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Allgemeine Zeitung. Nr. 11. Augsburg, 11. Januar 1840.

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Es war eine Gränzfeindschaft (border-feud), die in einen, übrigens ziemlich unerheblichen Gränzkrieg ausartete. Daß man einen solchen Vorfall zu einem Hochverrath vergrößert hat, scheint uns abermals zu beweisen, daß unsere Hochverrathsgesetze einer Revision bedürfen, ehe man wegen Verletzung derselben Menschen aufhängt." - Die Monmouther Assisenverhandlungen scheinen sich sehr in die Länge ziehen zu wollen.

O'Connell in Dublin benutzt die letzten Wochen vor dem Parlamentszusammentritt zu lebhafter Agitation. Fast kein Tag vergeht, wo er nicht eine Versammlung entweder seiner Wähler, oder des politischen Gewerbevereins abhält. In einem Meeting des letztern schlug er die Bildung einer Association unter dem Namen: "die Freunde der Königin und Irlands Beschützer" vor. Zugleich hat er eine "starke Maaßregel" angekündigt, um den Tories zu zeigen, welche Hindernisse ihrer Rückkehr ans Ruder entgegenstehen. Noch hat er sich über seinen Plan nicht näher erklärt, doch klar genug angedeutet, daß eine Demonstration der Volksmacht, wiewohl ohne eigentliche Organisation, gemacht werden soll. In einer auf den 10 Jan. angesagten großen Versammlung der irischen Liberalen wird wohl das Nähere beschlossen werden. Das M. Chronicle sagt über diese Versammlung, sie verspreche in ihren Resultaten eine der wichtigsten zu werden, die jemals in Irland gehalten worden. Die Einladung dazu füllt in den Dubliner antiorangistischen Blättern mehrere Spalten. Unter den Theilnehmern werden genannt: die Lords Acheson, Milton, Clements, Brabazon und Shelburne; 16 Baronets, 35 Parlamentsmitglieder, 2 Lordstatthalter und 37 Vice-Lordstatthalter von Grafschaften.

Der Dominicanermönch Pater Mathew aus Cork setzt seinen religiösen Kreuzzug durch Irland zur Stiftung von Mäßigkeitsvereinen mit einem Erfolg fort, der in Anbetracht des schrecklichen Grades, bis zu welchem in Irland der Hang zum Branntwein in den unteren Volksclassen, aber keineswegs unter diesen allein, eingewurzelt war, ans Märchenhafte streift. Allerorten, namentlich in der bisher so berüchtigten Grafschaft Tipperary, strömen ihm Tausende zu, und leisten knieend das Gelübde der Mäßigkeit auf folgende Formel, die er ihnen vorspricht: "Ich verspreche mit göttlichem Beistande, so lange ich ein Mitglied des Mäßigkeitsvereins bin, mich aller berauschenden Getränke zu enthalten, ausgenommen für ärztliche Zwecke, und sowohl durch Rath als durch Beispiel mein Möglichstes zu thun, um auch Andere vom Trunk abzubringen." Glaubhaften Berichten zufolge sind schon über anderthalb Millionen Menschen diesem Mäßigkeitsbund beigetreten, und verbreitet er sich erst, wie man zu hoffen Grund hat, über die ganze Insel, dann ist ein ebenso ungeheurer, als wunderbarer Fortschritt zum wahren Wohl Irlands geschehen; denn das irische Volk ist, zum Guten wie zum Bösen, in seinen Entschlüssen beharrlich.

