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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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mit angezündetem Wachsstock einen jeden bis zu seiner
Hausthür, gar oft hab ich die Runde mitgemacht; heute
war ich noch mit Sailer auf dem Berg auf dem die
Trausnitz steht, ein Schloß alter Zeit: Traue nicht.
Die Bäume schälen ihre Knospen! Frühling! die Sper-
linge flogen schaarenweis vor uns her, von Sailer hab
ich Dir wenig erzählt und doch war er mir der liebste
von allen. Im harten Winter gingen wir oft über die
Schneedecke der Wiesen und Ackerfläche, und stiegen mit
einander über die Hecken von einem Zaun zum andern,
und alles was ich ihm mittheilte daran nahm er gern
Theil, und manche Gedanken die aus Gesprächen mit
ihm hervorgingen die hab ich aufgeschrieben, obschon sie
in meinen Briefen nicht Platz finden, so sind sie doch
für Dich, denn nie denke ich etwas schönes, ohne daß
ich mich darauf freue es Dir zu sagen.

Zur Besinnung kann ich während dem Schreiben
nicht kommen, der Studentenschwarm verläßt das Haus
nicht mehr seit dem Savigny's Abreise in wenig Tagen
bestimmt ist; eben sind sie vorbei gezogen an meiner
Thür mit Wein und einem großen Schinken den sie
beim Packen verzehren, ich schenkte ihnen meine kleine
Bibliothek die sie eben auch einpacken wollten, da ha-
ben sie mir ein Vivat gebracht. -- Abends bringen sie

mit angezündetem Wachsſtock einen jeden bis zu ſeiner
Hausthür, gar oft hab ich die Runde mitgemacht; heute
war ich noch mit Sailer auf dem Berg auf dem die
Trausnitz ſteht, ein Schloß alter Zeit: Traue nicht.
Die Bäume ſchälen ihre Knoſpen! Frühling! die Sper-
linge flogen ſchaarenweis vor uns her, von Sailer hab
ich Dir wenig erzählt und doch war er mir der liebſte
von allen. Im harten Winter gingen wir oft über die
Schneedecke der Wieſen und Ackerfläche, und ſtiegen mit
einander über die Hecken von einem Zaun zum andern,
und alles was ich ihm mittheilte daran nahm er gern
Theil, und manche Gedanken die aus Geſprächen mit
ihm hervorgingen die hab ich aufgeſchrieben, obſchon ſie
in meinen Briefen nicht Platz finden, ſo ſind ſie doch
für Dich, denn nie denke ich etwas ſchönes, ohne daß
ich mich darauf freue es Dir zu ſagen.

Zur Beſinnung kann ich während dem Schreiben
nicht kommen, der Studentenſchwarm verläßt das Haus
nicht mehr ſeit dem Savigny's Abreiſe in wenig Tagen
beſtimmt iſt; eben ſind ſie vorbei gezogen an meiner
Thür mit Wein und einem großen Schinken den ſie
beim Packen verzehren, ich ſchenkte ihnen meine kleine
Bibliothek die ſie eben auch einpacken wollten, da ha-
ben ſie mir ein Vivat gebracht. — Abends bringen ſie

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[172/0182] mit angezündetem Wachsſtock einen jeden bis zu ſeiner Hausthür, gar oft hab ich die Runde mitgemacht; heute war ich noch mit Sailer auf dem Berg auf dem die Trausnitz ſteht, ein Schloß alter Zeit: Traue nicht. Die Bäume ſchälen ihre Knoſpen! Frühling! die Sper- linge flogen ſchaarenweis vor uns her, von Sailer hab ich Dir wenig erzählt und doch war er mir der liebſte von allen. Im harten Winter gingen wir oft über die Schneedecke der Wieſen und Ackerfläche, und ſtiegen mit einander über die Hecken von einem Zaun zum andern, und alles was ich ihm mittheilte daran nahm er gern Theil, und manche Gedanken die aus Geſprächen mit ihm hervorgingen die hab ich aufgeſchrieben, obſchon ſie in meinen Briefen nicht Platz finden, ſo ſind ſie doch für Dich, denn nie denke ich etwas ſchönes, ohne daß ich mich darauf freue es Dir zu ſagen. Zur Beſinnung kann ich während dem Schreiben nicht kommen, der Studentenſchwarm verläßt das Haus nicht mehr ſeit dem Savigny's Abreiſe in wenig Tagen beſtimmt iſt; eben ſind ſie vorbei gezogen an meiner Thür mit Wein und einem großen Schinken den ſie beim Packen verzehren, ich ſchenkte ihnen meine kleine Bibliothek die ſie eben auch einpacken wollten, da ha- ben ſie mir ein Vivat gebracht. — Abends bringen ſie

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/182>, abgerufen am 29.03.2024.