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Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840.

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Vaudevilleschreiber beschäftigt, um sich um die Dichtungen eines Grillparzer kümmern zu können. Es ist in diesen Blättern bereits von dem barocken, poesievollen, aber undarstellbaren Lustspiel "wehe dem, der lügt," die Rede gewesen, und wir müssen in diesem Falle die deutschen Bühnen um so eher freisprechen, als die unlängst in Weimar stattgefundene Darstellung die scenische Unzulänglichkeit des Stücks neuerdings klar gemacht hat. Womit aber läßt es sich entschuldigen, daß eine so reizende Dichtung wie der "Traum ein Leben" den meisten Bühnen fremd ist? Ich habe dieses mährchenhafte Drama nie ohne die innigste Rührung sehen können. Immer drängte sich mir der Gedanke auf, als ob der Dichter seinen eigenen Lebenstraum mit bitterer Ironie in phantastischen Puppen verkörpern wollte, um so über sich selbst zu lachen und zu weinen. Dieser Rustan, dessen heiße Phantasie ihn aus seiner stillen Hütte reißt und hinaus treibt in eine fremde Welt, wo er, von That zu That getrieben, endlich sich zurücksehnt in die Einsamkeit seines ruhigen Thales, und am Morgen mit befreiter Seele erkennt, daß Alles ein Traum gewesen: dieser Held ist Grillparzer selbst, geboren für die Einsamkeit und die melancholischen Träume eines Dichters, der die Welt zu sich kommen läßt und nicht sie aufsucht, und der, durch äußere Zufälle bestimmt, diese Einsamkeit verließ und hinaus trat auf die Bühne der Welt, wo zahllose Conflicte ihn erfaßten, und er nicht mehr Herr seines freien Willens blieb, und Thaten vollbrachte, die ihn selbst überwuchsen und seinem ursprünglichen Wesen fremd waren. Ottokar, der treue Diener seines Herrn, und selbst ein großer Theil seiner antiken Poesien, sind diesem Einflusse entsprungen und erlegen. Grillparzer erkennt dieß, und sein edles Gemüth ist tief und schmerzvoll davon berührt, und seine ehemaligen Bekannten wundern sich, wie der in den Tagen der Ludlamshöhle so joviale Grillparzer immer stiller und menschenscheuer wird, und das hochkritische und tiefästhetische Burgtheaterpublicum ereifert sich, wie Grillparzer das ein Lustspiel nennen könne, worin die Caroline Müller gar keine Rolle spielen könnte, und das Weinen näher als das Lachen ist, und die Wiener Lessinge beweisen dramaturgisch tief, wie der Titel: "weh dem, der lügt," gerade der Widerspruch jenes Gedichts sey; aber nur Wenige ahnen, welche herzzerreißende Ironie der Dichter mit jenen Worten über sich selbst ausgesprochen, nur Wenige begreifen die tiefe Satyre eines Lustspiels, in welchem "das Weinen näher als das Lachen ist." (Morgenbl.)

Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten.

V. Treasurysystem, Banken und Anlehen.

Wir haben bis hieher die Botschaft ihrer ganzen Ausdehnung nach gegeben, da aber der Rest, nämlich die größere Hälfte von den oben bezeichneten, eng unter einander zusammenhängenden Gegenständen handelt, so halten wir es für angemessen, dessen Hauptzüge in gedrängter Kürze zusammenzustellen, um eine leichtere Uebersicht zu gewinnen.