Indem die HH. v. Brunnow und v. Neumann hier eintrafen, um mit Lord Palmerston in Conferenz zu treten, und zu versuchen, ob nicht auf dem Wege der Berathung die orientalischen Wirren gelöst werden können, ist man dahin gelangt, wohin einige Mächte von Anfang an es hatten bringen wollen, nämlich auf gleiche Weise, wie es Belgien gegenüber geschah, auch die Differenzen des Orients zu schlichten. Auch dießmal ward London wieder zum Mittelpunkt der Berathungen ausgewählt, die, man muß hoffen, sich nicht so in die Länge ziehen und nicht so viele Protokolle zu Tage fördern werden, als die niederländischen Zwiste. Viel ist schon vorgearbeitet worden, und wenn ein Abkommen allein zwischen England und den nordischen Höfen zu treffen wäre, so würde Alles leicht und ohne Zeitverlust zu Stande gebracht werden. Allein da Frankreich schwer umgangen werden kann, und es höchst wünschenswerth ist, das Pariser Cabinet den hier zu fassenden Beschlüssen beitreten zu sehen, so bleibt es zweifelhaft, wie oder wann ein definitives Arrangement zu Stande kommen wird. Wohl soll Graf Sebastiani Instructionen von seinem Hofe erhalten haben, welche die friedliebenden Gesinnungen seines Monarchen von neuem bethätigen, und kaum zweifeln lassen, daß der französische Bevollmächtigte gleich allen andern Mitgliedern der Conferenz stimmen wird; allein bei allem dem hat die französische Regierung so viele Rücksichten zu beobachten, daß wenn sie gleich in der Sache selbst sich einverstanden erklärt, sie doch abweichender Ansicht über die Mittel seyn dürfte, die man zur Betreibung derselben anzuwenden für nöthig erachten mag. Maaßregeln zu ermitteln, die allen genehm scheinen und wirksam sind, möchte viele Mühe und Gewandtheit erfordern. Die Mühe wird Niemand scheuen, und Gewandtheit sollen die Bevollmächtigten alle ohne Ausnahme besitzen. Indessen darf man nicht aus den Augen verlieren, daß auch Mehemed Ali unermüdet seine Plane verfolgt, daß er bis jetzt sehr viele Geschicklichkeit entwickelt hat, und daß er einen großen Vortheil besitzt, nämlich genau zu wissen, was er will und was er kann, endlich daß er immer nur seine eigenen Interessen zu Rathe zu ziehen braucht, um darnach seine Schritte zu lenken, während die Mächte neben ihren besondern Interessen immer das Allgemeine im Auge haben müssen, und mithin nie so entschieden seyn können. Da nun die hier zu pflegenden Berathungen hauptsächlich anberaumt wurden, um den Uebergriffen des Vicekönigs Einhalt zu thun, also beabsichtigt wird, die ihm zuzugestehenden größeren oder kleineren Vortheile zu bestimmen, so ist noch immer nicht gesagt, daß wenn man hier fertig geworden, Alles schon als geschlichtet an gesehen werden dürfe, bevor man nicht genau die Intentionen Mehemed Ali's und die Art und Weise kennt, wie er die Beschlüsse der Mächte aufnehmen wird. Von ihm hängt viel, vielleicht Alles ab, ob ohne fernere Störung die Fragen entschieden werden sollen, die man sich hier aufwirft. Könnte Frankreich sich entschließen, ohne Vorbehalt die Clauseln zu unterzeichnen, die ein hier zu fassender Vertrag zu enthalten hat, und ist man außerdem versichert, die Sanction der Pforte für einen solchen Act entgegennehmen zu können, so würde allerdings viel gewonnen seyn, und Mehemed Ali sich vorzusehen haben, bevor er sich in offenen Widerspruch mit der gesammten civilisirten Welt und seinem Souverän setzte.

Frankreich.

Der Bischof von Metz, Hr. Besson, ist in der Nacht vom 2 auf den 3 Jan. gestorben. Er war zu Mieugny (Ain) am 12 Sept. 1756 geboren, zuerst Großvicar von Genf und dann Pfarrer in Lyon. Zum Bischof von Metz ward er 1823 ernannt.

