Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Karpfen, prächtig in Gold und Silberschuppen ange-
than, aufrecht einen Menuet. Nun, Du hast das alles
allein gesehen, solche Sachen die man im Kopf sieht,
die sind auch da und gehören ins himmlische Reich, wo
nichts einen Körper hat, sondern nur alles im Geist
da ist.

Mach doch daß Du bald wieder herkommst, Du
hast den ganzen Sommer verschwärmt, mir ist es gar
nicht mehr drum zu thun mit dem Schreiben, und ich
hab' Dich auch so lange nicht gesehen, es verlangt mich
recht nach Dir.

Deine wahre Herzensfreundin
Goethe.
An Goethe's Mutter.

Frau Rath, den ganzen Tag bin ich nicht zu Haus',
aber wenn ich an Sie schreib', dann weiß ich, daß ich
eine Heimath habe; es ist die Zeit, daß die Leut' Feld-
götter im Weinberg aufstellen, um die Sperlinge von
den Trauben zu scheuchen; heut' morgen konnt' ich nicht
begreifen, was für ein wunderbarer Besuch sich so früh
im Weingarten aufhalte, der mir durch den dicken Ne-
bel schimmerte; ich dachte erst, es wär' der Teufel, denn

er

Karpfen, prächtig in Gold und Silberſchuppen ange-
than, aufrecht einen Menuet. Nun, Du haſt das alles
allein geſehen, ſolche Sachen die man im Kopf ſieht,
die ſind auch da und gehören ins himmliſche Reich, wo
nichts einen Körper hat, ſondern nur alles im Geiſt
da iſt.

Mach doch daß Du bald wieder herkommſt, Du
haſt den ganzen Sommer verſchwärmt, mir iſt es gar
nicht mehr drum zu thun mit dem Schreiben, und ich
hab' Dich auch ſo lange nicht geſehen, es verlangt mich
recht nach Dir.

Deine wahre Herzensfreundin
Goethe.
An Goethe's Mutter.

Frau Rath, den ganzen Tag bin ich nicht zu Hauſ',
aber wenn ich an Sie ſchreib', dann weiß ich, daß ich
eine Heimath habe; es iſt die Zeit, daß die Leut' Feld-
götter im Weinberg aufſtellen, um die Sperlinge von
den Trauben zu ſcheuchen; heut' morgen konnt' ich nicht
begreifen, was für ein wunderbarer Beſuch ſich ſo früh
im Weingarten aufhalte, der mir durch den dicken Ne-
bel ſchimmerte; ich dachte erſt, es wär' der Teufel, denn

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="72"/>
Karpfen, prächtig in Gold und Silber&#x017F;chuppen ange-<lb/>
than, aufrecht einen Menuet. Nun, Du ha&#x017F;t das alles<lb/>
allein ge&#x017F;ehen, &#x017F;olche Sachen die man im Kopf &#x017F;ieht,<lb/>
die &#x017F;ind auch da und gehören ins himmli&#x017F;che Reich, wo<lb/>
nichts einen Körper hat, &#x017F;ondern nur alles im Gei&#x017F;t<lb/>
da i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Mach doch daß Du bald wieder herkomm&#x017F;t, Du<lb/>
ha&#x017F;t den ganzen Sommer ver&#x017F;chwärmt, mir i&#x017F;t es gar<lb/>
nicht mehr drum zu thun mit dem Schreiben, und ich<lb/>
hab' Dich auch &#x017F;o lange nicht ge&#x017F;ehen, es verlangt mich<lb/>
recht nach Dir.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Deine wahre Herzensfreundin<lb/>
Goethe.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe's Mutter.</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Frau Rath, den ganzen Tag bin ich nicht zu Hau&#x017F;',<lb/>
aber wenn ich an Sie &#x017F;chreib', dann weiß ich, daß ich<lb/>
eine Heimath habe; es i&#x017F;t die Zeit, daß die Leut' Feld-<lb/>
götter im Weinberg auf&#x017F;tellen, um die Sperlinge von<lb/>
den Trauben zu &#x017F;cheuchen; heut' morgen konnt' ich nicht<lb/>
begreifen, was für ein wunderbarer Be&#x017F;uch &#x017F;ich &#x017F;o früh<lb/>
im Weingarten aufhalte, der mir durch den dicken Ne-<lb/>
bel &#x017F;chimmerte; ich dachte er&#x017F;t, es wär' der Teufel, denn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0104] Karpfen, prächtig in Gold und Silberſchuppen ange- than, aufrecht einen Menuet. Nun, Du haſt das alles allein geſehen, ſolche Sachen die man im Kopf ſieht, die ſind auch da und gehören ins himmliſche Reich, wo nichts einen Körper hat, ſondern nur alles im Geiſt da iſt. Mach doch daß Du bald wieder herkommſt, Du haſt den ganzen Sommer verſchwärmt, mir iſt es gar nicht mehr drum zu thun mit dem Schreiben, und ich hab' Dich auch ſo lange nicht geſehen, es verlangt mich recht nach Dir. Deine wahre Herzensfreundin Goethe. An Goethe's Mutter. Frau Rath, den ganzen Tag bin ich nicht zu Hauſ', aber wenn ich an Sie ſchreib', dann weiß ich, daß ich eine Heimath habe; es iſt die Zeit, daß die Leut' Feld- götter im Weinberg aufſtellen, um die Sperlinge von den Trauben zu ſcheuchen; heut' morgen konnt' ich nicht begreifen, was für ein wunderbarer Beſuch ſich ſo früh im Weingarten aufhalte, der mir durch den dicken Ne- bel ſchimmerte; ich dachte erſt, es wär' der Teufel, denn er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/104
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/104>, abgerufen am 23.04.2024.