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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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Dich aber fleh' ich an, Erinnerung!
O Göttin! die den Gram um Freuden tauschet,
Und wie ein Lilienduft mit leisem Schwung
Durch die Verzweiflungsnacht zum Troste rauschet.
Nimm deinen Wanderstab und schlage kühn
Der stolzen Lethe Fluth, daß ihre Wellen
In Nichts verdürstend, ewig schüchtern fliehn,
Elysiums Strand nicht spottend mehr umschwellen.
Die Schatten jauchzen dann, im Götterglanz
Der Tugend Traum entfaltend, wie der Fehler Bürde,
Wo Lethe floß; umschwebt vom ewigen Tanz
Der Anmuthschwestern, in ihrer Selbstheit Würde.
Der Kuß im Traum.
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefes Schmachten,
Komm Dunkelheit mich traulich zu umnachten
Daß neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb ich ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten
Weil mir die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren diese heißen Gluthen.
Drum birg dich Tag, dem Leuchten irrd'scher Sonnen,
Hüll dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
Dich aber fleh' ich an, Erinnerung!
O Göttin! die den Gram um Freuden tauſchet,
Und wie ein Lilienduft mit leiſem Schwung
Durch die Verzweiflungsnacht zum Troſte rauſchet.
Nimm deinen Wanderſtab und ſchlage kühn
Der ſtolzen Lethe Fluth, daß ihre Wellen
In Nichts verdürſtend, ewig ſchüchtern fliehn,
Elyſiums Strand nicht ſpottend mehr umſchwellen.
Die Schatten jauchzen dann, im Götterglanz
Der Tugend Traum entfaltend, wie der Fehler Bürde,
Wo Lethe floß; umſchwebt vom ewigen Tanz
Der Anmuthſchweſtern, in ihrer Selbſtheit Würde.
Der Kuß im Traum.
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Geſtillet meines Buſens tiefes Schmachten,
Komm Dunkelheit mich traulich zu umnachten
Daß neue Wonne meine Lippe ſaugt.
In Träume war ſolch Leben eingetaucht,
Drum leb ich ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten
Weil mir die Nacht ſo ſüßen Balſam haucht.
Der Tag iſt karg an liebeſüßen Wonnen,
Es ſchmerzt mich ſeines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren dieſe heißen Gluthen.
Drum birg dich Tag, dem Leuchten irrd'ſcher Sonnen,
Hüll dich in Nacht, ſie ſtillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
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[410/0426] Dich aber fleh' ich an, Erinnerung! O Göttin! die den Gram um Freuden tauſchet, Und wie ein Lilienduft mit leiſem Schwung Durch die Verzweiflungsnacht zum Troſte rauſchet. Nimm deinen Wanderſtab und ſchlage kühn Der ſtolzen Lethe Fluth, daß ihre Wellen In Nichts verdürſtend, ewig ſchüchtern fliehn, Elyſiums Strand nicht ſpottend mehr umſchwellen. Die Schatten jauchzen dann, im Götterglanz Der Tugend Traum entfaltend, wie der Fehler Bürde, Wo Lethe floß; umſchwebt vom ewigen Tanz Der Anmuthſchweſtern, in ihrer Selbſtheit Würde. Der Kuß im Traum. Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht, Geſtillet meines Buſens tiefes Schmachten, Komm Dunkelheit mich traulich zu umnachten Daß neue Wonne meine Lippe ſaugt. In Träume war ſolch Leben eingetaucht, Drum leb ich ewig Träume zu betrachten, Kann aller andern Freuden Glanz verachten Weil mir die Nacht ſo ſüßen Balſam haucht. Der Tag iſt karg an liebeſüßen Wonnen, Es ſchmerzt mich ſeines Lichtes eitles Prangen Und mich verzehren dieſe heißen Gluthen. Drum birg dich Tag, dem Leuchten irrd'ſcher Sonnen, Hüll dich in Nacht, ſie ſtillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/426>, abgerufen am 25.04.2024.