Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

auch Eurer Frau noch was Gutes gethan hätt'. Ich muß meinem Vater vor Allem Wort halten, und lügen kann ich nicht, auch nicht zu Einem, das stirbt. Ich hab' Eurer Frau versprochen, Euch gleich zu melden, daß Ihr heimkommen sollet. Ich hab' mein Versprechen gehalten und will nicht darnach forschen, warum Ihr in einsamer Nacht da umherlauft. Daneben leg' ich Euch nichts in den Weg, vor mir kann der Diethelm ruhig sein, wenn er's vor sich auch kann.

Schnell eilte Munde davon und hörte nicht darauf, daß ihm Diethelm noch nachrief, er möge ihn begleiten.

Wie traumwandelnd ging Diethelm in die Stadt zurück. Im Umschauen gewahrte er wieder die zerstreuten weißen Punkte auf dem Berge, und jetzt erinnerte er sich, daß das ja nur Kreidefelsen waren, die hier zu Lande auf den Bergen liegen gelassen werden, um die Dammerde vor Abschwemmungen zu wahren. Im Wirthshaus schrieb er einen Brief an den Vorsitzenden und schickte ihn doch nicht ab; er wartete mit Ungeduld auf den Morgen und eilte in aller Frühe zu dem Vorsitzenden, ihm ankündigend, welche Botschaft ihm ein Soldat gebracht, den er genau bezeichnete. Der Vorsitzende entließ ihn, und Diethelm hörte kaum, daß heute ohnedies keine Sitzung sei. Noch einen Augenblick sah er seinen Schwiegersohn und bat ihn, Fränz von dem Geschehenen zu benachrichtigen, dann fuhr er mit Extrapost heimwärts, er fand aber seine Frau nicht mehr am Leben und hörte nur von der Frau Kübler, wie innig sie seiner gedacht und immer gerufen habe: Du bist unschuldig! Du bist mein braver Diethelm!

In seinem aufrichtigen Schmerze tröstete ihn der Gedanke, daß sie mit diesem Bewußtsein gestorben war. Er machte eine namhafte Stiftung zu ihrem Andenken und war überaus mild und freigebig.

auch Eurer Frau noch was Gutes gethan hätt'. Ich muß meinem Vater vor Allem Wort halten, und lügen kann ich nicht, auch nicht zu Einem, das stirbt. Ich hab' Eurer Frau versprochen, Euch gleich zu melden, daß Ihr heimkommen sollet. Ich hab' mein Versprechen gehalten und will nicht darnach forschen, warum Ihr in einsamer Nacht da umherlauft. Daneben leg' ich Euch nichts in den Weg, vor mir kann der Diethelm ruhig sein, wenn er's vor sich auch kann.

Schnell eilte Munde davon und hörte nicht darauf, daß ihm Diethelm noch nachrief, er möge ihn begleiten.

Wie traumwandelnd ging Diethelm in die Stadt zurück. Im Umschauen gewahrte er wieder die zerstreuten weißen Punkte auf dem Berge, und jetzt erinnerte er sich, daß das ja nur Kreidefelsen waren, die hier zu Lande auf den Bergen liegen gelassen werden, um die Dammerde vor Abschwemmungen zu wahren. Im Wirthshaus schrieb er einen Brief an den Vorsitzenden und schickte ihn doch nicht ab; er wartete mit Ungeduld auf den Morgen und eilte in aller Frühe zu dem Vorsitzenden, ihm ankündigend, welche Botschaft ihm ein Soldat gebracht, den er genau bezeichnete. Der Vorsitzende entließ ihn, und Diethelm hörte kaum, daß heute ohnedies keine Sitzung sei. Noch einen Augenblick sah er seinen Schwiegersohn und bat ihn, Fränz von dem Geschehenen zu benachrichtigen, dann fuhr er mit Extrapost heimwärts, er fand aber seine Frau nicht mehr am Leben und hörte nur von der Frau Kübler, wie innig sie seiner gedacht und immer gerufen habe: Du bist unschuldig! Du bist mein braver Diethelm!