* Die von der Adreßcommission der Deputirtenkammer festgesetzten Grundlagen sind im Ganzen dem Cabinette sehr günstig. Der Paragraph über Spanien schreibt der französischen Politik einen beträchtlichen Antheil an den Ereignissen jenes Landes zu. Der Paragraph über Algier drückt den Wunsch aus, Abd-El-Kader zu züchtigen, dabei aber genau zu untersuchen, ob die Kosten für die Besetzung Afrika's nicht zu vermindern seyen. Der Paragraph über den Orient drückt sich nicht so bestimmt, wie die Thronrede über die Nothwendigkeit aus, die Integrität des osmanischen Reichs zu bewahren. Für die Rentenreduction ist ein besonderer Paragraph eingeschaltet.


Es war eine Gränzfeindschaft (border-feud), die in einen, übrigens ziemlich unerheblichen Gränzkrieg ausartete. Daß man einen solchen Vorfall zu einem Hochverrath vergrößert hat, scheint uns abermals zu beweisen, daß unsere Hochverrathsgesetze einer Revision bedürfen, ehe man wegen Verletzung derselben Menschen aufhängt.“ – Die Monmouther Assisenverhandlungen scheinen sich sehr in die Länge ziehen zu wollen.

O'Connell in Dublin benutzt die letzten Wochen vor dem Parlamentszusammentritt zu lebhafter Agitation. Fast kein Tag vergeht, wo er nicht eine Versammlung entweder seiner Wähler, oder des politischen Gewerbevereins abhält. In einem Meeting des letztern schlug er die Bildung einer Association unter dem Namen: „die Freunde der Königin und Irlands Beschützer“ vor. Zugleich hat er eine „starke Maaßregel“ angekündigt, um den Tories zu zeigen, welche Hindernisse ihrer Rückkehr ans Ruder entgegenstehen. Noch hat er sich über seinen Plan nicht näher erklärt, doch klar genug angedeutet, daß eine Demonstration der Volksmacht, wiewohl ohne eigentliche Organisation, gemacht werden soll. In einer auf den 10 Jan. angesagten großen Versammlung der irischen Liberalen wird wohl das Nähere beschlossen werden. Das M. Chronicle sagt über diese Versammlung, sie verspreche in ihren Resultaten eine der wichtigsten zu werden, die jemals in Irland gehalten worden. Die Einladung dazu füllt in den Dubliner antiorangistischen Blättern mehrere Spalten. Unter den Theilnehmern werden genannt: die Lords Acheson, Milton, Clements, Brabazon und Shelburne; 16 Baronets, 35 Parlamentsmitglieder, 2 Lordstatthalter und 37 Vice-Lordstatthalter von Grafschaften.

Der Dominicanermönch Pater Mathew aus Cork setzt seinen religiösen Kreuzzug durch Irland zur Stiftung von Mäßigkeitsvereinen mit einem Erfolg fort, der in Anbetracht des schrecklichen Grades, bis zu welchem in Irland der Hang zum Branntwein in den unteren Volksclassen, aber keineswegs unter diesen allein, eingewurzelt war, ans Märchenhafte streift. Allerorten, namentlich in der bisher so berüchtigten Grafschaft Tipperary, strömen ihm Tausende zu, und leisten knieend das Gelübde der Mäßigkeit auf folgende Formel, die er ihnen vorspricht: „Ich verspreche mit göttlichem Beistande, so lange ich ein Mitglied des Mäßigkeitsvereins bin, mich aller berauschenden Getränke zu enthalten, ausgenommen für ärztliche Zwecke, und sowohl durch Rath als durch Beispiel mein Möglichstes zu thun, um auch Andere vom Trunk abzubringen.“ Glaubhaften Berichten zufolge sind schon über anderthalb Millionen Menschen diesem Mäßigkeitsbund beigetreten, und verbreitet er sich erst, wie man zu hoffen Grund hat, über die ganze Insel, dann ist ein ebenso ungeheurer, als wunderbarer Fortschritt zum wahren Wohl Irlands geschehen; denn das irische Volk ist, zum Guten wie zum Bösen, in seinen Entschlüssen beharrlich.

