Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

glitzerte der fallende Schnee und verdampfte in seltsamen Luftgebilde.

Zu Hilfe! Rettet! Rettet! schrie Diethelm vom Schlitten springend, was steht ihr so müßig da? Rettet!

Wie aus dem Zauberbann erlös't, wendeten sich Alle plötzlich nach ihm und umringten ihn.

Es ist nichts zu helfen, sagte der Schmied, dein Haus ist an allen vier Ecken angegangen, eh' man's gewußt hat, und kein Mensch, als dein Medard, hat die Kloben aus der Spritze da 'rausgenommen. Wir können Nichts machen.

Wo ist der Medard? fragte Diethelm.

Das weiß kein Mensch, er hat sich heut vor Niemand sehen lassen, der hat gewiß angezündet und ist vielleicht im Haus verbrannt; die, wo zuerst kommen sind, sagen, sie hätten ihn schreien gehört.

Rettet! Rettet! schrie Diethelm und eilte nach dem Hause, aber von dorther kam eine Rachegestalt mit weißen Locken und zerfetzten Kleidern und warf sich auf Diethelm und wollte ihn erdrosseln.

Mordbrenner! Mordbrenner! kreischte der alte Schäferle mit schäumendem Munde, wo hast du mein Kind? Wo? Gieb mir mein Kind! Mordbrenner! Mein Kind! Mein gutes, braves Kind!

Mit Gewalt wurde der rasende alte Mann von Diethelm losgerissen, er hatte mehr als jugendliche Manneskraft und hielt Diethelm wie mit eisernen Banden umklammert, und Diethelm ächzte laut auf, denn der Schäferle hatte ihn grade an der Armwunde gefaßt, und als fräßen sich tausend schneidende Spitzen durch Mark und Knochen ein, so schmerzte bei der Berührung der Vaterhand der vom Sohne eingepreßte Biß. Das Blut rannte Diethelm von der Hand herab, als er losgemacht war, er taumelte halb besinnungslos umher, aber der Vetter stand ihm getreulich bei. Jetzt hörte man deutlich, woher das Wehklagen kam: die Schafe im Stall, dessen Eingangswand bereits in Flammen stand, blökten so

glitzerte der fallende Schnee und verdampfte in seltsamen Luftgebilde.

Zu Hilfe! Rettet! Rettet! schrie Diethelm vom Schlitten springend, was steht ihr so müßig da? Rettet!

Wie aus dem Zauberbann erlös't, wendeten sich Alle plötzlich nach ihm und umringten ihn.

Es ist nichts zu helfen, sagte der Schmied, dein Haus ist an allen vier Ecken angegangen, eh' man's gewußt hat, und kein Mensch, als dein Medard, hat die Kloben aus der Spritze da 'rausgenommen. Wir können Nichts machen.

Wo ist der Medard? fragte Diethelm.

Das weiß kein Mensch, er hat sich heut vor Niemand sehen lassen, der hat gewiß angezündet und ist vielleicht im Haus verbrannt; die, wo zuerst kommen sind, sagen, sie hätten ihn schreien gehört.

Rettet! Rettet! schrie Diethelm und eilte nach dem Hause, aber von dorther kam eine Rachegestalt mit weißen Locken und zerfetzten Kleidern und warf sich auf Diethelm und wollte ihn erdrosseln.

Mordbrenner! Mordbrenner! kreischte der alte Schäferle mit schäumendem Munde, wo hast du mein Kind? Wo? Gieb mir mein Kind! Mordbrenner! Mein Kind! Mein gutes, braves Kind!

