Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

am Sonntag von Frankfurt bis Hanau im Wa¬
gen zusammen geredet haben; -- wer von uns bei¬
den zuerst sterben wird. Jetzt bin ich schon acht
Tag hier, unser Gespräch klingt noch immer nach
in mir. "Es giebt ja noch Raum außer dieser klei¬
nen Tags- und Weltgeschichte, in dem die Seel ih¬
ren Durst, selbst etwas zu sein, löschen dürfe," sag¬
test Du. -- Da hab ich aber gefühlt, und fühls eben
wieder und immer: wenn Du nicht wärst, was wär
mir die ganze Welt? -- kein Urtheil, kein Mensch ver¬
mag über mich, aber Du! -- auch bin ich gestorben
schon jetzt, wenn Du mich nicht auferstehen heißest und
willst mit mir leben immerfort; ich fühls recht, mein
Leben ist blos aufgewacht, weil Du mir riefst, und
wird sterben müssen, wenn es nicht in Dir kann fort¬
gedeihen. -- Frei sein willst Du, hast Du gesagt? --
ich will nicht frei sein, ich will Wurzel fassen in Dir --
eine Waldrose, die im eignen Duft sich erquicke, will
die der Sonne sich schon öffnen und der Boden löst
sich von ihrer Wurzel, dann ists aus. -- Ja mein Le¬
ben ist unsicher; ohne Deine Liebe, in die es einge¬
pflanzt ist, wirds gewiß nicht aufblühen und mir ists
eben so durch den Kopf gefahren, als ob Du mich ver¬
gessen könntest, es ist aber vielleicht nur weils Wetter

1*

am Sonntag von Frankfurt bis Hanau im Wa¬
gen zuſammen geredet haben; — wer von uns bei¬
den zuerſt ſterben wird. Jetzt bin ich ſchon acht
Tag hier, unſer Geſpräch klingt noch immer nach
in mir. „Es giebt ja noch Raum außer dieſer klei¬
nen Tags- und Weltgeſchichte, in dem die Seel ih¬
ren Durſt, ſelbſt etwas zu ſein, löſchen dürfe,“ ſag¬
teſt Du. — Da hab ich aber gefühlt, und fühls eben
wieder und immer: wenn Du nicht wärſt, was wär
mir die ganze Welt? — kein Urtheil, kein Menſch ver¬
mag über mich, aber Du! — auch bin ich geſtorben
ſchon jetzt, wenn Du mich nicht auferſtehen heißeſt und
willſt mit mir leben immerfort; ich fühls recht, mein
Leben iſt blos aufgewacht, weil Du mir riefſt, und
wird ſterben müſſen, wenn es nicht in Dir kann fort¬
gedeihen. — Frei ſein willſt Du, haſt Du geſagt? —
ich will nicht frei ſein, ich will Wurzel faſſen in Dir —
eine Waldroſe, die im eignen Duft ſich erquicke, will
die der Sonne ſich ſchon öffnen und der Boden löſt
ſich von ihrer Wurzel, dann iſts aus. — Ja mein Le¬
ben iſt unſicher; ohne Deine Liebe, in die es einge¬
pflanzt iſt, wirds gewiß nicht aufblühen und mir iſts
eben ſo durch den Kopf gefahren, als ob Du mich ver¬
geſſen könnteſt, es iſt aber vielleicht nur weils Wetter