Indem die HH. v. Brunnow und v. Neumann hier eintrafen, um mit Lord Palmerston in Conferenz zu treten, und zu versuchen, ob nicht auf dem Wege der Berathung die orientalischen Wirren gelöst werden können, ist man dahin gelangt, wohin einige Mächte von Anfang an es hatten bringen wollen, nämlich auf gleiche Weise, wie es Belgien gegenüber geschah, auch die Differenzen des Orients zu schlichten. Auch dießmal ward London wieder zum Mittelpunkt der Berathungen ausgewählt, die, man muß hoffen, sich nicht so in die Länge ziehen und nicht so viele Protokolle zu Tage fördern werden, als die niederländischen Zwiste. Viel ist schon vorgearbeitet worden, und wenn ein Abkommen allein zwischen England und den nordischen Höfen zu treffen wäre, so würde Alles leicht und ohne Zeitverlust zu Stande gebracht werden. Allein da Frankreich schwer umgangen werden kann, und es höchst wünschenswerth ist, das Pariser Cabinet den hier zu fassenden Beschlüssen beitreten zu sehen, so bleibt es zweifelhaft, wie oder wann ein definitives Arrangement zu Stande kommen wird. Wohl soll Graf Sebastiani Instructionen von seinem Hofe erhalten haben, welche die friedliebenden Gesinnungen seines Monarchen von neuem bethätigen, und kaum zweifeln lassen, daß der französische Bevollmächtigte gleich allen andern Mitgliedern der Conferenz stimmen wird; allein bei allem dem hat die französische Regierung so viele Rücksichten zu beobachten, daß wenn sie gleich in der Sache selbst sich einverstanden erklärt, sie doch abweichender Ansicht über die Mittel seyn dürfte, die man zur Betreibung derselben anzuwenden für nöthig erachten mag. Maaßregeln zu ermitteln, die allen genehm scheinen und wirksam sind, möchte viele Mühe und Gewandtheit erfordern. Die Mühe wird Niemand scheuen, und Gewandtheit sollen die Bevollmächtigten alle ohne Ausnahme besitzen. Indessen darf man nicht aus den Augen verlieren, daß auch Mehemed Ali unermüdet seine Plane verfolgt, daß er bis jetzt sehr viele Geschicklichkeit entwickelt hat, und daß er einen großen Vortheil besitzt, nämlich genau zu wissen, was er will und was er kann, endlich daß er immer nur seine eigenen Interessen zu Rathe zu ziehen braucht, um darnach seine Schritte zu lenken, während die Mächte neben ihren besondern Interessen immer das Allgemeine im Auge haben müssen, und mithin nie so entschieden seyn können. Da nun die hier zu pflegenden Berathungen hauptsächlich anberaumt wurden, um den Uebergriffen des Vicekönigs Einhalt zu thun, also beabsichtigt wird, die ihm zuzugestehenden größeren oder kleineren Vortheile zu bestimmen, so ist noch immer nicht gesagt, daß wenn man hier fertig geworden, Alles schon als geschlichtet an gesehen werden dürfe, bevor man nicht genau die Intentionen Mehemed Ali's und die Art und Weise kennt, wie er die Beschlüsse der Mächte aufnehmen wird. Von ihm hängt viel, vielleicht Alles ab, ob ohne fernere Störung die Fragen entschieden werden sollen, die man sich hier aufwirft. Könnte Frankreich sich entschließen, ohne Vorbehalt die Clauseln zu unterzeichnen, die ein hier zu fassender Vertrag zu enthalten hat, und ist man außerdem versichert, die Sanction der Pforte für einen solchen Act entgegennehmen zu können, so würde allerdings viel gewonnen seyn, und Mehemed Ali sich vorzusehen haben, bevor er sich in offenen Widerspruch mit der gesammten civilisirten Welt und seinem Souverän setzte.

Frankreich.

Der Bischof von Metz, Hr. Besson, ist in der Nacht vom 2 auf den 3 Jan. gestorben. Er war zu Mieugny (Ain) am 12 Sept. 1756 geboren, zuerst Großvicar von Genf und dann Pfarrer in Lyon. Zum Bischof von Metz ward er 1823 ernannt.