In seinem aufrichtigen Schmerze tröstete ihn der Gedanke, daß sie mit diesem Bewußtsein gestorben war. Er machte eine namhafte Stiftung zu ihrem Andenken und war überaus mild und freigebig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="28">
        <p><pb facs="#f0215"/>
auch Eurer Frau                noch was Gutes gethan hätt'. Ich muß meinem Vater vor Allem Wort halten, und lügen                kann ich nicht, auch nicht zu Einem, das stirbt. Ich hab' Eurer Frau versprochen,                Euch gleich zu melden, daß Ihr heimkommen sollet. Ich hab' mein Versprechen gehalten                und will nicht darnach forschen, warum Ihr in einsamer Nacht da umherlauft. Daneben                leg' ich Euch nichts in den Weg, vor mir kann der Diethelm ruhig sein, wenn er's vor                sich auch kann.</p><lb/>
        <p>Schnell eilte Munde davon und hörte nicht darauf, daß ihm Diethelm noch nachrief, er                möge ihn begleiten.</p><lb/>
        <p>Wie traumwandelnd ging Diethelm in die Stadt zurück. Im Umschauen gewahrte er wieder                die zerstreuten weißen Punkte auf dem Berge, und jetzt erinnerte er sich, daß das ja                nur Kreidefelsen waren, die hier zu Lande auf den Bergen liegen gelassen werden, um                die Dammerde vor Abschwemmungen zu wahren. Im Wirthshaus schrieb er einen Brief an                den Vorsitzenden und schickte ihn doch nicht ab; er wartete mit Ungeduld auf den                Morgen und eilte in aller Frühe zu dem Vorsitzenden, ihm ankündigend, welche                Botschaft ihm ein Soldat gebracht, den er genau bezeichnete. Der Vorsitzende entließ                ihn, und Diethelm hörte kaum, daß heute ohnedies keine Sitzung sei. Noch einen                Augenblick sah er seinen Schwiegersohn und bat ihn, Fränz von dem Geschehenen zu                benachrichtigen, dann fuhr er mit Extrapost heimwärts, er fand aber seine Frau nicht                mehr am Leben und hörte nur von der Frau Kübler, wie innig sie seiner gedacht und                immer gerufen habe: Du bist unschuldig! Du bist mein braver Diethelm!</p><lb/>
        <p>In seinem aufrichtigen Schmerze tröstete ihn der Gedanke, daß sie mit diesem                Bewußtsein gestorben war. Er machte eine namhafte Stiftung zu ihrem Andenken und war                überaus mild und freigebig.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] auch Eurer Frau noch was Gutes gethan hätt'. Ich muß meinem Vater vor Allem Wort halten, und lügen kann ich nicht, auch nicht zu Einem, das stirbt. Ich hab' Eurer Frau versprochen, Euch gleich zu melden, daß Ihr heimkommen sollet. Ich hab' mein Versprechen gehalten und will nicht darnach forschen, warum Ihr in einsamer Nacht da umherlauft. Daneben leg' ich Euch nichts in den Weg, vor mir kann der Diethelm ruhig sein, wenn er's vor sich auch kann. Schnell eilte Munde davon und hörte nicht darauf, daß ihm Diethelm noch nachrief, er möge ihn begleiten. Wie traumwandelnd ging Diethelm in die Stadt zurück. Im Umschauen gewahrte er wieder die zerstreuten weißen Punkte auf dem Berge, und jetzt erinnerte er sich, daß das ja nur Kreidefelsen waren, die hier zu Lande auf den Bergen liegen gelassen werden, um die Dammerde vor Abschwemmungen zu wahren. Im Wirthshaus schrieb er einen Brief an den Vorsitzenden und schickte ihn doch nicht ab; er wartete mit Ungeduld auf den Morgen und eilte in aller Frühe zu dem Vorsitzenden, ihm ankündigend, welche Botschaft ihm ein Soldat gebracht, den er genau bezeichnete. Der Vorsitzende entließ ihn, und Diethelm hörte kaum, daß heute ohnedies keine Sitzung sei. Noch einen Augenblick sah er seinen Schwiegersohn und bat ihn, Fränz von dem Geschehenen zu benachrichtigen, dann fuhr er mit Extrapost heimwärts, er fand aber seine Frau nicht mehr am Leben und hörte nur von der Frau Kübler, wie innig sie seiner gedacht und immer gerufen habe: Du bist unschuldig! Du bist mein braver Diethelm! In seinem aufrichtigen Schmerze tröstete ihn der Gedanke, daß sie mit diesem Bewußtsein gestorben war. Er machte eine namhafte Stiftung zu ihrem Andenken und war überaus mild und freigebig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/215
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/215>, abgerufen am 29.03.2024.