Diese Worte habe ich als Inschrift des Monu- ments erwählt. Was der Liebende Die zuruft Goethe, es bleibt nicht ohne Antwort. Du belehrst, Du er- freust, Du durchdringst, Du machst fühlbar, daß das Wort Fleisch annimmt in des Liebenden Herz.
Wie der Ton hervorbricht aus dem Nichts, und wieder hinein verhallt, der das Wort trug was nie verhallt, was in der Seele klingt und alle verwand- ten Harmonieen aufruft: so bricht auch die Begeiste- rung hervor aus dem Nichts, und trägt das Wort in's Fleisch und verhallt dann wieder. -- Der Geist aber, der sich vermählt mit der Weisheit des Wortes, wie jene himmlischen Kräfte sich im Boden vermählen mit dem Saamen aus dessen Blumen sie im Duft wie- der aufsteigen zu ihrem Erzeuger, der wird auch em- porsteigen und ihm wird Antwort ertönen vom himm- lischen Äther herab.
Der Zug der Lüfte, die auch aufseufzen und da- herbrausen wie die Sehnsucht, von denen wir nicht wissen von wannen, die haben auch keine Gestalt; sie können nicht sagen: das bin ich oder das ist mein! -- aber der Athem der Gottheit durchströmt sie, der giebt ihnen Gestalt, denn er gebärt sie durch
Dieſes Fleiſch iſt Geiſt geworden.
Dieſe Worte habe ich als Inſchrift des Monu- ments erwählt. Was der Liebende Die zuruft Goethe, es bleibt nicht ohne Antwort. Du belehrſt, Du er- freuſt, Du durchdringſt, Du machſt fühlbar, daß das Wort Fleiſch annimmt in des Liebenden Herz.
Wie der Ton hervorbricht aus dem Nichts, und wieder hinein verhallt, der das Wort trug was nie verhallt, was in der Seele klingt und alle verwand- ten Harmonieen aufruft: ſo bricht auch die Begeiſte- rung hervor aus dem Nichts, und trägt das Wort in's Fleiſch und verhallt dann wieder. — Der Geiſt aber, der ſich vermählt mit der Weisheit des Wortes, wie jene himmliſchen Kräfte ſich im Boden vermählen mit dem Saamen aus deſſen Blumen ſie im Duft wie- der aufſteigen zu ihrem Erzeuger, der wird auch em- porſteigen und ihm wird Antwort ertönen vom himm- liſchen Äther herab.
Der Zug der Lüfte, die auch aufſeufzen und da- herbrauſen wie die Sehnſucht, von denen wir nicht wiſſen von wannen, die haben auch keine Geſtalt; ſie können nicht ſagen: das bin ich oder das iſt mein! — aber der Athem der Gottheit durchſtrömt ſie, der giebt ihnen Geſtalt, denn er gebärt ſie durch
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Dieſes Fleiſch iſt Geiſt geworden.
Dieſe Worte habe ich als Inſchrift des Monu-
ments erwählt. Was der Liebende Die zuruft Goethe,
es bleibt nicht ohne Antwort. Du belehrſt, Du er-
freuſt, Du durchdringſt, Du machſt fühlbar, daß das
Wort Fleiſch annimmt in des Liebenden Herz.
Wie der Ton hervorbricht aus dem Nichts, und
wieder hinein verhallt, der das Wort trug was nie
verhallt, was in der Seele klingt und alle verwand-
ten Harmonieen aufruft: ſo bricht auch die Begeiſte-
rung hervor aus dem Nichts, und trägt das Wort
in's Fleiſch und verhallt dann wieder. — Der Geiſt
aber, der ſich vermählt mit der Weisheit des Wortes,
wie jene himmliſchen Kräfte ſich im Boden vermählen
mit dem Saamen aus deſſen Blumen ſie im Duft wie-
der aufſteigen zu ihrem Erzeuger, der wird auch em-
porſteigen und ihm wird Antwort ertönen vom himm-
liſchen Äther herab.
Der Zug der Lüfte, die auch aufſeufzen und da-
herbrauſen wie die Sehnſucht, von denen wir nicht
wiſſen von wannen, die haben auch keine Geſtalt;
ſie können nicht ſagen: das bin ich oder das iſt
mein! — aber der Athem der Gottheit durchſtrömt
ſie, der giebt ihnen Geſtalt, denn er gebärt ſie durch
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/252>, abgerufen am 04.03.2021.
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