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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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gel des Deinigen, es war liebende Ahnung die alles mit
sich fortzieht die mir von Dir Kunde gab; und so war
ich Dir nachgekommen an's Licht, und so werd ich Dir
nachziehen in's Dunkel. -- Mein lieber Freund, der mich
nimmermehr verkennt! -- sieh ich löse mir das Räthsel
auf mancherlei schöne Weise; aber, frag nicht was es
ist und laß das Herz gewähren sag ich mir hundertmal.

Ich sah um mich empor wachsen Pflanzen seltner
Art, sie haben Stacheln und Duft, ich mag keine be-
rühren, ich mag keine missen. Wer sich in's Leben her-
einwagt, der kann nur sich wieder durcharbeiten in die
Freiheit; und ich weiß daß ich Dich einst noch festhal-
ten werde und mit Dir sein, und in Dir sein das ist
das Ziel meiner Wünsche, das ist mein Glaube.

Leb wohl, sei gesund und laß Dir ein einheimischer
Gedanke sein, daß Du mich wiedersehn wollest, vieles
möcht ich vor Dir aussprechen.

An Goethe.

Schön wie ein Engel, warst Du, bist Du, und
bleibst Du, so waren auch in deiner frühesten Jugend
aller Augen auf Dich gerichtet. Einmal stand jemand
am Fenster bei deiner Mutter da Du eben über die

gel des Deinigen, es war liebende Ahnung die alles mit
ſich fortzieht die mir von Dir Kunde gab; und ſo war
ich Dir nachgekommen an's Licht, und ſo werd ich Dir
nachziehen in's Dunkel. — Mein lieber Freund, der mich
nimmermehr verkennt! — ſieh ich löſe mir das Räthſel
auf mancherlei ſchöne Weiſe; aber, frag nicht was es
iſt und laß das Herz gewähren ſag ich mir hundertmal.

Ich ſah um mich empor wachſen Pflanzen ſeltner
Art, ſie haben Stacheln und Duft, ich mag keine be-
rühren, ich mag keine miſſen. Wer ſich in's Leben her-
einwagt, der kann nur ſich wieder durcharbeiten in die
Freiheit; und ich weiß daß ich Dich einſt noch feſthal-
ten werde und mit Dir ſein, und in Dir ſein das iſt
das Ziel meiner Wünſche, das iſt mein Glaube.

Leb wohl, ſei geſund und laß Dir ein einheimiſcher
Gedanke ſein, daß Du mich wiederſehn wolleſt, vieles
möcht ich vor Dir ausſprechen.

An Goethe.

Schön wie ein Engel, warſt Du, biſt Du, und
bleibſt Du, ſo waren auch in deiner früheſten Jugend
aller Augen auf Dich gerichtet. Einmal ſtand jemand
am Fenſter bei deiner Mutter da Du eben über die

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[257/0267] gel des Deinigen, es war liebende Ahnung die alles mit ſich fortzieht die mir von Dir Kunde gab; und ſo war ich Dir nachgekommen an's Licht, und ſo werd ich Dir nachziehen in's Dunkel. — Mein lieber Freund, der mich nimmermehr verkennt! — ſieh ich löſe mir das Räthſel auf mancherlei ſchöne Weiſe; aber, frag nicht was es iſt und laß das Herz gewähren ſag ich mir hundertmal. Ich ſah um mich empor wachſen Pflanzen ſeltner Art, ſie haben Stacheln und Duft, ich mag keine be- rühren, ich mag keine miſſen. Wer ſich in's Leben her- einwagt, der kann nur ſich wieder durcharbeiten in die Freiheit; und ich weiß daß ich Dich einſt noch feſthal- ten werde und mit Dir ſein, und in Dir ſein das iſt das Ziel meiner Wünſche, das iſt mein Glaube. Leb wohl, ſei geſund und laß Dir ein einheimiſcher Gedanke ſein, daß Du mich wiederſehn wolleſt, vieles möcht ich vor Dir ausſprechen. 24. November. An Goethe. Schön wie ein Engel, warſt Du, biſt Du, und bleibſt Du, ſo waren auch in deiner früheſten Jugend aller Augen auf Dich gerichtet. Einmal ſtand jemand am Fenſter bei deiner Mutter da Du eben über die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/267>, abgerufen am 28.03.2024.