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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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würdig, und muß Liebenswürdigkeit nicht allein Größe
bestätigen? -- diese naive Güte, mit der er sich allen
gleich stellt bei seiner ästhetischen Gelahrtheit,
macht ihn doppelt groß. Ach, liebes Landshut, mit dei-
nen geweißten Giebeldächern und dem geplackten Kirch-
thurm, mit deinen Springbrunnen, aus dessen verroste-
ten Röhren nur sparsam das Wasser lief, um den die
Studenten bei nächtlicher Weile Sprünge machten und
sanft mit Flöte und Guitarre accompagnirten, und dann
aus fernen Straßen singend ihr Gutenacht ertönen lie-
ßen; wie schön war's im Winter auf der leichten Schnee-
decke, wenn ich mit dem siebzigjährigen Canonicus Eix-
dorfer, meinem Generalbaßlehrer und vortrefflichen Bä-
renjäger, spazieren ging, da zeigte er mir auf dem
Schnee die Spuren der Fischottern, und da war ich als
manchmal recht vergnügt und freute mich auf den an-
dern Tag, wo er mir gewiß ein solches Thier auffinden
wollte, und wenn ich denn am andern Tag kam, daß
er mich versprochnermaßen auf die Otternjagd begleiten
solle, da machte er Ausflüchte, heute seien die Ottern
bestimmt nicht zu Hause; wie ich Abschied von ihm
nahm, da gab er mir einen wunderlichen Seegen, er
sagte: "möge ein guter Dämon Sie begleiten, und das
Gold und die Kleinodien, die Sie besitzen, allemal zu

würdig, und muß Liebenswürdigkeit nicht allein Größe
beſtätigen? — dieſe naive Güte, mit der er ſich allen
gleich ſtellt bei ſeiner äſthetiſchen Gelahrtheit,
macht ihn doppelt groß. Ach, liebes Landshut, mit dei-
nen geweißten Giebeldächern und dem geplackten Kirch-
thurm, mit deinen Springbrunnen, aus deſſen verroſte-
ten Röhren nur ſparſam das Waſſer lief, um den die
Studenten bei nächtlicher Weile Sprünge machten und
ſanft mit Flöte und Guitarre accompagnirten, und dann
aus fernen Straßen ſingend ihr Gutenacht ertönen lie-
ßen; wie ſchön war's im Winter auf der leichten Schnee-
decke, wenn ich mit dem ſiebzigjährigen Canonicus Eix-
dorfer, meinem Generalbaßlehrer und vortrefflichen Bä-
renjäger, ſpazieren ging, da zeigte er mir auf dem
Schnee die Spuren der Fiſchottern, und da war ich als
manchmal recht vergnügt und freute mich auf den an-
dern Tag, wo er mir gewiß ein ſolches Thier auffinden
wollte, und wenn ich denn am andern Tag kam, daß
er mich verſprochnermaßen auf die Otternjagd begleiten
ſolle, da machte er Ausflüchte, heute ſeien die Ottern
beſtimmt nicht zu Hauſe; wie ich Abſchied von ihm
nahm, da gab er mir einen wunderlichen Seegen, er
ſagte: „möge ein guter Dämon Sie begleiten, und das
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[189/0199] würdig, und muß Liebenswürdigkeit nicht allein Größe beſtätigen? — dieſe naive Güte, mit der er ſich allen gleich ſtellt bei ſeiner äſthetiſchen Gelahrtheit, macht ihn doppelt groß. Ach, liebes Landshut, mit dei- nen geweißten Giebeldächern und dem geplackten Kirch- thurm, mit deinen Springbrunnen, aus deſſen verroſte- ten Röhren nur ſparſam das Waſſer lief, um den die Studenten bei nächtlicher Weile Sprünge machten und ſanft mit Flöte und Guitarre accompagnirten, und dann aus fernen Straßen ſingend ihr Gutenacht ertönen lie- ßen; wie ſchön war's im Winter auf der leichten Schnee- decke, wenn ich mit dem ſiebzigjährigen Canonicus Eix- dorfer, meinem Generalbaßlehrer und vortrefflichen Bä- renjäger, ſpazieren ging, da zeigte er mir auf dem Schnee die Spuren der Fiſchottern, und da war ich als manchmal recht vergnügt und freute mich auf den an- dern Tag, wo er mir gewiß ein ſolches Thier auffinden wollte, und wenn ich denn am andern Tag kam, daß er mich verſprochnermaßen auf die Otternjagd begleiten ſolle, da machte er Ausflüchte, heute ſeien die Ottern beſtimmt nicht zu Hauſe; wie ich Abſchied von ihm nahm, da gab er mir einen wunderlichen Seegen, er ſagte: „möge ein guter Dämon Sie begleiten, und das Gold und die Kleinodien, die Sie beſitzen, allemal zu

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/199>, abgerufen am 19.04.2024.