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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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sem sanften Helden ein Haar krümmen, der da für alle
Aufopferung, die er und sein Land umsonst gemacht
hatten, keine andre Rache nahm, als daß er in einem
Brief an Speckbacher schrieb: deine glorreichen Siege
sind alle umsonst, Östreich hat mit Frankreich Friede ge-
schlossen und Tyrol -- vergessen.

In meinem Ofen saust und braust der Wind und
treibt die Gluth in Flammen, und brennt die alten bai-
rischen Tannen recht zu Asche zusammen, dabei hab ich
denn meine Unterhaltung wie es kracht und rumpelt,
und studiere zugleich Marpurg's Fugen, dabei thut mir
denn gar wohl, daß das Warum nie beantwortet wer-
den kann, daß man unmittelbare Herrschaft des Füh-
rers (Dux) annehmen muß, und daß der Gefährte sich
anschmiegt, ach, wie ich mich gern an Dich anschmiegen
möchte; wesentlich möchte ich eben so Dir sein, ohne
viel Lärm zu machen, alle Lebenswege sollten aus Dir
hervorgehen und sich wieder in Dir schließen, und das
wäre eine echte, strenge Fuge, wo dem Gefühl keine
Forderung unbeantwortet bleibt, und wo sich der Phi-
losoph nicht hineinmischen kann.

Ich will Dir beichten, will Dir alle meine Sünden
aufrichtig gestehen, erst die, an welchen Du zum Theil
Schuld hast und die Du auch mitbüßen mußt, dann

ſem ſanften Helden ein Haar krümmen, der da für alle
Aufopferung, die er und ſein Land umſonſt gemacht
hatten, keine andre Rache nahm, als daß er in einem
Brief an Speckbacher ſchrieb: deine glorreichen Siege
ſind alle umſonſt, Öſtreich hat mit Frankreich Friede ge-
ſchloſſen und Tyrol — vergeſſen.

In meinem Ofen ſauſt und brauſt der Wind und
treibt die Gluth in Flammen, und brennt die alten bai-
riſchen Tannen recht zu Aſche zuſammen, dabei hab ich
denn meine Unterhaltung wie es kracht und rumpelt,
und ſtudiere zugleich Marpurg's Fugen, dabei thut mir
denn gar wohl, daß das Warum nie beantwortet wer-
den kann, daß man unmittelbare Herrſchaft des Füh-
rers (Dux) annehmen muß, und daß der Gefährte ſich
anſchmiegt, ach, wie ich mich gern an Dich anſchmiegen
möchte; weſentlich möchte ich eben ſo Dir ſein, ohne
viel Lärm zu machen, alle Lebenswege ſollten aus Dir
hervorgehen und ſich wieder in Dir ſchließen, und das
wäre eine echte, ſtrenge Fuge, wo dem Gefühl keine
Forderung unbeantwortet bleibt, und wo ſich der Phi-
loſoph nicht hineinmiſchen kann.

Ich will Dir beichten, will Dir alle meine Sünden
aufrichtig geſtehen, erſt die, an welchen Du zum Theil
Schuld haſt und die Du auch mitbüßen mußt, dann

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[158/0168] ſem ſanften Helden ein Haar krümmen, der da für alle Aufopferung, die er und ſein Land umſonſt gemacht hatten, keine andre Rache nahm, als daß er in einem Brief an Speckbacher ſchrieb: deine glorreichen Siege ſind alle umſonſt, Öſtreich hat mit Frankreich Friede ge- ſchloſſen und Tyrol — vergeſſen. In meinem Ofen ſauſt und brauſt der Wind und treibt die Gluth in Flammen, und brennt die alten bai- riſchen Tannen recht zu Aſche zuſammen, dabei hab ich denn meine Unterhaltung wie es kracht und rumpelt, und ſtudiere zugleich Marpurg's Fugen, dabei thut mir denn gar wohl, daß das Warum nie beantwortet wer- den kann, daß man unmittelbare Herrſchaft des Füh- rers (Dux) annehmen muß, und daß der Gefährte ſich anſchmiegt, ach, wie ich mich gern an Dich anſchmiegen möchte; weſentlich möchte ich eben ſo Dir ſein, ohne viel Lärm zu machen, alle Lebenswege ſollten aus Dir hervorgehen und ſich wieder in Dir ſchließen, und das wäre eine echte, ſtrenge Fuge, wo dem Gefühl keine Forderung unbeantwortet bleibt, und wo ſich der Phi- loſoph nicht hineinmiſchen kann. Ich will Dir beichten, will Dir alle meine Sünden aufrichtig geſtehen, erſt die, an welchen Du zum Theil Schuld haſt und die Du auch mitbüßen mußt, dann

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/168>, abgerufen am 19.04.2024.