Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

thust, aber du wirst's bereuen, was du an mir gethan. Wenn ich mit meinem halben Leben deinen Medard wieder aufwecken könnte, ich thät's; und da schwör' ich's vor allen Leuten: ich laß' dir's nicht entgelten, ich will dir helfen, wo ich kann, du hast ja deinen Sohn verloren, und du könntest ja mein Vater sein, ich will mich dünken lassen, mein Vater lebt noch einmal.

Friedle, was hast du an uns than? klagte die Frau, und der Schäferle weinte, man sah es ihm an, wie weh es ihm that, ob dem was er angerichtet, zumal um den Schmerz der Frau Martha.

Selbst der Landjäger behandelte Diethelm mit Freundlichkeit und redete ihm Trost zu, daß Alles bald wieder aus sei.

Als Diethelm an dem Berge vorüberfuhr, auf dem nur noch ein Schutthaufen rauchte, stieß er einen Schmerzensschrei aus; dann schloß er die Augen wie zum Schlafe, aber seine Lippen bewegten sich stets, als spräche er; in der That stand er auch in Gedanken dem Untersuchungsrichter Red' und Antwort, und manchmal zuckte etwas wie ein Lächeln um seine Mundwinkel, wenn ihm eines der Beweismittel einfiel, das jeden Verdacht abwälzen mußte. Der Landjäger schaute oft verwundert in das Antlitz des Schlafenden, der nach so grauenvollen Ereignissen unter peinlicher Anklage so ruhig träumte. Als man der Stadt nahe war, schlug der Landjäger den Mantelkragen Diethelm's höher hinauf, setzte ihm die Pelzmütze tiefer ins Gesicht, und Diethelm dankte herzlich für die gutmüthige Vorsorge des gegen Mitleid abgehärteten Landjägers. Erst am Gefängnißthore öffnete er die Augen, und jetzt erst merkte er, daß der Paßauf, Medard's Schäferhund, ihm gefolgt war; der Landjäger scheuchte den Hund zurück, der Diethelm in die Stube des Gefangenwärters folgen wollte.

Zwei Stunden nach ihm fuhr der Amtmann mit Martha im verschlossenen Wagen nach der Amtsstadt.

thust, aber du wirst's bereuen, was du an mir gethan. Wenn ich mit meinem halben Leben deinen Medard wieder aufwecken könnte, ich thät's; und da schwör' ich's vor allen Leuten: ich laß' dir's nicht entgelten, ich will dir helfen, wo ich kann, du hast ja deinen Sohn verloren, und du könntest ja mein Vater sein, ich will mich dünken lassen, mein Vater lebt noch einmal.

Friedle, was hast du an uns than? klagte die Frau, und der Schäferle weinte, man sah es ihm an, wie weh es ihm that, ob dem was er angerichtet, zumal um den Schmerz der Frau Martha.

Selbst der Landjäger behandelte Diethelm mit Freundlichkeit und redete ihm Trost zu, daß Alles bald wieder aus sei.

Als Diethelm an dem Berge vorüberfuhr, auf dem nur noch ein Schutthaufen rauchte, stieß er einen Schmerzensschrei aus; dann schloß er die Augen wie zum Schlafe, aber seine Lippen bewegten sich stets, als spräche er; in der That stand er auch in Gedanken dem Untersuchungsrichter Red' und Antwort, und manchmal zuckte etwas wie ein Lächeln um seine Mundwinkel, wenn ihm eines der Beweismittel einfiel, das jeden Verdacht abwälzen mußte. Der Landjäger schaute oft verwundert in das Antlitz des Schlafenden, der nach so grauenvollen Ereignissen unter peinlicher Anklage so ruhig träumte. Als man der Stadt nahe war, schlug der Landjäger den Mantelkragen Diethelm's höher hinauf, setzte ihm die Pelzmütze tiefer ins Gesicht, und Diethelm dankte herzlich für die gutmüthige Vorsorge des gegen Mitleid abgehärteten Landjägers. Erst am Gefängnißthore öffnete er die Augen, und jetzt erst merkte er, daß der Paßauf, Medard's Schäferhund, ihm gefolgt war; der Landjäger scheuchte den Hund zurück, der Diethelm in die Stube des Gefangenwärters folgen wollte.

