Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

sionen über Musik interessant, so nenne ich diese gestei-
gerten Anschauungen deines Köpfchens die zugleich den
Vorzug haben auch den Reiz dafür zu steigern.

Damals schickte ich ein Blättchen an Dich meiner
Mutter, ich weiß nicht ob Du es erhalten hast. Diese
Gute ist nun von uns gegangen, und ich begreife wohl
wie Frankfurt Dir dadurch verödet ist. -- Alles was
Du mittheilen willst über Herz und Sinn der Mutter,
und über die Liebe mit der Du es aufzunehmen ver-
stehst, ist mir erfreulich. Es ist das seltenste und da-
her wohl auch das köstlichste zu nennen, wenn eine so
gegenseitige Auffassung und Hingebung immer die rechte
Wirkung thut; immer etwas bildet was dem nächsten
Schritt im Leben zu gut kommt, wie denn durch eine
glückliche Übereinstimmung des Augenblicks gewiß am
lebendigsten auf die Zukunft gewirkt ist, und so glaub
ich Dir gern wenn Du mir sagst, welche reiche Lebens-
quelle Dir in diesem deinen Eigenheiten sich so willig
hingebenden Leben versiegt ist; auch mir war sie dies, in
ihrem Überleben aller anderen Zeugen meiner Jugend-
jahre bewieß sie, daß ihre Natur keiner andern Rich-
tung bedurfte als zu pflegen und zu lieben was Ge-
schick und Neigung ihr anvertraut hatten; ich habe in
der Zeit nach ihrem Tode viele ihrer Briefe durchlesen,

ſionen über Muſik intereſſant, ſo nenne ich dieſe geſtei-
gerten Anſchauungen deines Köpfchens die zugleich den
Vorzug haben auch den Reiz dafür zu ſteigern.

Damals ſchickte ich ein Blättchen an Dich meiner
Mutter, ich weiß nicht ob Du es erhalten haſt. Dieſe
Gute iſt nun von uns gegangen, und ich begreife wohl
wie Frankfurt Dir dadurch verödet iſt. — Alles was
Du mittheilen willſt über Herz und Sinn der Mutter,
und über die Liebe mit der Du es aufzunehmen ver-
ſtehſt, iſt mir erfreulich. Es iſt das ſeltenſte und da-
her wohl auch das köſtlichſte zu nennen, wenn eine ſo
gegenſeitige Auffaſſung und Hingebung immer die rechte
Wirkung thut; immer etwas bildet was dem nächſten
Schritt im Leben zu gut kommt, wie denn durch eine
glückliche Übereinſtimmung des Augenblicks gewiß am
lebendigſten auf die Zukunft gewirkt iſt, und ſo glaub
ich Dir gern wenn Du mir ſagſt, welche reiche Lebens-
quelle Dir in dieſem deinen Eigenheiten ſich ſo willig
hingebenden Leben verſiegt iſt; auch mir war ſie dies, in
ihrem Überleben aller anderen Zeugen meiner Jugend-
jahre bewieß ſie, daß ihre Natur keiner andern Rich-
tung bedurfte als zu pflegen und zu lieben was Ge-
ſchick und Neigung ihr anvertraut hatten; ich habe in
der Zeit nach ihrem Tode viele ihrer Briefe durchleſen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="23"/>
&#x017F;ionen über Mu&#x017F;ik intere&#x017F;&#x017F;ant, &#x017F;o nenne ich die&#x017F;e ge&#x017F;tei-<lb/>
gerten An&#x017F;chauungen deines Köpfchens die zugleich den<lb/>
Vorzug haben auch den Reiz dafür zu &#x017F;teigern.</p><lb/>
          <p>Damals &#x017F;chickte ich ein Blättchen an Dich meiner<lb/>
Mutter, ich weiß nicht ob Du es erhalten ha&#x017F;t. Die&#x017F;e<lb/>
Gute i&#x017F;t nun von uns gegangen, und ich begreife wohl<lb/>
wie Frankfurt Dir dadurch verödet i&#x017F;t. &#x2014; Alles was<lb/>
Du mittheilen will&#x017F;t über Herz und Sinn der Mutter,<lb/>
und über die Liebe mit der Du es aufzunehmen ver-<lb/>
&#x017F;teh&#x017F;t, i&#x017F;t mir erfreulich. Es i&#x017F;t das &#x017F;elten&#x017F;te und da-<lb/>
her wohl auch das kö&#x017F;tlich&#x017F;te zu nennen, wenn eine &#x017F;o<lb/>
gegen&#x017F;eitige Auffa&#x017F;&#x017F;ung und Hingebung immer die rechte<lb/>
Wirkung thut; immer etwas bildet was dem näch&#x017F;ten<lb/>
Schritt im Leben zu gut kommt, wie denn durch eine<lb/>
glückliche Überein&#x017F;timmung des Augenblicks gewiß am<lb/>
lebendig&#x017F;ten auf die Zukunft gewirkt i&#x017F;t, und &#x017F;o glaub<lb/>
ich Dir gern wenn Du mir &#x017F;ag&#x017F;t, welche reiche Lebens-<lb/>
quelle Dir in die&#x017F;em deinen Eigenheiten &#x017F;ich &#x017F;o willig<lb/>
hingebenden Leben ver&#x017F;iegt i&#x017F;t; auch mir war &#x017F;ie dies, in<lb/>
ihrem Überleben aller anderen Zeugen meiner Jugend-<lb/>
jahre bewieß &#x017F;ie, daß ihre Natur keiner andern Rich-<lb/>
tung bedurfte als zu pflegen und zu lieben was Ge-<lb/>
&#x017F;chick und Neigung ihr anvertraut hatten; ich habe in<lb/>
der Zeit nach ihrem Tode viele ihrer Briefe durchle&#x017F;en,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0033] ſionen über Muſik intereſſant, ſo nenne ich dieſe geſtei- gerten Anſchauungen deines Köpfchens die zugleich den Vorzug haben auch den Reiz dafür zu ſteigern. Damals ſchickte ich ein Blättchen an Dich meiner Mutter, ich weiß nicht ob Du es erhalten haſt. Dieſe Gute iſt nun von uns gegangen, und ich begreife wohl wie Frankfurt Dir dadurch verödet iſt. — Alles was Du mittheilen willſt über Herz und Sinn der Mutter, und über die Liebe mit der Du es aufzunehmen ver- ſtehſt, iſt mir erfreulich. Es iſt das ſeltenſte und da- her wohl auch das köſtlichſte zu nennen, wenn eine ſo gegenſeitige Auffaſſung und Hingebung immer die rechte Wirkung thut; immer etwas bildet was dem nächſten Schritt im Leben zu gut kommt, wie denn durch eine glückliche Übereinſtimmung des Augenblicks gewiß am lebendigſten auf die Zukunft gewirkt iſt, und ſo glaub ich Dir gern wenn Du mir ſagſt, welche reiche Lebens- quelle Dir in dieſem deinen Eigenheiten ſich ſo willig hingebenden Leben verſiegt iſt; auch mir war ſie dies, in ihrem Überleben aller anderen Zeugen meiner Jugend- jahre bewieß ſie, daß ihre Natur keiner andern Rich- tung bedurfte als zu pflegen und zu lieben was Ge- ſchick und Neigung ihr anvertraut hatten; ich habe in der Zeit nach ihrem Tode viele ihrer Briefe durchleſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/33
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/33>, abgerufen am 25.04.2024.