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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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kam ich zu Dir, Du nahmst mich vor Dich an die Brust,
und schlugst die Arme um mich in Deinen Mantel mich
einhüllend. Da standen wir im leisen Regen, der sich
durch das dickbelaubte Gezweig stahl, daß hie und da
die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die
Wetter von Osten und Westen, wenig wurde geredet.
Wir waren einsylbig. -- "Es wird sich verziehen jen-
seits," so sagtest Du, "wenn es nur nicht da unten so
schwarz herauf käme." -- Und die Schaaren der Wol-
ken ritten am Horizont herauf, -- es ward dunkel, --
der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine
linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte
das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un-
terwegs gesammelt hatte. -- "Sieh, dort giebt's Krieg!
-- diese werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und
Erfahrungen im Wetter nicht trügen, so haben wir ihrer
Streitsucht den Frieden zu danken." -- Kaum hattest
Du diese Worte ausgesagt so blitzte es und brach wie
von allen Seiten der Donner los; -- ich sah über mich
und streckte die Arme nach Dir, Du beugtest Dich über
mein Gesicht und legtest Deinen Mund auf meinen,
und die Donner krachten, prallten aneinander, stürzten
von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leise rollend
flüchteten sie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. --

kam ich zu Dir, Du nahmſt mich vor Dich an die Bruſt,
und ſchlugſt die Arme um mich in Deinen Mantel mich
einhüllend. Da ſtanden wir im leiſen Regen, der ſich
durch das dickbelaubte Gezweig ſtahl, daß hie und da
die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die
Wetter von Oſten und Weſten, wenig wurde geredet.
Wir waren einſylbig. — „Es wird ſich verziehen jen-
ſeits,“ ſo ſagteſt Du, „wenn es nur nicht da unten ſo
ſchwarz herauf käme.“ — Und die Schaaren der Wol-
ken ritten am Horizont herauf, — es ward dunkel, —
der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine
linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte
das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un-
terwegs geſammelt hatte. — „Sieh, dort giebt's Krieg!
— dieſe werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und
Erfahrungen im Wetter nicht trügen, ſo haben wir ihrer
Streitſucht den Frieden zu danken.“ — Kaum hatteſt
Du dieſe Worte ausgeſagt ſo blitzte es und brach wie
von allen Seiten der Donner los; — ich ſah über mich
und ſtreckte die Arme nach Dir, Du beugteſt Dich über
mein Geſicht und legteſt Deinen Mund auf meinen,
und die Donner krachten, prallten aneinander, ſtürzten
von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leiſe rollend
flüchteten ſie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. —

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[235/0245] kam ich zu Dir, Du nahmſt mich vor Dich an die Bruſt, und ſchlugſt die Arme um mich in Deinen Mantel mich einhüllend. Da ſtanden wir im leiſen Regen, der ſich durch das dickbelaubte Gezweig ſtahl, daß hie und da die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die Wetter von Oſten und Weſten, wenig wurde geredet. Wir waren einſylbig. — „Es wird ſich verziehen jen- ſeits,“ ſo ſagteſt Du, „wenn es nur nicht da unten ſo ſchwarz herauf käme.“ — Und die Schaaren der Wol- ken ritten am Horizont herauf, — es ward dunkel, — der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un- terwegs geſammelt hatte. — „Sieh, dort giebt's Krieg! — dieſe werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und Erfahrungen im Wetter nicht trügen, ſo haben wir ihrer Streitſucht den Frieden zu danken.“ — Kaum hatteſt Du dieſe Worte ausgeſagt ſo blitzte es und brach wie von allen Seiten der Donner los; — ich ſah über mich und ſtreckte die Arme nach Dir, Du beugteſt Dich über mein Geſicht und legteſt Deinen Mund auf meinen, und die Donner krachten, prallten aneinander, ſtürzten von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leiſe rollend flüchteten ſie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. —

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/245>, abgerufen am 19.04.2024.