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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Dir; es hat gute Wege mit Weltherrschern, daß die ihre
Macht nicht gewahr werden, und ihre Fähigkeiten nicht
Meister.

Rundum in der Gegend ist der Typhus ausgebro-
chen, durchmarschierende Truppen haben ihn mitgebracht,
ganze Familien sterben auf dem Lande, einer einzigen
Nacht-Einquartierung nach; es raffte schon die meisten
Lazarethärzte weg, gestern hab ich einen jungen Medi-
ziner der sich freundlich an mich attaschiert hatte ver-
abschiedet, er heißt Janson, er ging nach Augsburg
in's Lazareth um dort einen alten Lehrer der Frau und
Kinder hat abzulösen, dazu gehört auch großartiger
Muth. Auch in Landshut, wo Savignys sind, fährt der
Tod seinen Karren triumphirend durch alle Straßen,
und besonders hat er mehrere junge Leute ausgezeichnet
an Herz und Geist, die sich der Krankenpflege annah-
men, weggerafft, es waren treue Hausfreunde von Sa-
vigny, ich werde nächstens hingehen um böse und gute
Zeit mit auszuhalten. Denn sag ich allen politischen
Ereignissen Valet, was hilft alles Forschen wenn man
betrogen wird, und alle aufgeregten Gefühle nutzlos sich
verzehren müssen. Adieu, ich bin Dir nicht grün, daß
Du deinen Secretair an mich hast schreiben lassen. Es
braucht nur wenig zu sein zwischen uns aber nichts

Dir; es hat gute Wege mit Weltherrſchern, daß die ihre
Macht nicht gewahr werden, und ihre Fähigkeiten nicht
Meiſter.

Rundum in der Gegend iſt der Typhus ausgebro-
chen, durchmarſchierende Truppen haben ihn mitgebracht,
ganze Familien ſterben auf dem Lande, einer einzigen
Nacht-Einquartierung nach; es raffte ſchon die meiſten
Lazarethärzte weg, geſtern hab ich einen jungen Medi-
ziner der ſich freundlich an mich attaſchiert hatte ver-
abſchiedet, er heißt Janſon, er ging nach Augsburg
in's Lazareth um dort einen alten Lehrer der Frau und
Kinder hat abzulöſen, dazu gehört auch großartiger
Muth. Auch in Landshut, wo Savignys ſind, fährt der
Tod ſeinen Karren triumphirend durch alle Straßen,
und beſonders hat er mehrere junge Leute ausgezeichnet
an Herz und Geiſt, die ſich der Krankenpflege annah-
men, weggerafft, es waren treue Hausfreunde von Sa-
vigny, ich werde nächſtens hingehen um böſe und gute
Zeit mit auszuhalten. Denn ſag ich allen politiſchen
Ereigniſſen Valet, was hilft alles Forſchen wenn man
betrogen wird, und alle aufgeregten Gefühle nutzlos ſich
verzehren müſſen. Adieu, ich bin Dir nicht grün, daß
Du deinen Secretair an mich haſt ſchreiben laſſen. Es
braucht nur wenig zu ſein zwiſchen uns aber nichts

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[116/0126] Dir; es hat gute Wege mit Weltherrſchern, daß die ihre Macht nicht gewahr werden, und ihre Fähigkeiten nicht Meiſter. Rundum in der Gegend iſt der Typhus ausgebro- chen, durchmarſchierende Truppen haben ihn mitgebracht, ganze Familien ſterben auf dem Lande, einer einzigen Nacht-Einquartierung nach; es raffte ſchon die meiſten Lazarethärzte weg, geſtern hab ich einen jungen Medi- ziner der ſich freundlich an mich attaſchiert hatte ver- abſchiedet, er heißt Janſon, er ging nach Augsburg in's Lazareth um dort einen alten Lehrer der Frau und Kinder hat abzulöſen, dazu gehört auch großartiger Muth. Auch in Landshut, wo Savignys ſind, fährt der Tod ſeinen Karren triumphirend durch alle Straßen, und beſonders hat er mehrere junge Leute ausgezeichnet an Herz und Geiſt, die ſich der Krankenpflege annah- men, weggerafft, es waren treue Hausfreunde von Sa- vigny, ich werde nächſtens hingehen um böſe und gute Zeit mit auszuhalten. Denn ſag ich allen politiſchen Ereigniſſen Valet, was hilft alles Forſchen wenn man betrogen wird, und alle aufgeregten Gefühle nutzlos ſich verzehren müſſen. Adieu, ich bin Dir nicht grün, daß Du deinen Secretair an mich haſt ſchreiben laſſen. Es braucht nur wenig zu ſein zwiſchen uns aber nichts

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/126>, abgerufen am 19.04.2024.