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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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fühl oder aus Erkenntniß spricht, denn hier walten die
Götter und streuen Saamen zu künftiger Einsicht, von
der nur zu wünschen ist daß sie zu ungestörter Ausbil-
dung gedeihen möge; bis sie indessen allgemein werde,
da müssen die Nebel vor dem menschlichen Geist sich
erst theilen. Sage Beethoven das Herzlichste von mir,
und daß ich gern Opfer bringen würde, um seine per-
sönliche Bekanntschaft zu haben, wo denn ein Austausch
von Gedanken und Empfindungen gewiß den schönsten
Vortheil brächte, vielleicht vermagst Du so viel über
ihn daß er sich zu einer Reise nach Carlsbad bestimmen
läßt, wo ich doch beinah jedes Jahr hinkomme und die
beste Muse haben würde von ihm zu hören und zu ler-
nen; ihn belehren zu wollen, wäre wohl selbst von ein-
sichtigern, als ich, Frevel, da ihm sein Genie vorleuchtet,
und ihm oft wie durch einen Blitz Hellung giebt, wo
wir im Dunkel sitzen und kaum ahnen von welcher
Seite der Tag anbrechen werde.

Sehr viel Freude würde es mir machen, wenn Beet-
hoven mir die beiden componirten Lieder von mir schik-
ken wollte, aber hübsch deutlich geschrieben, ich bin sehr
begierig sie zu hören, es gehört mit zu meinen erfreu-
lichsten Genüssen, für die ich sehr dankbar bin, wenn
ein solches Gedicht früherer Stimmung mir durch eine

fühl oder aus Erkenntniß ſpricht, denn hier walten die
Götter und ſtreuen Saamen zu künftiger Einſicht, von
der nur zu wünſchen iſt daß ſie zu ungeſtörter Ausbil-
dung gedeihen möge; bis ſie indeſſen allgemein werde,
da müſſen die Nebel vor dem menſchlichen Geiſt ſich
erſt theilen. Sage Beethoven das Herzlichſte von mir,
und daß ich gern Opfer bringen würde, um ſeine per-
ſönliche Bekanntſchaft zu haben, wo denn ein Austauſch
von Gedanken und Empfindungen gewiß den ſchönſten
Vortheil brächte, vielleicht vermagſt Du ſo viel über
ihn daß er ſich zu einer Reiſe nach Carlsbad beſtimmen
läßt, wo ich doch beinah jedes Jahr hinkomme und die
beſte Muſe haben würde von ihm zu hören und zu ler-
nen; ihn belehren zu wollen, wäre wohl ſelbſt von ein-
ſichtigern, als ich, Frevel, da ihm ſein Genie vorleuchtet,
und ihm oft wie durch einen Blitz Hellung giebt, wo
wir im Dunkel ſitzen und kaum ahnen von welcher
Seite der Tag anbrechen werde.

Sehr viel Freude würde es mir machen, wenn Beet-
hoven mir die beiden componirten Lieder von mir ſchik-
ken wollte, aber hübſch deutlich geſchrieben, ich bin ſehr
begierig ſie zu hören, es gehört mit zu meinen erfreu-
lichſten Genüſſen, für die ich ſehr dankbar bin, wenn
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[202/0212] fühl oder aus Erkenntniß ſpricht, denn hier walten die Götter und ſtreuen Saamen zu künftiger Einſicht, von der nur zu wünſchen iſt daß ſie zu ungeſtörter Ausbil- dung gedeihen möge; bis ſie indeſſen allgemein werde, da müſſen die Nebel vor dem menſchlichen Geiſt ſich erſt theilen. Sage Beethoven das Herzlichſte von mir, und daß ich gern Opfer bringen würde, um ſeine per- ſönliche Bekanntſchaft zu haben, wo denn ein Austauſch von Gedanken und Empfindungen gewiß den ſchönſten Vortheil brächte, vielleicht vermagſt Du ſo viel über ihn daß er ſich zu einer Reiſe nach Carlsbad beſtimmen läßt, wo ich doch beinah jedes Jahr hinkomme und die beſte Muſe haben würde von ihm zu hören und zu ler- nen; ihn belehren zu wollen, wäre wohl ſelbſt von ein- ſichtigern, als ich, Frevel, da ihm ſein Genie vorleuchtet, und ihm oft wie durch einen Blitz Hellung giebt, wo wir im Dunkel ſitzen und kaum ahnen von welcher Seite der Tag anbrechen werde. Sehr viel Freude würde es mir machen, wenn Beet- hoven mir die beiden componirten Lieder von mir ſchik- ken wollte, aber hübſch deutlich geſchrieben, ich bin ſehr begierig ſie zu hören, es gehört mit zu meinen erfreu- lichſten Genüſſen, für die ich ſehr dankbar bin, wenn ein ſolches Gedicht früherer Stimmung mir durch eine

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/212>, abgerufen am 19.04.2024.