Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dem, dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muß, nicht Eingang finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an der Erhebung zum Gedanken der großen Weltgehörigkeit.

Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Haß, und statt ihn zu versöhnen, reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: Ihr arbeitet euch krumm und lahm, und ich schau' zum Fenster hinaus und hab' meine grünen Saffianpantöffele an, und verdien' dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten. Das war aber nicht immer der Fall, und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine große Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiß gewählt, und er begann nun das Schafhalten und den Wollhandel. -- Die Umgegend von Buchenberg eignete sich allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgange zu erhalten, aber auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten.

Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Haß, und wieder voll ergebener Abhängigkeit. Wenn er nun auch schon so viele Jahre bei ihm diente, ließ es ihn Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, daß er ihn als Sträfling zu sich genommen, und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen ließ, daß sein Herr einmal zu Falle kommen oder in seine Hand gerathen möge.

Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.

dem, dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muß, nicht Eingang finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an der Erhebung zum Gedanken der großen Weltgehörigkeit.

Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Haß, und statt ihn zu versöhnen, reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: Ihr arbeitet euch krumm und lahm, und ich schau' zum Fenster hinaus und hab' meine grünen Saffianpantöffele an, und verdien' dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten. Das war aber nicht immer der Fall, und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine große Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiß gewählt, und er begann nun das Schafhalten und den Wollhandel. — Die Umgegend von Buchenberg eignete sich allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgange zu erhalten, aber auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten.

Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Haß, und wieder voll ergebener Abhängigkeit. Wenn er nun auch schon so viele Jahre bei ihm diente, ließ es ihn Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, daß er ihn als Sträfling zu sich genommen, und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen ließ, daß sein Herr einmal zu Falle kommen oder in seine Hand gerathen möge.

Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0035"/>
dem,                dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muß, nicht Eingang                finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an                der Erhebung zum Gedanken der großen Weltgehörigkeit.</p><lb/>
        <p>Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Haß, und statt ihn zu versöhnen,                reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: Ihr arbeitet euch krumm und lahm, und                ich schau' zum Fenster hinaus und hab' meine grünen Saffianpantöffele an, und                verdien' dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten. Das war aber nicht                immer der Fall, und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine große                Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiß gewählt, und er begann nun                das Schafhalten und den Wollhandel. &#x2014; Die Umgegend von Buchenberg eignete sich                allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgange zu erhalten, aber                auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten.</p><lb/>
        <p>Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Haß, und wieder voll ergebener                Abhängigkeit. Wenn er nun auch schon so viele Jahre bei ihm diente, ließ es ihn                Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, daß er ihn als Sträfling zu sich                genommen, und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der                leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher                eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen ließ, daß sein Herr einmal zu Falle kommen                oder in seine Hand gerathen möge.</p><lb/>
        <p>Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit                besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] dem, dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muß, nicht Eingang finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an der Erhebung zum Gedanken der großen Weltgehörigkeit. Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Haß, und statt ihn zu versöhnen, reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: Ihr arbeitet euch krumm und lahm, und ich schau' zum Fenster hinaus und hab' meine grünen Saffianpantöffele an, und verdien' dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten. Das war aber nicht immer der Fall, und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine große Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiß gewählt, und er begann nun das Schafhalten und den Wollhandel. — Die Umgegend von Buchenberg eignete sich allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgange zu erhalten, aber auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten. Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Haß, und wieder voll ergebener Abhängigkeit. Wenn er nun auch schon so viele Jahre bei ihm diente, ließ es ihn Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, daß er ihn als Sträfling zu sich genommen, und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen ließ, daß sein Herr einmal zu Falle kommen oder in seine Hand gerathen möge. Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/35
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/35>, abgerufen am 25.04.2024.