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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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gefügt, noch unreif, blendend weiß, da mein ich immer,
ich müßt mit Gewalt wissen lernen was alle diese
Formen sprechen, denn gewiß ists, alles geschaffene
ist durch den heiligen Geist erzeugt. Es ist unmöglich
daß eine Form sei, sie ist denn durch Gottes Wort,
Es Werde, hervorgegangen. Nun, was durch den ewi¬
gen Erzeugungswillen hervorgeht das muß doch eine
Selbstsprache haben, das muß sich nemlich aussprechen
und sich auch beantworten. Dein Leben muß doch eine
Sprache führen, denn sonst ist es ja nichts. Also wen
Gott liebt mit dem führt er Gespräche, also blos Liebes¬
gespräche, -- ja was ist auch Gespräch als blos die
Liebe, -- so ist denn alle Form in der Natur ein Aus¬
druck der Liebe. Die Sprach der Lieb ist also Sprach
Gottes. Gott ist der Liebende -- ist denn Gott persön¬
lich? -- hat er ein Antlitz? -- kann ich ihm die Hand
reichen? -- wo find ich ihn, daß ich Liebesgespräch mit
ihm führ. -- Meine Lieb zu Menschen ist Mitleid, ich
muß um sie trauren daß es so und nicht anders ist. --
Liebe ist glaub ich nur Göttergespräch. -- Weil ich
weiß daß ich alles weiß, nur kann ichs nicht finden, so
such ich alles in mir, das ist ein Gespräch mit Gott.
Das ist also Liebesgespräch, wenn ich mich aufs Gesicht

gefügt, noch unreif, blendend weiß, da mein ich immer,
ich müßt mit Gewalt wiſſen lernen was alle dieſe
Formen ſprechen, denn gewiß iſts, alles geſchaffene
iſt durch den heiligen Geiſt erzeugt. Es iſt unmöglich
daß eine Form ſei, ſie iſt denn durch Gottes Wort,
Es Werde, hervorgegangen. Nun, was durch den ewi¬
gen Erzeugungswillen hervorgeht das muß doch eine
Selbſtſprache haben, das muß ſich nemlich ausſprechen
und ſich auch beantworten. Dein Leben muß doch eine
Sprache führen, denn ſonſt iſt es ja nichts. Alſo wen
Gott liebt mit dem führt er Geſpräche, alſo blos Liebes¬
geſpräche, — ja was iſt auch Geſpräch als blos die
Liebe, — ſo iſt denn alle Form in der Natur ein Aus¬
druck der Liebe. Die Sprach der Lieb iſt alſo Sprach
Gottes. Gott iſt der Liebende — iſt denn Gott perſön¬
lich? — hat er ein Antlitz? — kann ich ihm die Hand
reichen? — wo find ich ihn, daß ich Liebesgeſpräch mit
ihm führ. — Meine Lieb zu Menſchen iſt Mitleid, ich
muß um ſie trauren daß es ſo und nicht anders iſt. —
Liebe iſt glaub ich nur Göttergeſpräch. — Weil ich
weiß daß ich alles weiß, nur kann ichs nicht finden, ſo
ſuch ich alles in mir, das iſt ein Geſpräch mit Gott.
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[362/0378] gefügt, noch unreif, blendend weiß, da mein ich immer, ich müßt mit Gewalt wiſſen lernen was alle dieſe Formen ſprechen, denn gewiß iſts, alles geſchaffene iſt durch den heiligen Geiſt erzeugt. Es iſt unmöglich daß eine Form ſei, ſie iſt denn durch Gottes Wort, Es Werde, hervorgegangen. Nun, was durch den ewi¬ gen Erzeugungswillen hervorgeht das muß doch eine Selbſtſprache haben, das muß ſich nemlich ausſprechen und ſich auch beantworten. Dein Leben muß doch eine Sprache führen, denn ſonſt iſt es ja nichts. Alſo wen Gott liebt mit dem führt er Geſpräche, alſo blos Liebes¬ geſpräche, — ja was iſt auch Geſpräch als blos die Liebe, — ſo iſt denn alle Form in der Natur ein Aus¬ druck der Liebe. Die Sprach der Lieb iſt alſo Sprach Gottes. Gott iſt der Liebende — iſt denn Gott perſön¬ lich? — hat er ein Antlitz? — kann ich ihm die Hand reichen? — wo find ich ihn, daß ich Liebesgeſpräch mit ihm führ. — Meine Lieb zu Menſchen iſt Mitleid, ich muß um ſie trauren daß es ſo und nicht anders iſt. — Liebe iſt glaub ich nur Göttergeſpräch. — Weil ich weiß daß ich alles weiß, nur kann ichs nicht finden, ſo ſuch ich alles in mir, das iſt ein Geſpräch mit Gott. Das iſt alſo Liebesgeſpräch, wenn ich mich aufs Geſicht

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/378>, abgerufen am 24.04.2024.