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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Heimath. Dort ist der fruchtbare Boden, indem mein
Herz die harte Rinde sprengt und in's Licht hinaufblüht.

Die Leute sagen: Was bist du traurig, sollt ich ver-
gnügt sein? -- oder dies oder jenes? -- wie paßt das
zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat seine
Ursache, das Wasser wird nicht lustig dahin tanzen und
singen, wenn sein Bett nicht dazu gemacht ist. So
werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Lust der
Grund dazu ist; ja ich habe Lust im Herzen, aber sie
ist so groß so mächtig, daß sie sich nicht in's Lachen fü-
gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor
Tag, und ich zwischen den schlafenden Pflanzen Berg-
auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäscht, und
ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten ist der
meine Füße wäscht, weil er will ich soll rein sein von
Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn
ich dann auf des Berges Spitze komme und übersehe
alle Lande im ersten Strahl der Sonne dann fühl' ich
diese mächtige Lust in meiner Brust sich ausdehnen, dann
seufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank,
daß sie mir in einem Bild erleuchte was der Reich-
thum der Schmuck meines Lebens ist, denn was ich sehe
was ich verstehe es ist alles nur Wiederhall meines
Glückes.


Heimath. Dort iſt der fruchtbare Boden, indem mein
Herz die harte Rinde ſprengt und in's Licht hinaufblüht.

Die Leute ſagen: Was biſt du traurig, ſollt ich ver-
gnügt ſein? — oder dies oder jenes? — wie paßt das
zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine
Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und
ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt. So
werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der
Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie
iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in's Lachen fü-
gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor
Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Berg-
auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und
ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der
meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von
Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn
ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe
alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl' ich
dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann
ſeufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank,
daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reich-
thum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe
was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines
Glückes.


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[45/0077] Heimath. Dort iſt der fruchtbare Boden, indem mein Herz die harte Rinde ſprengt und in's Licht hinaufblüht. Die Leute ſagen: Was biſt du traurig, ſollt ich ver- gnügt ſein? — oder dies oder jenes? — wie paßt das zu meinem innern Leben; ein jedes Betragen hat ſeine Urſache, das Waſſer wird nicht luſtig dahin tanzen und ſingen, wenn ſein Bett nicht dazu gemacht iſt. So werd' ich nicht lachen, wenn nicht eine geheime Luſt der Grund dazu iſt; ja ich habe Luſt im Herzen, aber ſie iſt ſo groß ſo mächtig, daß ſie ſich nicht in's Lachen fü- gen kann; wenn es mich aus dem Bett aufruft vor Tag, und ich zwiſchen den ſchlafenden Pflanzen Berg- auf wandle, wenn der Thau meine Füße wäſcht, und ich denk demüthig, daß es der Herr der Welten iſt der meine Füße wäſcht, weil er will ich ſoll rein ſein von Herzen wie er meine Füße vom Staub reinigt; wenn ich dann auf des Berges Spitze komme und überſehe alle Lande im erſten Strahl der Sonne dann fühl' ich dieſe mächtige Luſt in meiner Bruſt ſich ausdehnen, dann ſeufz' ich auf und hauch die Sonne an zum Dank, daß ſie mir in einem Bild erleuchte was der Reich- thum der Schmuck meines Lebens iſt, denn was ich ſehe was ich verſtehe es iſt alles nur Wiederhall meines Glückes.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/77>, abgerufen am 28.03.2024.