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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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er kam mit mir in's Gespräch und setzte sich neben mich
auf die Bank. Ich bin nun schon gewohnt, für ein
Kind angesehen zu werden, und war also nicht ver-
wundert, daß mich der Franzose cher enfant nannte;
er nahm meine Hand und fragte, von wem ich den
Ring habe? -- Ich sagte: von Goethe; comment de
Goethe? -- Je le connais;
und nun erzählte er mir,
daß er nach der Schlacht von Jena mehrere Tage bei
Dir zugebracht habe, und Du habest ihm einen Knopf
von seiner Uniform abgeschnitten, um ihn als Andenken
in deiner Münzsammlung zu bewahren; ich sagte: und
mir habest Du den Ring zum Andenken gegeben, und
mich gebeten, Dich nicht zu vergessen. -- Et cela vous
a remue le coeur? -- Aussi tendrement et aussi pas-
sionnement que les sons, qui se font entendre la haut!

Da fragte er: Et vous n'avez reellement que treize
ans?
-- Du wirst wohl wissen, wer er ist, ich habe um
seinen Namen nicht gefragt.

Sie bliesen so herrlich in den Wald hinein, und
mir zugleich alle weltliche Gedanken aus dem Kopf;
ich schlich mich leise hinauf, so nah als möglich und
ließ mir's die Brust durchdröhnen; recht mit Gewalt. --
Der Ansatz der Töne war so weich, sie wurden allmählig

er kam mit mir in's Geſpräch und ſetzte ſich neben mich
auf die Bank. Ich bin nun ſchon gewohnt, für ein
Kind angeſehen zu werden, und war alſo nicht ver-
wundert, daß mich der Franzoſe cher enfant nannte;
er nahm meine Hand und fragte, von wem ich den
Ring habe? — Ich ſagte: von Goethe; comment de
Goethe? — Je le connais;
und nun erzählte er mir,
daß er nach der Schlacht von Jena mehrere Tage bei
Dir zugebracht habe, und Du habeſt ihm einen Knopf
von ſeiner Uniform abgeſchnitten, um ihn als Andenken
in deiner Münzſammlung zu bewahren; ich ſagte: und
mir habeſt Du den Ring zum Andenken gegeben, und
mich gebeten, Dich nicht zu vergeſſen. — Et cela vous
a remué le coeur? — Aussi tendrement et aussi pas-
sionnement que les sons, qui se font entendre là haut!

Da fragte er: Et vous n'avez réellement que treize
ans?
— Du wirſt wohl wiſſen, wer er iſt, ich habe um
ſeinen Namen nicht gefragt.

Sie blieſen ſo herrlich in den Wald hinein, und
mir zugleich alle weltliche Gedanken aus dem Kopf;
ich ſchlich mich leiſe hinauf, ſo nah als möglich und
ließ mir's die Bruſt durchdröhnen; recht mit Gewalt. —
Der Anſatz der Töne war ſo weich, ſie wurden allmählig

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[348/0380] er kam mit mir in's Geſpräch und ſetzte ſich neben mich auf die Bank. Ich bin nun ſchon gewohnt, für ein Kind angeſehen zu werden, und war alſo nicht ver- wundert, daß mich der Franzoſe cher enfant nannte; er nahm meine Hand und fragte, von wem ich den Ring habe? — Ich ſagte: von Goethe; comment de Goethe? — Je le connais; und nun erzählte er mir, daß er nach der Schlacht von Jena mehrere Tage bei Dir zugebracht habe, und Du habeſt ihm einen Knopf von ſeiner Uniform abgeſchnitten, um ihn als Andenken in deiner Münzſammlung zu bewahren; ich ſagte: und mir habeſt Du den Ring zum Andenken gegeben, und mich gebeten, Dich nicht zu vergeſſen. — Et cela vous a remué le coeur? — Aussi tendrement et aussi pas- sionnement que les sons, qui se font entendre là haut! Da fragte er: Et vous n'avez réellement que treize ans? — Du wirſt wohl wiſſen, wer er iſt, ich habe um ſeinen Namen nicht gefragt. Sie blieſen ſo herrlich in den Wald hinein, und mir zugleich alle weltliche Gedanken aus dem Kopf; ich ſchlich mich leiſe hinauf, ſo nah als möglich und ließ mir's die Bruſt durchdröhnen; recht mit Gewalt. — Der Anſatz der Töne war ſo weich, ſie wurden allmählig

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/380>, abgerufen am 28.03.2024.