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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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sal klagend, seinem armen Vaterland auf ewig entrissen
ward. Vierzehn Tage lag er gefangen in dem Kerker
bei Porta Molina, mit vielen andern Tyrolern. Sein
Todesurtheil vernahm er gelassen und unerschüttert;
Abschied ließ man ihn von seinen geliebten Landsleuten
nicht nehmen, den Jammer und das Heulen der einge-
sperrten Tyroler übertönte die Trommel, er schickte ih-
nen durch den Priester sein letztes Geld, und ließ ihnen
sagen: er gehe getrost in den Tod und erwarte, daß
ihr Gebet ihn hinüber begleite. -- Als er an ihren
Kerkerthüren vorbeischritt, lagen sie alle auf den Knieen,
beteten und weinten; auf dem Richtplatz sagte er: er
stehe vor dem, der ihn erschaffen, und stehend wolle er
ihm seinen Geist übergeben; ein Geldstück, was unter
seiner Administration geprägt war, übergab er dem Cor-
poral, mit dem Bedeuten: es solle Zeugniß geben,
daß er sich noch in der letzten Stunde an sein
armes Vaterland mit allen Banden der Treue
gefesselt fühle
. Dann rief er: Gebt Feuer! sie
schossen schlecht, zweimal nach einander gaben sie Feuer,
erst zum dritten Mal machte der Corporal, der die Exe-
cution leitete, mit dem dreizehnten Schuß seinem Leben
ein Ende.

Ich muß meinen Brief schließen, was könnte ich

Dir

ſal klagend, ſeinem armen Vaterland auf ewig entriſſen
ward. Vierzehn Tage lag er gefangen in dem Kerker
bei Porta Molina, mit vielen andern Tyrolern. Sein
Todesurtheil vernahm er gelaſſen und unerſchüttert;
Abſchied ließ man ihn von ſeinen geliebten Landsleuten
nicht nehmen, den Jammer und das Heulen der einge-
ſperrten Tyroler übertönte die Trommel, er ſchickte ih-
nen durch den Prieſter ſein letztes Geld, und ließ ihnen
ſagen: er gehe getroſt in den Tod und erwarte, daß
ihr Gebet ihn hinüber begleite. — Als er an ihren
Kerkerthüren vorbeiſchritt, lagen ſie alle auf den Knieen,
beteten und weinten; auf dem Richtplatz ſagte er: er
ſtehe vor dem, der ihn erſchaffen, und ſtehend wolle er
ihm ſeinen Geiſt übergeben; ein Geldſtück, was unter
ſeiner Adminiſtration geprägt war, übergab er dem Cor-
poral, mit dem Bedeuten: es ſolle Zeugniß geben,
daß er ſich noch in der letzten Stunde an ſein
armes Vaterland mit allen Banden der Treue
gefeſſelt fühle
. Dann rief er: Gebt Feuer! ſie
ſchoſſen ſchlecht, zweimal nach einander gaben ſie Feuer,
erſt zum dritten Mal machte der Corporal, der die Exe-
cution leitete, mit dem dreizehnten Schuß ſeinem Leben
ein Ende.

Ich muß meinen Brief ſchließen, was könnte ich

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[168/0178] ſal klagend, ſeinem armen Vaterland auf ewig entriſſen ward. Vierzehn Tage lag er gefangen in dem Kerker bei Porta Molina, mit vielen andern Tyrolern. Sein Todesurtheil vernahm er gelaſſen und unerſchüttert; Abſchied ließ man ihn von ſeinen geliebten Landsleuten nicht nehmen, den Jammer und das Heulen der einge- ſperrten Tyroler übertönte die Trommel, er ſchickte ih- nen durch den Prieſter ſein letztes Geld, und ließ ihnen ſagen: er gehe getroſt in den Tod und erwarte, daß ihr Gebet ihn hinüber begleite. — Als er an ihren Kerkerthüren vorbeiſchritt, lagen ſie alle auf den Knieen, beteten und weinten; auf dem Richtplatz ſagte er: er ſtehe vor dem, der ihn erſchaffen, und ſtehend wolle er ihm ſeinen Geiſt übergeben; ein Geldſtück, was unter ſeiner Adminiſtration geprägt war, übergab er dem Cor- poral, mit dem Bedeuten: es ſolle Zeugniß geben, daß er ſich noch in der letzten Stunde an ſein armes Vaterland mit allen Banden der Treue gefeſſelt fühle. Dann rief er: Gebt Feuer! ſie ſchoſſen ſchlecht, zweimal nach einander gaben ſie Feuer, erſt zum dritten Mal machte der Corporal, der die Exe- cution leitete, mit dem dreizehnten Schuß ſeinem Leben ein Ende. Ich muß meinen Brief ſchließen, was könnte ich Dir

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/178>, abgerufen am 25.04.2024.