* Die von der Adreßcommission der Deputirtenkammer festgesetzten Grundlagen sind im Ganzen dem Cabinette sehr günstig. Der Paragraph über Spanien schreibt der französischen Politik einen beträchtlichen Antheil an den Ereignissen jenes Landes zu. Der Paragraph über Algier drückt den Wunsch aus, Abd-El-Kader zu züchtigen, dabei aber genau zu untersuchen, ob die Kosten für die Besetzung Afrika's nicht zu vermindern seyen. Der Paragraph über den Orient drückt sich nicht so bestimmt, wie die Thronrede über die Nothwendigkeit aus, die Integrität des osmanischen Reichs zu bewahren. Für die Rentenreduction ist ein besonderer Paragraph eingeschaltet.

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[0083/0003] Es war eine Gränzfeindschaft (border-feud), die in einen, übrigens ziemlich unerheblichen Gränzkrieg ausartete. Daß man einen solchen Vorfall zu einem Hochverrath vergrößert hat, scheint uns abermals zu beweisen, daß unsere Hochverrathsgesetze einer Revision bedürfen, ehe man wegen Verletzung derselben Menschen aufhängt.“ – Die Monmouther Assisenverhandlungen scheinen sich sehr in die Länge ziehen zu wollen. O'Connell in Dublin benutzt die letzten Wochen vor dem Parlamentszusammentritt zu lebhafter Agitation. Fast kein Tag vergeht, wo er nicht eine Versammlung entweder seiner Wähler, oder des politischen Gewerbevereins abhält. In einem Meeting des letztern schlug er die Bildung einer Association unter dem Namen: „die Freunde der Königin und Irlands Beschützer“ vor. Zugleich hat er eine „starke Maaßregel“ angekündigt, um den Tories zu zeigen, welche Hindernisse ihrer Rückkehr ans Ruder entgegenstehen. Noch hat er sich über seinen Plan nicht näher erklärt, doch klar genug angedeutet, daß eine Demonstration der Volksmacht, wiewohl ohne eigentliche Organisation, gemacht werden soll. In einer auf den 10 Jan. angesagten großen Versammlung der irischen Liberalen wird wohl das Nähere beschlossen werden. Das M. Chronicle sagt über diese Versammlung, sie verspreche in ihren Resultaten eine der wichtigsten zu werden, die jemals in Irland gehalten worden. Die Einladung dazu füllt in den Dubliner antiorangistischen Blättern mehrere Spalten. Unter den Theilnehmern werden genannt: die Lords Acheson, Milton, Clements, Brabazon und Shelburne; 16 Baronets, 35 Parlamentsmitglieder, 2 Lordstatthalter und 37 Vice-Lordstatthalter von Grafschaften. 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Neumann hier eintrafen, um mit Lord Palmerston in Conferenz zu treten, und zu versuchen, ob nicht auf dem Wege der Berathung die orientalischen Wirren gelöst werden können, ist man dahin gelangt, wohin einige Mächte von Anfang an es hatten bringen wollen, nämlich auf gleiche Weise, wie es Belgien gegenüber geschah, auch die Differenzen des Orients zu schlichten. Auch dießmal ward London wieder zum Mittelpunkt der Berathungen ausgewählt, die, man muß hoffen, sich nicht so in die Länge ziehen und nicht so viele Protokolle zu Tage fördern werden, als die niederländischen Zwiste. Viel ist schon vorgearbeitet worden, und wenn ein Abkommen allein zwischen England und den nordischen Höfen zu treffen wäre, so würde Alles leicht und ohne Zeitverlust zu Stande gebracht werden. Allein da Frankreich schwer umgangen werden kann, und es höchst wünschenswerth ist, das Pariser Cabinet den hier zu fassenden Beschlüssen beitreten zu sehen, so bleibt es zweifelhaft, wie oder wann ein definitives Arrangement