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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Noch all' e Jahre zwey oder drey;
Sie muß no' länger warte." --
Die Mutter sprach: "Schämt ihr üch nit,
Weil sie noch jung und närrisch ist." --
Sie thät der Sache wehre.
Es wur' ihm rund abg'schlage.
Das thut ihr i' dem Herze so weh,
Die Antwort sie verdrosse,
Weil sie so heimli hätt' die Eh'
Dem Färber scho versproche.
Er geit ihr au' en ehlige Pfand,
E' schö' Goldstück wohl uf die Hand.
Dabey hät sie versproche,
Sie wöll no warte drey, vier Johr,
Bis das er wieder käm gelofe,
Dabey soll es nu bleibe.
"Ade! mei Kind! izt mu' ni fort,
Mei Herz ist voller Leide.
Sie heißt ihn i Gottsname bald,
Durch Berg und Thal und Wasser und Lan[d]
Zu ihre wieder kumme.
Er goht nach seines Vaters Haus,
Den Abschied thut er nemme.
Der Vater geit ihms Gleit hinaus
Wie wackere Handwerksg'selle.
Und do der Färber wär eweg,
Wär' niene meh vorhande,
Thut sich e' reiche Wittma dar,
Viel Gut hät er beysamme.
Die Tochter sprach: "O Eltere ni bitt,
Mir kommet nit zusamme.

Noch all' e Jahre zwey oder drey;
Sie muß no' laͤnger warte.“ —
Die Mutter ſprach: „Schaͤmt ihr uͤch nit,
Weil ſie noch jung und naͤrriſch iſt.“ —
Sie thaͤt der Sache wehre.
Es wur' ihm rund abg'ſchlage.
Das thut ihr i' dem Herze ſo weh,
Die Antwort ſie verdroſſe,
Weil ſie ſo heimli haͤtt' die Eh'
Dem Faͤrber ſcho verſproche.
Er geit ihr au' en ehlige Pfand,
E' ſchoͤ' Goldſtuͤck wohl uf die Hand.
Dabey haͤt ſie verſproche,
Sie woͤll no warte drey, vier Johr,
Bis das er wieder kaͤm gelofe,
Dabey ſoll es nu bleibe.
„Ade! mei Kind! izt mu' ni fort,
Mei Herz iſt voller Leide.
Sie heißt ihn i Gottsname bald,
Durch Berg und Thal und Waſſer und Lan[d]
Zu ihre wieder kumme.
Er goht nach ſeines Vaters Haus,
Den Abſchied thut er nemme.
Der Vater geit ihms Gleit hinaus
Wie wackere Handwerksg'ſelle.
Und do der Faͤrber waͤr eweg,
Waͤr' niene meh vorhande,
Thut ſich e' reiche Wittma dar,
Viel Gut haͤt er beyſamme.
Die Tochter ſprach: „O Eltere ni bitt,
Mir kommet nit zuſamme.

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[299/0311] Noch all' e Jahre zwey oder drey; Sie muß no' laͤnger warte.“ — Die Mutter ſprach: „Schaͤmt ihr uͤch nit, Weil ſie noch jung und naͤrriſch iſt.“ — Sie thaͤt der Sache wehre. Es wur' ihm rund abg'ſchlage. Das thut ihr i' dem Herze ſo weh, Die Antwort ſie verdroſſe, Weil ſie ſo heimli haͤtt' die Eh' Dem Faͤrber ſcho verſproche. Er geit ihr au' en ehlige Pfand, E' ſchoͤ' Goldſtuͤck wohl uf die Hand. Dabey haͤt ſie verſproche, Sie woͤll no warte drey, vier Johr, Bis das er wieder kaͤm gelofe, Dabey ſoll es nu bleibe. „Ade! mei Kind! izt mu' ni fort, Mei Herz iſt voller Leide. Sie heißt ihn i Gottsname bald, Durch Berg und Thal und Waſſer und Land Zu ihre wieder kumme. Er goht nach ſeines Vaters Haus, Den Abſchied thut er nemme. Der Vater geit ihms Gleit hinaus Wie wackere Handwerksg'ſelle. Und do der Faͤrber waͤr eweg, Waͤr' niene meh vorhande, Thut ſich e' reiche Wittma dar, Viel Gut haͤt er beyſamme. Die Tochter ſprach: „O Eltere ni bitt, Mir kommet nit zuſamme.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/311>, abgerufen am 19.04.2024.