus
Wohl hundert Goldkronen ſo roth,
Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus,
Du findeſt wohl uͤberall Brod.
Und als er hinaus gezogen war,
Da ging er uͤber die Haid,
Da ſteht wohl des jungen Markgrafen ſein Weib,
In ihrem ſchneeweißen Kleid.
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/248>, abgerufen am 17.04.2021. |