zu Stande kommen wird. Wohl soll Graf Sebastiani Instructionen von seinem Hofe erhalten haben, welche die friedliebenden Gesinnungen seines Monarchen von neuem bethätigen, und kaum zweifeln lassen, daß der französische Bevollmächtigte gleich allen andern Mitgliedern der Conferenz stimmen wird; allein bei allem dem hat die französische Regierung so viele Rücksichten zu beobachten, daß wenn sie gleich in der Sache selbst sich einverstanden erklärt, sie doch abweichender Ansicht über die Mittel seyn dürfte, die man zur Betreibung derselben anzuwenden für nöthig erachten mag. Maaßregeln zu ermitteln, die allen genehm scheinen und wirksam sind, möchte viele Mühe und Gewandtheit erfordern. Die Mühe wird Niemand scheuen, und Gewandtheit sollen die Bevollmächtigten alle ohne Ausnahme besitzen. Indessen darf man nicht aus den Augen verlieren, daß auch Mehemed Ali unermüdet seine Plane verfolgt, daß er bis jetzt sehr viele Geschicklichkeit entwickelt hat, und daß er einen großen Vortheil besitzt, nämlich genau zu wissen, was er will und was er kann, endlich daß er immer nur seine eigenen Interessen zu Rathe zu ziehen braucht, um darnach seine Schritte zu lenken, während die Mächte neben ihren besondern Interessen immer das Allgemeine im Auge haben müssen, und mithin nie so entschieden seyn können. Da nun die hier zu pflegenden Berathungen hauptsächlich anberaumt wurden, um den Uebergriffen des Vicekönigs Einhalt zu thun, also beabsichtigt wird, die ihm zuzugestehenden größeren oder kleineren Vortheile zu bestimmen, so ist noch immer nicht gesagt, daß wenn man hier fertig geworden, Alles schon als geschlichtet an gesehen werden dürfe, bevor man nicht genau die Intentionen Mehemed Ali's und die Art und Weise kennt, wie er die Beschlüsse der Mächte aufnehmen wird. Von ihm hängt viel, vielleicht Alles ab, ob ohne fernere Störung die Fragen entschieden werden sollen, die man sich hier aufwirft. Könnte Frankreich sich entschließen, ohne Vorbehalt die Clauseln zu unterzeichnen, die ein hier zu fassender Vertrag zu enthalten hat, und ist man außerdem versichert, die Sanction der Pforte für einen solchen Act entgegennehmen zu können, so würde allerdings viel gewonnen seyn, und Mehemed Ali sich vorzusehen haben, bevor er sich in offenen Widerspruch mit der gesammten civilisirten Welt und seinem Souverän setzte. Frankreich. Paris, 5 Jan. Der Bischof von Metz, Hr. Besson, ist in der Nacht vom 2 auf den 3 Jan. gestorben. Er war zu Mieugny (Ain) am 12 Sept. 1756 geboren, zuerst Großvicar von Genf und dann Pfarrer in Lyon. Zum Bischof von Metz ward er 1823 ernannt. * Die von der Adreßcommission der Deputirtenkammer festgesetzten Grundlagen sind im Ganzen dem Cabinette sehr günstig. Der Paragraph über Spanien schreibt der französischen Politik einen beträchtlichen Antheil an den Ereignissen jenes Landes zu. Der Paragraph über Algier drückt den Wunsch aus, Abd-El-Kader zu züchtigen, dabei aber genau zu untersuchen, ob die Kosten für die Besetzung Afrika's nicht zu vermindern seyen. Der Paragraph über den Orient drückt sich nicht so bestimmt, wie die Thronrede über die Nothwendigkeit aus, die Integrität des osmanischen Reichs zu bewahren. Für die Rentenreduction ist ein besonderer Paragraph eingeschaltet.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 11. Augsburg, 11. Januar 1840, S. 0083. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_011_18400111/3>, abgerufen am 27.04.2024.