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="3"/>
am Sonntag von Frankfurt bis Hanau im Wa¬<lb/>
gen zu&#x017F;ammen geredet haben; &#x2014; wer von uns bei¬<lb/>
den zuer&#x017F;t &#x017F;terben wird. Jetzt bin ich &#x017F;chon acht<lb/>
Tag hier, un&#x017F;er Ge&#x017F;präch klingt noch immer nach<lb/>
in mir. &#x201E;Es giebt ja noch Raum außer die&#x017F;er klei¬<lb/>
nen Tags- und Weltge&#x017F;chichte, in dem die Seel ih¬<lb/>
ren Dur&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t etwas zu &#x017F;ein, lö&#x017F;chen dürfe,&#x201C; &#x017F;ag¬<lb/>
te&#x017F;t Du. &#x2014; Da hab ich aber gefühlt, und fühls eben<lb/>
wieder und immer: wenn Du nicht wär&#x017F;t, was wär<lb/>
mir die ganze Welt? &#x2014; kein Urtheil, kein Men&#x017F;ch ver¬<lb/>
mag über mich, aber Du! &#x2014; auch bin ich ge&#x017F;torben<lb/>
&#x017F;chon jetzt, wenn Du mich nicht aufer&#x017F;tehen heiße&#x017F;t und<lb/>
will&#x017F;t mit mir leben immerfort; ich fühls recht, mein<lb/>
Leben i&#x017F;t blos aufgewacht, weil Du mir rief&#x017F;t, und<lb/>
wird &#x017F;terben mü&#x017F;&#x017F;en, wenn es nicht in Dir kann fort¬<lb/>
gedeihen. &#x2014; Frei &#x017F;ein will&#x017F;t Du, ha&#x017F;t Du ge&#x017F;agt? &#x2014;<lb/>
ich will nicht frei &#x017F;ein, ich will Wurzel fa&#x017F;&#x017F;en in Dir &#x2014;<lb/>
eine Waldro&#x017F;e, die im eignen Duft &#x017F;ich erquicke, will<lb/>
die der Sonne &#x017F;ich &#x017F;chon öffnen und der Boden lö&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich von ihrer Wurzel, dann i&#x017F;ts aus. &#x2014; Ja mein Le¬<lb/>
ben i&#x017F;t un&#x017F;icher; ohne Deine Liebe, in die es einge¬<lb/>
pflanzt i&#x017F;t, wirds gewiß nicht aufblühen und mir i&#x017F;ts<lb/>
eben &#x017F;o durch den Kopf gefahren, als ob Du mich ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en könnte&#x017F;t, es i&#x017F;t aber vielleicht nur weils Wetter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0019] am Sonntag von Frankfurt bis Hanau im Wa¬ gen zuſammen geredet haben; — wer von uns bei¬ den zuerſt ſterben wird. Jetzt bin ich ſchon acht Tag hier, unſer Geſpräch klingt noch immer nach in mir. „Es giebt ja noch Raum außer dieſer klei¬ nen Tags- und Weltgeſchichte, in dem die Seel ih¬ ren Durſt, ſelbſt etwas zu ſein, löſchen dürfe,“ ſag¬ teſt Du. — Da hab ich aber gefühlt, und fühls eben wieder und immer: wenn Du nicht wärſt, was wär mir die ganze Welt? — kein Urtheil, kein Menſch ver¬ mag über mich, aber Du! — auch bin ich geſtorben ſchon jetzt, wenn Du mich nicht auferſtehen heißeſt und willſt mit mir leben immerfort; ich fühls recht, mein Leben iſt blos aufgewacht, weil Du mir riefſt, und wird ſterben müſſen, wenn es nicht in Dir kann fort¬ gedeihen. — Frei ſein willſt Du, haſt Du geſagt? — ich will nicht frei ſein, ich will Wurzel faſſen in Dir — eine Waldroſe, die im eignen Duft ſich erquicke, will die der Sonne ſich ſchon öffnen und der Boden löſt ſich von ihrer Wurzel, dann iſts aus. — Ja mein Le¬ ben iſt unſicher; ohne Deine Liebe, in die es einge¬ pflanzt iſt, wirds gewiß nicht aufblühen und mir iſts eben ſo durch den Kopf gefahren, als ob Du mich ver¬ geſſen könnteſt, es iſt aber vielleicht nur weils Wetter 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/19
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/19>, abgerufen am 19.04.2024.