Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

größte Freud' machen könntest, da schreibst Du nichts.
Fehlt Dir denn was? -- es ist ja nicht über's Meer
bis nach Weimar. Du hast ja jetzt selbst erfahren, daß
man dort sein kann, bis die Sonne zweimal auf-
geht. -- Bist Du traurig? -- Liebe, liebe Tochter,
mein Sohn soll Dein Freund sein, Dein Bruder, der
Dich gewiß liebt, und Du sollst mich Mutter heißen
in Zukunft für alle Täg, die mein spätes Alter noch
zählt, es ist ja doch der einzige Name der mein
Glück umfaßt.

Deine treue Freundin
Elisabeth Goethe.

Vor die Tasse bedank' ich mich.

An Goethe's Mutter.


Ich hab' gestern an Ihren Sohn geschrieben; ver-
antwort' Sie es bei ihm. -- Ich will Ihr auch gern
alles schreiben, aber ich hab' jetzt immer so viel zu den-
ken, es ist mir fast eine Unmöglichkeit, mich loszureißen,
ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie soll ich denn
sagen wie es gewesen ist? -- Hab' Sie Nachsicht und

1*

größte Freud' machen könnteſt, da ſchreibſt Du nichts.
Fehlt Dir denn was? — es iſt ja nicht über's Meer
bis nach Weimar. Du haſt ja jetzt ſelbſt erfahren, daß
man dort ſein kann, bis die Sonne zweimal auf-
geht. — Biſt Du traurig? — Liebe, liebe Tochter,
mein Sohn ſoll Dein Freund ſein, Dein Bruder, der
Dich gewiß liebt, und Du ſollſt mich Mutter heißen
in Zukunft für alle Täg, die mein ſpätes Alter noch
zählt, es iſt ja doch der einzige Name der mein
Glück umfaßt.

Deine treue Freundin
Eliſabeth Goethe.

Vor die Taſſe bedank' ich mich.

An Goethe's Mutter.


Ich hab' geſtern an Ihren Sohn geſchrieben; ver-
antwort' Sie es bei ihm. — Ich will Ihr auch gern
alles ſchreiben, aber ich hab' jetzt immer ſo viel zu den-
ken, es iſt mir faſt eine Unmöglichkeit, mich loszureißen,
ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie ſoll ich denn
ſagen wie es geweſen iſt? — Hab' Sie Nachſicht und

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="3"/>
größte Freud' machen könnte&#x017F;t, da &#x017F;chreib&#x017F;t Du nichts.<lb/>
Fehlt Dir denn was? &#x2014; es i&#x017F;t ja nicht über's Meer<lb/>
bis nach Weimar. Du ha&#x017F;t ja jetzt &#x017F;elb&#x017F;t erfahren, daß<lb/>
man dort &#x017F;ein kann, bis die Sonne zweimal auf-<lb/>
geht. &#x2014; Bi&#x017F;t Du traurig? &#x2014; Liebe, liebe Tochter,<lb/>
mein Sohn &#x017F;oll Dein Freund &#x017F;ein, Dein Bruder, der<lb/>
Dich gewiß liebt, und Du &#x017F;oll&#x017F;t mich Mutter heißen<lb/>
in Zukunft für alle Täg, die mein &#x017F;pätes Alter noch<lb/>
zählt, es i&#x017F;t ja doch der einzige Name der mein<lb/>
Glück umfaßt.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Deine treue Freundin<lb/>
Eli&#x017F;abeth Goethe.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>Vor die Ta&#x017F;&#x017F;e bedank' ich mich.</p>
          </postscript>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe's Mutter.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Am 16. Mai 1807.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Ich hab' ge&#x017F;tern an Ihren Sohn ge&#x017F;chrieben; ver-<lb/>
antwort' Sie es bei ihm. &#x2014; Ich will Ihr auch gern<lb/>
alles &#x017F;chreiben, aber ich hab' jetzt immer &#x017F;o viel zu den-<lb/>
ken, es i&#x017F;t mir fa&#x017F;t eine Unmöglichkeit, mich loszureißen,<lb/>
ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie &#x017F;oll ich denn<lb/>
&#x017F;agen wie es gewe&#x017F;en i&#x017F;t? &#x2014; Hab' Sie Nach&#x017F;icht und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0035] größte Freud' machen könnteſt, da ſchreibſt Du nichts. Fehlt Dir denn was? — es iſt ja nicht über's Meer bis nach Weimar. Du haſt ja jetzt ſelbſt erfahren, daß man dort ſein kann, bis die Sonne zweimal auf- geht. — Biſt Du traurig? — Liebe, liebe Tochter, mein Sohn ſoll Dein Freund ſein, Dein Bruder, der Dich gewiß liebt, und Du ſollſt mich Mutter heißen in Zukunft für alle Täg, die mein ſpätes Alter noch zählt, es iſt ja doch der einzige Name der mein Glück umfaßt. Deine treue Freundin Eliſabeth Goethe. Vor die Taſſe bedank' ich mich. An Goethe's Mutter. Am 16. Mai 1807. Ich hab' geſtern an Ihren Sohn geſchrieben; ver- antwort' Sie es bei ihm. — Ich will Ihr auch gern alles ſchreiben, aber ich hab' jetzt immer ſo viel zu den- ken, es iſt mir faſt eine Unmöglichkeit, mich loszureißen, ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie ſoll ich denn ſagen wie es geweſen iſt? — Hab' Sie Nachſicht und 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/35
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/35>, abgerufen am 15.10.2024.