Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
An Goethe.

Ach ich will dem Götzendienst abschwören! von Dir
spreche ich nicht, denn welcher Prophet sagt daß Du
kein Gott seist? --

Ich spreche von großem und kleinem was die Seele
irrt. O wüßtest Du was Dir zum Heile dient jetzt in
den Tagen deiner Heimsuchung? Lucas XIX.

Ich hätte Dir vieles zu sagen aber in meinem Her-
zen zuckt es, und schmerzliche Gedanken thürmen sich
über einander.

Der Friede bestätigt sich. Im Augenblick der glor-
reichsten Siege wo die Energie dieses Volkes seinen Gi-
pfel erreichte, mahnt Östreich die Waffen niederzulegen;
was hat es für ein Recht dazu? -- Hat es nicht lange
schon tükisch furchtsam seine Sache von der der Tyro-
ler getrennt? -- Da stehen die gekrönten Häupter um
diesen Edelstein Tyrol, sie schielen ihn an, und sind alle
von seinem reinen Feuer geblendet; aber sie werfen ein
Leichentuch drüber hin: ihre abgefeimte Politik! und
nun entscheiden sie kaltblütig über sein Loos. Wollt
ich sagen welche tiefe Wunden mir die Geschichte dieses

An Goethe.

Ach ich will dem Götzendienſt abſchwören! von Dir
ſpreche ich nicht, denn welcher Prophet ſagt daß Du
kein Gott ſeiſt? —

Ich ſpreche von großem und kleinem was die Seele
irrt. O wüßteſt Du was Dir zum Heile dient jetzt in
den Tagen deiner Heimſuchung? Lucas XIX.

Ich hätte Dir vieles zu ſagen aber in meinem Her-
zen zuckt es, und ſchmerzliche Gedanken thürmen ſich
über einander.

Der Friede beſtätigt ſich. Im Augenblick der glor-
reichſten Siege wo die Energie dieſes Volkes ſeinen Gi-
pfel erreichte, mahnt Öſtreich die Waffen niederzulegen;
was hat es für ein Recht dazu? — Hat es nicht lange
ſchon tükiſch furchtſam ſeine Sache von der der Tyro-
ler getrennt? — Da ſtehen die gekrönten Häupter um
dieſen Edelſtein Tyrol, ſie ſchielen ihn an, und ſind alle
von ſeinem reinen Feuer geblendet; aber ſie werfen ein
Leichentuch drüber hin: ihre abgefeimte Politik! und
nun entſcheiden ſie kaltblütig über ſein Loos. Wollt
ich ſagen welche tiefe Wunden mir die Geſchichte dieſes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="148"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Am 13. December 1809.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Ach ich will dem Götzendien&#x017F;t ab&#x017F;chwören! von Dir<lb/>
&#x017F;preche ich nicht, denn welcher Prophet &#x017F;agt daß Du<lb/>
kein Gott &#x017F;ei&#x017F;t? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;preche von großem und kleinem was die Seele<lb/>
irrt. O wüßte&#x017F;t Du was Dir zum Heile dient jetzt in<lb/>
den Tagen deiner Heim&#x017F;uchung? Lucas <hi rendition="#aq">XIX.</hi></p><lb/>
          <p>Ich hätte Dir vieles zu &#x017F;agen aber in meinem Her-<lb/>
zen zuckt es, und &#x017F;chmerzliche Gedanken thürmen &#x017F;ich<lb/>
über einander.</p><lb/>
          <p>Der Friede be&#x017F;tätigt &#x017F;ich. Im Augenblick der glor-<lb/>
reich&#x017F;ten Siege wo die Energie die&#x017F;es Volkes &#x017F;einen Gi-<lb/>
pfel erreichte, mahnt Ö&#x017F;treich die Waffen niederzulegen;<lb/>
was hat es für ein Recht dazu? &#x2014; Hat es nicht lange<lb/>
&#x017F;chon tüki&#x017F;ch furcht&#x017F;am &#x017F;eine Sache von der der Tyro-<lb/>
ler getrennt? &#x2014; Da &#x017F;tehen die gekrönten Häupter um<lb/>
die&#x017F;en Edel&#x017F;tein Tyrol, &#x017F;ie &#x017F;chielen ihn an, und &#x017F;ind alle<lb/>
von &#x017F;einem reinen Feuer geblendet; aber &#x017F;ie werfen ein<lb/>
Leichentuch drüber hin: ihre abgefeimte Politik! und<lb/>
nun ent&#x017F;cheiden &#x017F;ie kaltblütig über &#x017F;ein Loos. Wollt<lb/>
ich &#x017F;agen welche tiefe Wunden mir die Ge&#x017F;chichte die&#x017F;es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0158] An Goethe. Am 13. December 1809. Ach ich will dem Götzendienſt abſchwören! von Dir ſpreche ich nicht, denn welcher Prophet ſagt daß Du kein Gott ſeiſt? — Ich ſpreche von großem und kleinem was die Seele irrt. O wüßteſt Du was Dir zum Heile dient jetzt in den Tagen deiner Heimſuchung? Lucas XIX. Ich hätte Dir vieles zu ſagen aber in meinem Her- zen zuckt es, und ſchmerzliche Gedanken thürmen ſich über einander. Der Friede beſtätigt ſich. Im Augenblick der glor- reichſten Siege wo die Energie dieſes Volkes ſeinen Gi- pfel erreichte, mahnt Öſtreich die Waffen niederzulegen; was hat es für ein Recht dazu? — Hat es nicht lange ſchon tükiſch furchtſam ſeine Sache von der der Tyro- ler getrennt? — Da ſtehen die gekrönten Häupter um dieſen Edelſtein Tyrol, ſie ſchielen ihn an, und ſind alle von ſeinem reinen Feuer geblendet; aber ſie werfen ein Leichentuch drüber hin: ihre abgefeimte Politik! und nun entſcheiden ſie kaltblütig über ſein Loos. Wollt ich ſagen welche tiefe Wunden mir die Geſchichte dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/158
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/158>, abgerufen am 28.03.2024.