Mit Gewalt wurde der rasende alte Mann von Diethelm losgerissen, er hatte mehr als jugendliche Manneskraft und hielt Diethelm wie mit eisernen Banden umklammert, und Diethelm ächzte laut auf, denn der Schäferle hatte ihn grade an der Armwunde gefaßt, und als fräßen sich tausend schneidende Spitzen durch Mark und Knochen ein, so schmerzte bei der Berührung der Vaterhand der vom Sohne eingepreßte Biß. Das Blut rannte Diethelm von der Hand herab, als er losgemacht war, er taumelte halb besinnungslos umher, aber der Vetter stand ihm getreulich bei. Jetzt hörte man deutlich, woher das Wehklagen kam: die Schafe im Stall, dessen Eingangswand bereits in Flammen stand, blökten so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="16">
        <p><pb facs="#f0112"/>
glitzerte der                fallende Schnee und verdampfte in seltsamen Luftgebilde.</p><lb/>
        <p>Zu Hilfe! Rettet! Rettet! schrie Diethelm vom Schlitten springend, was steht ihr so                müßig da? Rettet!</p><lb/>
        <p>Wie aus dem Zauberbann erlös't, wendeten sich Alle plötzlich nach ihm und umringten                ihn.</p><lb/>
        <p>Es ist nichts zu helfen, sagte der Schmied, dein Haus ist an allen vier Ecken                angegangen, eh' man's gewußt hat, und kein Mensch, als dein Medard, hat die Kloben                aus der Spritze da 'rausgenommen. Wir können Nichts machen.</p><lb/>
        <p>Wo ist der Medard? fragte Diethelm.</p><lb/>
        <p>Das weiß kein Mensch, er hat sich heut vor Niemand sehen lassen, der hat gewiß                angezündet und ist vielleicht im Haus verbrannt; die, wo zuerst kommen sind, sagen,                sie hätten ihn schreien gehört.</p><lb/>
        <p>Rettet! Rettet! schrie Diethelm und eilte nach dem Hause, aber von dorther kam eine                Rachegestalt mit weißen Locken und zerfetzten Kleidern und warf sich auf Diethelm und                wollte ihn erdrosseln.</p><lb/>
        <p>Mordbrenner! Mordbrenner! kreischte der alte Schäferle mit schäumendem Munde, wo hast                du mein Kind? Wo? Gieb mir mein Kind! Mordbrenner! Mein Kind! Mein gutes, braves                Kind!</p><lb/>
        <p>Mit Gewalt wurde der rasende alte Mann von Diethelm losgerissen, er hatte mehr als                jugendliche Manneskraft und hielt Diethelm wie mit eisernen Banden umklammert, und                Diethelm ächzte laut auf, denn der Schäferle hatte ihn grade an der Armwunde gefaßt,                und als fräßen sich tausend schneidende Spitzen durch Mark und Knochen ein, so                schmerzte bei der Berührung der Vaterhand der vom Sohne eingepreßte Biß. Das Blut                rannte Diethelm von der Hand herab, als er losgemacht war, er taumelte halb                besinnungslos umher, aber der Vetter stand ihm getreulich bei. Jetzt hörte man                deutlich, woher das Wehklagen kam: die Schafe im Stall, dessen Eingangswand bereits                in Flammen stand, blökten so<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0112] glitzerte der fallende Schnee und verdampfte in seltsamen Luftgebilde. Zu Hilfe! Rettet! Rettet! schrie Diethelm vom Schlitten springend, was steht ihr so müßig da? Rettet! Wie aus dem Zauberbann erlös't, wendeten sich Alle plötzlich nach ihm und umringten ihn. Es ist nichts zu helfen, sagte der Schmied, dein Haus ist an allen vier Ecken angegangen, eh' man's gewußt hat, und kein Mensch, als dein Medard, hat die Kloben aus der Spritze da 'rausgenommen. Wir können Nichts machen. Wo ist der Medard? fragte Diethelm. Das weiß kein Mensch, er hat sich heut vor Niemand sehen lassen, der hat gewiß angezündet und ist vielleicht im Haus verbrannt; die, wo zuerst kommen sind, sagen, sie hätten ihn schreien gehört. Rettet! Rettet! schrie Diethelm und eilte nach dem Hause, aber von dorther kam eine Rachegestalt mit weißen Locken und zerfetzten Kleidern und warf sich auf Diethelm und wollte ihn erdrosseln. Mordbrenner! Mordbrenner! kreischte der alte Schäferle mit schäumendem Munde, wo hast du mein Kind? Wo? Gieb mir mein Kind! Mordbrenner! Mein Kind! Mein gutes, braves Kind! Mit Gewalt wurde der rasende alte Mann von Diethelm losgerissen, er hatte mehr als jugendliche Manneskraft und hielt Diethelm wie mit eisernen Banden umklammert, und Diethelm ächzte laut auf, denn der Schäferle hatte ihn grade an der Armwunde gefaßt, und als fräßen sich tausend schneidende Spitzen durch Mark und Knochen ein, so schmerzte bei der Berührung der Vaterhand der vom Sohne eingepreßte Biß. Das Blut rannte Diethelm von der Hand herab, als er losgemacht war, er taumelte halb besinnungslos umher, aber der Vetter stand ihm getreulich bei. Jetzt hörte man deutlich, woher das Wehklagen kam: die Schafe im Stall, dessen Eingangswand bereits in Flammen stand, blökten so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/112
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/112>, abgerufen am 19.04.2024.