Zwei Stunden nach ihm fuhr der Amtmann mit Martha im verschlossenen Wagen nach der Amtsstadt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="16">
        <p><pb facs="#f0118"/>
thust, aber du wirst's bereuen,                was du an mir gethan. Wenn ich mit meinem halben Leben deinen Medard wieder aufwecken                könnte, ich thät's; und da schwör' ich's vor allen Leuten: ich laß' dir's nicht                entgelten, ich will dir helfen, wo ich kann, du hast ja deinen Sohn verloren, und du                könntest ja mein Vater sein, ich will mich dünken lassen, mein Vater lebt noch                einmal.</p><lb/>
        <p>Friedle, was hast du an uns than? klagte die Frau, und der Schäferle weinte, man sah                es ihm an, wie weh es ihm that, ob dem was er angerichtet, zumal um den Schmerz der                Frau Martha.</p><lb/>
        <p>Selbst der Landjäger behandelte Diethelm mit Freundlichkeit und redete ihm Trost zu,                daß Alles bald wieder aus sei.</p><lb/>
        <p>Als Diethelm an dem Berge vorüberfuhr, auf dem nur noch ein Schutthaufen rauchte,                stieß er einen Schmerzensschrei aus; dann schloß er die Augen wie zum Schlafe, aber                seine Lippen bewegten sich stets, als spräche er; in der That stand er auch in                Gedanken dem Untersuchungsrichter Red' und Antwort, und manchmal zuckte etwas wie ein                Lächeln um seine Mundwinkel, wenn ihm eines der Beweismittel einfiel, das jeden                Verdacht abwälzen mußte. Der Landjäger schaute oft verwundert in das Antlitz des                Schlafenden, der nach so grauenvollen Ereignissen unter peinlicher Anklage so ruhig                träumte. Als man der Stadt nahe war, schlug der Landjäger den Mantelkragen Diethelm's                höher hinauf, setzte ihm die Pelzmütze tiefer ins Gesicht, und Diethelm dankte                herzlich für die gutmüthige Vorsorge des gegen Mitleid abgehärteten Landjägers. Erst                am Gefängnißthore öffnete er die Augen, und jetzt erst merkte er, daß der Paßauf,                Medard's Schäferhund, ihm gefolgt war; der Landjäger scheuchte den Hund zurück, der                Diethelm in die Stube des Gefangenwärters folgen wollte.</p><lb/>
        <p>Zwei Stunden nach ihm fuhr der Amtmann mit Martha im verschlossenen Wagen nach der                Amtsstadt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] thust, aber du wirst's bereuen, was du an mir gethan. Wenn ich mit meinem halben Leben deinen Medard wieder aufwecken könnte, ich thät's; und da schwör' ich's vor allen Leuten: ich laß' dir's nicht entgelten, ich will dir helfen, wo ich kann, du hast ja deinen Sohn verloren, und du könntest ja mein Vater sein, ich will mich dünken lassen, mein Vater lebt noch einmal. Friedle, was hast du an uns than? klagte die Frau, und der Schäferle weinte, man sah es ihm an, wie weh es ihm that, ob dem was er angerichtet, zumal um den Schmerz der Frau Martha. Selbst der Landjäger behandelte Diethelm mit Freundlichkeit und redete ihm Trost zu, daß Alles bald wieder aus sei. Als Diethelm an dem Berge vorüberfuhr, auf dem nur noch ein Schutthaufen rauchte, stieß er einen Schmerzensschrei aus; dann schloß er die Augen wie zum Schlafe, aber seine Lippen bewegten sich stets, als spräche er; in der That stand er auch in Gedanken dem Untersuchungsrichter Red' und Antwort, und manchmal zuckte etwas wie ein Lächeln um seine Mundwinkel, wenn ihm eines der Beweismittel einfiel, das jeden Verdacht abwälzen mußte. Der Landjäger schaute oft verwundert in das Antlitz des Schlafenden, der nach so grauenvollen Ereignissen unter peinlicher Anklage so ruhig träumte. Als man der Stadt nahe war, schlug der Landjäger den Mantelkragen Diethelm's höher hinauf, setzte ihm die Pelzmütze tiefer ins Gesicht, und Diethelm dankte herzlich für die gutmüthige Vorsorge des gegen Mitleid abgehärteten Landjägers. Erst am Gefängnißthore öffnete er die Augen, und jetzt erst merkte er, daß der Paßauf, Medard's Schäferhund, ihm gefolgt war; der Landjäger scheuchte den Hund zurück, der Diethelm in die Stube des Gefangenwärters folgen wollte. Zwei Stunden nach ihm fuhr der Amtmann mit Martha im verschlossenen Wagen nach der Amtsstadt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/118
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/118>, abgerufen am 29.03.2024.