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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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Dem ich mich gebe in der Liebe Bande
Wird Alles, wird mein ganzes Wesen sein.

Violetta.
Giebt's keine Liebe denn, die dich bezwinge?

Narziß.

Ich liebe Menschen nicht, und nicht die Dinge,
Ihr Schönes nur, -- und bin mir so getreu.
Ja Untreu' an mir selbst wär andre Treue,
Bereitete mir Unmuth, Zwist und Reue,
Mir bleibt nur so die Neigung immer frei.
Die Harmonie der inneren Gestalten
Zerstören nie die ordnenden Gewalten
Die für Verderbniß nur die Noth erfand. --
Drum laß mich, wie mich der Moment geboren.
In ew'gen Kreisen drehen sich die Horen;
Die Sterne wandeln ohne festen Stand,
Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder,
Des Lebens Strom, er woget auf und nieder
Und reißet mich in seinen Wirbeln fort.
Sieh alles Leben! es hat kein Bestehen,
Es ist ein ew'ges Wandern, Kommen, Gehen,
Lebend'ger Wandel! buntes, reges Streben!
O Strom! in dich ergießt sich all mein Leben!
Dir stürz ich zu! vergesse Land und Port!

3*

Dem ich mich gebe in der Liebe Bande
Wird Alles, wird mein ganzes Weſen ſein.

Violetta.
Giebt's keine Liebe denn, die dich bezwinge?

Narziß.

Ich liebe Menſchen nicht, und nicht die Dinge,
Ihr Schönes nur, — und bin mir ſo getreu.
Ja Untreu' an mir ſelbſt wär andre Treue,
Bereitete mir Unmuth, Zwiſt und Reue,
Mir bleibt nur ſo die Neigung immer frei.
Die Harmonie der inneren Geſtalten
Zerſtören nie die ordnenden Gewalten
Die für Verderbniß nur die Noth erfand. —
Drum laß mich, wie mich der Moment geboren.
In ew'gen Kreiſen drehen ſich die Horen;
Die Sterne wandeln ohne feſten Stand,
Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder,
Des Lebens Strom, er woget auf und nieder
Und reißet mich in ſeinen Wirbeln fort.
Sieh alles Leben! es hat kein Beſtehen,
Es iſt ein ew'ges Wandern, Kommen, Gehen,
Lebend'ger Wandel! buntes, reges Streben!
O Strom! in dich ergießt ſich all mein Leben!
Dir ſtürz ich zu! vergeſſe Land und Port!

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[51/0067] Dem ich mich gebe in der Liebe Bande Wird Alles, wird mein ganzes Weſen ſein. Violetta. Giebt's keine Liebe denn, die dich bezwinge? Narziß. Ich liebe Menſchen nicht, und nicht die Dinge, Ihr Schönes nur, — und bin mir ſo getreu. Ja Untreu' an mir ſelbſt wär andre Treue, Bereitete mir Unmuth, Zwiſt und Reue, Mir bleibt nur ſo die Neigung immer frei. Die Harmonie der inneren Geſtalten Zerſtören nie die ordnenden Gewalten Die für Verderbniß nur die Noth erfand. — Drum laß mich, wie mich der Moment geboren. In ew'gen Kreiſen drehen ſich die Horen; Die Sterne wandeln ohne feſten Stand, Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder, Des Lebens Strom, er woget auf und nieder Und reißet mich in ſeinen Wirbeln fort. Sieh alles Leben! es hat kein Beſtehen, Es iſt ein ew'ges Wandern, Kommen, Gehen, Lebend'ger Wandel! buntes, reges Streben! O Strom! in dich ergießt ſich all mein Leben! Dir ſtürz ich zu! vergeſſe Land und Port! 3*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/67>, abgerufen am 23.04.2024.