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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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So tretet denn ihr steilen Berge, ihr schroffen Fels-
wände, ihr kecken, racheglühenden Schützen, ihr verwü-
steten Thale und rauchenden Wohnungen bescheiden zu-
rück in den Hintergrund und überlaßt mich einer unge-
messenen Freude die elektrische Kette die den Funken
von Ihm bis zu mir leitet zu berühren, und unzählige
Mal nehm ich ihn in mich auf, Schlag auf Schlag,
diesen Funken der Lust. -- Ein großes Herz, hoch über
den Schrecken der Zeit, neigt sich herab zu meinem Her-
zen. Wie der silberne Faden sich niederschlängelt in's
Thal zwischen hinabgrünenden Matten und blühenden
Büschen (denn wir haben ja Mai), und sich unten
sammlet und im Spiegel mir mein Bild zeigt, so leiten
deine freundlichen Worte hinab zu mir das schöne Be-
wußtsein, aufbewahrt zu sein im Heiligthum deiner Er-
innerungen, deiner Gefühle; so wag ich's zu glauben,
da dieser Glaube mir den Frieden giebt. --

O, lieber Freund, während Du Dich abwendest
vor dem Unheil trüber Zeit, in einsamer Höhe Geschicke
bildest, und mit scharfen Sinnen sie lenkest, daß sie ih-
rem Glück nicht entgehen, denn sicher ist dies schöne
Buch, welches Du Dir zum Trost über alles traurige
erfindest, ein Schatz köstlicher Genüsse, wo Du in feinen
Organisationen und großen Anlagen der Charaktere

So tretet denn ihr ſteilen Berge, ihr ſchroffen Fels-
wände, ihr kecken, racheglühenden Schützen, ihr verwü-
ſteten Thale und rauchenden Wohnungen beſcheiden zu-
rück in den Hintergrund und überlaßt mich einer unge-
meſſenen Freude die elektriſche Kette die den Funken
von Ihm bis zu mir leitet zu berühren, und unzählige
Mal nehm ich ihn in mich auf, Schlag auf Schlag,
dieſen Funken der Luſt. — Ein großes Herz, hoch über
den Schrecken der Zeit, neigt ſich herab zu meinem Her-
zen. Wie der ſilberne Faden ſich niederſchlängelt in's
Thal zwiſchen hinabgrünenden Matten und blühenden
Büſchen (denn wir haben ja Mai), und ſich unten
ſammlet und im Spiegel mir mein Bild zeigt, ſo leiten
deine freundlichen Worte hinab zu mir das ſchöne Be-
wußtſein, aufbewahrt zu ſein im Heiligthum deiner Er-
innerungen, deiner Gefühle; ſo wag ich's zu glauben,
da dieſer Glaube mir den Frieden giebt. —

O, lieber Freund, während Du Dich abwendeſt
vor dem Unheil trüber Zeit, in einſamer Höhe Geſchicke
bildeſt, und mit ſcharfen Sinnen ſie lenkeſt, daß ſie ih-
rem Glück nicht entgehen, denn ſicher iſt dies ſchöne
Buch, welches Du Dir zum Troſt über alles traurige
erfindeſt, ein Schatz köſtlicher Genüſſe, wo Du in feinen
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[68/0078] So tretet denn ihr ſteilen Berge, ihr ſchroffen Fels- wände, ihr kecken, racheglühenden Schützen, ihr verwü- ſteten Thale und rauchenden Wohnungen beſcheiden zu- rück in den Hintergrund und überlaßt mich einer unge- meſſenen Freude die elektriſche Kette die den Funken von Ihm bis zu mir leitet zu berühren, und unzählige Mal nehm ich ihn in mich auf, Schlag auf Schlag, dieſen Funken der Luſt. — Ein großes Herz, hoch über den Schrecken der Zeit, neigt ſich herab zu meinem Her- zen. Wie der ſilberne Faden ſich niederſchlängelt in's Thal zwiſchen hinabgrünenden Matten und blühenden Büſchen (denn wir haben ja Mai), und ſich unten ſammlet und im Spiegel mir mein Bild zeigt, ſo leiten deine freundlichen Worte hinab zu mir das ſchöne Be- wußtſein, aufbewahrt zu ſein im Heiligthum deiner Er- innerungen, deiner Gefühle; ſo wag ich's zu glauben, da dieſer Glaube mir den Frieden giebt. — O, lieber Freund, während Du Dich abwendeſt vor dem Unheil trüber Zeit, in einſamer Höhe Geſchicke bildeſt, und mit ſcharfen Sinnen ſie lenkeſt, daß ſie ih- rem Glück nicht entgehen, denn ſicher iſt dies ſchöne Buch, welches Du Dir zum Troſt über alles traurige erfindeſt, ein Schatz köſtlicher Genüſſe, wo Du in feinen Organiſationen und großen Anlagen der Charaktere

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/78>, abgerufen am 19.04.2024.