Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

fangen" es geht einem durch Mark und Bein. -- Das
Chor der Geister wo Faust einschlummert, herrlich! man
hört den Polen durch, ein Deutscher hätt' es nicht so
angefangen, um so reizender. Es muß so leicht vorge-
tragen werden wie fliegende Spinnweb in den Som-
merabenden.

Zelter ist manchmal bei uns, ich suche heraus zu
bringen was er ist. Ungeschliffen ist er zwar, Recht
und Unrecht hat er auch, Dich lieb zu haben behauptet
er auch, er möchte der Welt dienen und führt Klage,
daß sie sich's nicht will gefallen lassen und daß er alle
Weisheit für sich behalten muß. Einen Standpunkt
hat er sich erwählt von dem aus er sie von oben herab
beschaut. Und der Welt ist's einerlei, daß er mit den
Krähen auf der Zinne sitzt und sie sich auf ihren Ge-
meinplätzen tummeln sieht. An der Liedertafel ist er
Cäsar und freut sich seiner Siege; in der Singacademie
ist er Napoleon und jagt durch sein Machtwort alles
in Schrecken, und seine Truppen gehen mit Zuversicht
durch Dick und Dünn; zum Glück ist gesungen nicht
gehauen und gestochen. Seine Leibgarde der Baß hat
den Katharr. In der Welt in der Gesellschaft und auf
Reisen da ist er Goethe, und zwar ein recht menschli-
cher voll herablassender Güte, er wandelt, er steht, wirft

fangen“ es geht einem durch Mark und Bein. — Das
Chor der Geiſter wo Fauſt einſchlummert, herrlich! man
hört den Polen durch, ein Deutſcher hätt' es nicht ſo
angefangen, um ſo reizender. Es muß ſo leicht vorge-
tragen werden wie fliegende Spinnweb in den Som-
merabenden.

Zelter iſt manchmal bei uns, ich ſuche heraus zu
bringen was er iſt. Ungeſchliffen iſt er zwar, Recht
und Unrecht hat er auch, Dich lieb zu haben behauptet
er auch, er möchte der Welt dienen und führt Klage,
daß ſie ſich's nicht will gefallen laſſen und daß er alle
Weisheit für ſich behalten muß. Einen Standpunkt
hat er ſich erwählt von dem aus er ſie von oben herab
beſchaut. Und der Welt iſt's einerlei, daß er mit den
Krähen auf der Zinne ſitzt und ſie ſich auf ihren Ge-
meinplätzen tummeln ſieht. An der Liedertafel iſt er
Cäſar und freut ſich ſeiner Siege; in der Singacademie
iſt er Napoleon und jagt durch ſein Machtwort alles
in Schrecken, und ſeine Truppen gehen mit Zuverſicht
durch Dick und Dünn; zum Glück iſt geſungen nicht
gehauen und geſtochen. Seine Leibgarde der Baß hat
den Katharr. In der Welt in der Geſellſchaft und auf
Reiſen da iſt er Goethe, und zwar ein recht menſchli-
cher voll herablaſſender Güte, er wandelt, er ſteht, wirft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="282"/>
fangen&#x201C; es geht einem durch Mark und Bein. &#x2014; Das<lb/>
Chor der Gei&#x017F;ter wo Fau&#x017F;t ein&#x017F;chlummert, herrlich! man<lb/>
hört den Polen durch, ein Deut&#x017F;cher hätt' es nicht &#x017F;o<lb/>
angefangen, um &#x017F;o reizender. Es muß &#x017F;o leicht vorge-<lb/>
tragen werden wie fliegende Spinnweb in den Som-<lb/>
merabenden.</p><lb/>
          <p>Zelter i&#x017F;t manchmal bei uns, ich &#x017F;uche heraus zu<lb/>
bringen was er i&#x017F;t. Unge&#x017F;chliffen i&#x017F;t er zwar, Recht<lb/>
und Unrecht hat er auch, Dich lieb zu haben behauptet<lb/>
er auch, er möchte der Welt dienen und führt Klage,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich's nicht will gefallen la&#x017F;&#x017F;en und daß er alle<lb/>
Weisheit für &#x017F;ich behalten muß. Einen Standpunkt<lb/>
hat er &#x017F;ich erwählt von dem aus er &#x017F;ie von oben herab<lb/>
be&#x017F;chaut. Und der Welt i&#x017F;t's einerlei, daß er mit den<lb/>
Krähen auf der Zinne &#x017F;itzt und &#x017F;ie &#x017F;ich auf ihren Ge-<lb/>
meinplätzen tummeln &#x017F;ieht. An der Liedertafel i&#x017F;t er<lb/>&#x017F;ar und freut &#x017F;ich &#x017F;einer Siege; in der Singacademie<lb/>
i&#x017F;t er Napoleon und jagt durch &#x017F;ein Machtwort alles<lb/>
in Schrecken, und &#x017F;eine Truppen gehen mit Zuver&#x017F;icht<lb/>
durch Dick und Dünn; zum Glück i&#x017F;t ge&#x017F;ungen nicht<lb/>
gehauen und ge&#x017F;tochen. Seine Leibgarde der Baß hat<lb/>
den Katharr. In der Welt in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und auf<lb/>
Rei&#x017F;en da i&#x017F;t er Goethe, und zwar ein recht men&#x017F;chli-<lb/>
cher voll herabla&#x017F;&#x017F;ender Güte, er wandelt, er &#x017F;teht, wirft<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0292] fangen“ es geht einem durch Mark und Bein. — Das Chor der Geiſter wo Fauſt einſchlummert, herrlich! man hört den Polen durch, ein Deutſcher hätt' es nicht ſo angefangen, um ſo reizender. Es muß ſo leicht vorge- tragen werden wie fliegende Spinnweb in den Som- merabenden. Zelter iſt manchmal bei uns, ich ſuche heraus zu bringen was er iſt. Ungeſchliffen iſt er zwar, Recht und Unrecht hat er auch, Dich lieb zu haben behauptet er auch, er möchte der Welt dienen und führt Klage, daß ſie ſich's nicht will gefallen laſſen und daß er alle Weisheit für ſich behalten muß. Einen Standpunkt hat er ſich erwählt von dem aus er ſie von oben herab beſchaut. Und der Welt iſt's einerlei, daß er mit den Krähen auf der Zinne ſitzt und ſie ſich auf ihren Ge- meinplätzen tummeln ſieht. An der Liedertafel iſt er Cäſar und freut ſich ſeiner Siege; in der Singacademie iſt er Napoleon und jagt durch ſein Machtwort alles in Schrecken, und ſeine Truppen gehen mit Zuverſicht durch Dick und Dünn; zum Glück iſt geſungen nicht gehauen und geſtochen. Seine Leibgarde der Baß hat den Katharr. In der Welt in der Geſellſchaft und auf Reiſen da iſt er Goethe, und zwar ein recht menſchli- cher voll herablaſſender Güte, er wandelt, er ſteht, wirft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/292
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/292>, abgerufen am 23.04.2024.