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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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bestieg? -- in Godesberg; warst Du da auch oft? --
Es war bald Abend da wir oben waren; Du wirst Dich
noch erinnern es steht oben ein einziger hoher Thurm,
und rund auf der Fläche stehen nach die alten Mauern.
Die Sonne in großer Pracht senkte einen glühenden
Purpur über die Stadt der Heiligen; der Kölner Dom,
an dessen dornigen Zierrathen die Nebel wie eine vor-
überstreifende Schaafheerde ihre Flocken hängen ließen,
in denen Schein und Wiederschein so fein spielten, da
sah ich ihn zum letztenmal; alles war zerflossen in dem
ungeheuren Brand, und der kühle ruhige Rhein, den
man viele Stunden weit sieht, und die Siebenberge hoch
über den Ufergegenden.

Im Sommer, in dem leidenschaftlichen Leben und
Weben aller Farben, wo die Natur, die Sinne als den
rührendsten Zauber ihrer Schönheit festhält; wo der
Mensch durch das Mitempfinden selbst schön wird: da
ist er sich selbst auch oft wie ein Traum, der vor dem
Begriff wie Duft verfliegt, -- Das Lebensfeuer in ihm
verzehrt alles; den Gedanken im Gedanken, und bildet
sich wieder in allem. Was das Aug' erreichen kann ge-
winnt er nur um sich wieder ganz dafür hinzugeben:
und so fühlt man sich frei und keck in den höchsten Fels-
spitzen, in dem kühnsten Wassersturz, ja mit dem Vogel

beſtieg? — in Godesberg; warſt Du da auch oft? —
Es war bald Abend da wir oben waren; Du wirſt Dich
noch erinnern es ſteht oben ein einziger hoher Thurm,
und rund auf der Fläche ſtehen nach die alten Mauern.
Die Sonne in großer Pracht ſenkte einen glühenden
Purpur über die Stadt der Heiligen; der Kölner Dom,
an deſſen dornigen Zierrathen die Nebel wie eine vor-
überſtreifende Schaafheerde ihre Flocken hängen ließen,
in denen Schein und Wiederſchein ſo fein ſpielten, da
ſah ich ihn zum letztenmal; alles war zerfloſſen in dem
ungeheuren Brand, und der kühle ruhige Rhein, den
man viele Stunden weit ſieht, und die Siebenberge hoch
über den Ufergegenden.

Im Sommer, in dem leidenſchaftlichen Leben und
Weben aller Farben, wo die Natur, die Sinne als den
rührendſten Zauber ihrer Schönheit feſthält; wo der
Menſch durch das Mitempfinden ſelbſt ſchön wird: da
iſt er ſich ſelbſt auch oft wie ein Traum, der vor dem
Begriff wie Duft verfliegt, — Das Lebensfeuer in ihm
verzehrt alles; den Gedanken im Gedanken, und bildet
ſich wieder in allem. Was das Aug' erreichen kann ge-
winnt er nur um ſich wieder ganz dafür hinzugeben:
und ſo fühlt man ſich frei und keck in den höchſten Fels-
ſpitzen, in dem kühnſten Waſſerſturz, ja mit dem Vogel

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[17/0027] beſtieg? — in Godesberg; warſt Du da auch oft? — Es war bald Abend da wir oben waren; Du wirſt Dich noch erinnern es ſteht oben ein einziger hoher Thurm, und rund auf der Fläche ſtehen nach die alten Mauern. Die Sonne in großer Pracht ſenkte einen glühenden Purpur über die Stadt der Heiligen; der Kölner Dom, an deſſen dornigen Zierrathen die Nebel wie eine vor- überſtreifende Schaafheerde ihre Flocken hängen ließen, in denen Schein und Wiederſchein ſo fein ſpielten, da ſah ich ihn zum letztenmal; alles war zerfloſſen in dem ungeheuren Brand, und der kühle ruhige Rhein, den man viele Stunden weit ſieht, und die Siebenberge hoch über den Ufergegenden. Im Sommer, in dem leidenſchaftlichen Leben und Weben aller Farben, wo die Natur, die Sinne als den rührendſten Zauber ihrer Schönheit feſthält; wo der Menſch durch das Mitempfinden ſelbſt ſchön wird: da iſt er ſich ſelbſt auch oft wie ein Traum, der vor dem Begriff wie Duft verfliegt, — Das Lebensfeuer in ihm verzehrt alles; den Gedanken im Gedanken, und bildet ſich wieder in allem. Was das Aug' erreichen kann ge- winnt er nur um ſich wieder ganz dafür hinzugeben: und ſo fühlt man ſich frei und keck in den höchſten Fels- ſpitzen, in dem kühnſten Waſſerſturz, ja mit dem Vogel

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/27>, abgerufen am 29.03.2024.