"Nach einer Acte des Jahres 1836 sollte die Unionsregierung, nach dem Erlöschen des Freibriefs der Vereinigten-Staaten-Bank, die Gelder des Staats in solchen Banken niederlegen können, welche stets bereit wären, ihre Zettel mit baarem Gelde einzulösen. Nach der allgemeinen Zahlungssuspension im Jahr 1837 mußte die Regierung, dem Gesetze gemäß, auf eine andere Weise für die Erhebung und Aufbewahrung der Staatsgelder sorgen, und beauftragte damit die Beamten des Schatzamtes und der Post. Dabei blieb es, weil sich die Regierung während der zwei Sessionen des Congresses mit diesem nicht über ein System der gänzlichen Trennung der Schatzverwaltung von den Banken vereinigen konnte; daß aber ein bestimmtes Gesetz hierüber zu Stande komme, ist in hohem Grade wünschenswerth, weil die Sicherheit der Staatsgelder davon abhängt, daß die Benützung derselben zu Privatzwecken als Verbrechen (felony) erklärt werde. Indeß ist trotz der anerkannten Mangelhaftigkeit der bestehenden Gesetze und der ungewöhnlichen Störung in allen Handelsverhältnissen die Einsammlung, Aufbewahrung und Wiederverausgabung der öffentlichen Gelder auffallend glücklich von Statten gegangen, und obwohl im Laufe dieser drei Jahre 66 Millionen Dollars erhoben wurden, so haben doch, trotz des Mangels an hinreichenden gesetzlichen Zwangsmitteln, die Veruntreuungen nur 60,000 Dollars betragen, und es ergibt sich aus einer Zusammenstellung der verschiedenen Methoden von Schatzverwaltung seit dem Jahr 1786, daß die Verluste bei weitem die größten waren, wenn man die Banken mit der Einziehung und Wiederverausgabung der Gelder beauftragte. Die Verluste, die man dabei an den Zollscheinen *)*) erlitt, übersteigen allein die Veruntreuungen der Zollbeamten und Einnehmer um das Dreifache. Unter 27 Regierungen, von denen genaue Nachrichten erhoben wurden, sind 22, welche ihre Gelder nur durch öffentliche Beamte aufbewahren lassen, und diese große Uebereinstimmung, verbunden mit der eigenen Erfahrung, liefert einen genügenden Beweis, daß diese Verfahrungsweise die größte Sicherheit gewährre.

"Die Suspension der Baarzahlungen im Jahr 1837 von Seite der Banken, denen öffentliche Gelder anvertraut waren, zeigte auf eine beunruhigende Weise die Abhängigkeit des Staats in seinen wichtigsten Functionen von diesen Instituten, und die neuern Ereignisse haben das Nachtheilige einer solchen Verbindung abermals gezeigt. Selten ist bei dem jetzigen System eine Bank im Stande alle ihre Noten einzulösen und ihre Depositen herauszuzahlen; sie setzt die Baarzahlungen fort, und treibt ein einträgliches Geschäft nur durch das öffentliche Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit; hört aber dieß auf, und die Noteninhaber, so wie die Depositoren drängen sie schneller, als sie ihre ausstehenden Schulden einziehen kann, so muß sie ihre Zahlungen einstellen. Dieß geschah allgemein im Jahr 1837, und man ließ nicht bloß die Entschuldigung gelten, sondern man entzog ihnen auch die verwirkten Freibriefe nicht, und gewährte ihnen Zeit, die öffentlichen Gelder, in deren Besitz sie waren, allmählich zu bezahlen, obgleich die Unionsregierung dafür Schatzkammerscheine ausgeben mußte. Aber die kürzlich erst erfolgte Zahlungssuspension eines großen Theils der Banken, und zwar gerade der mächtigsten und einflußreichsten, hat nicht einmal diesen Entschuldigungsgrund der Nothwendigkeit, sondern man führt bloß an, daß der Gang der Geschäfte und der Stand des Wechselcurses, der das baare Geld aus ihren Gewölben zieht, sie zu einer größern Einschränkung ihrer Anlehen an Kaufleute nöthigen würde, als ihnen bequem und angemessen (convenient) erscheine. Ein solches Benehmen ist ein Unrecht gegen den einzelnen Gläubiger und gegen den Staat, der ihnen in ihrem Freibrief so große Vorrechte ertheilte, dessen Geschäfte sie in Unordnung bringen, und dessen Eigenthum sie unsicher und schwankend machen. Dieser neue Grund für Zahlungseinstellungen gibt der Sache ein noch viel beunruhigenderes Ansehen, und macht es noch weit unpassender, sich in den financiellen Geschäften der Regierung auf sie zu verlassen.

"Neue Gefahren für die Banken ergeben sich täglich durch die Ausdehnung des ausschweifenden Creditsystems, dessen Pfeiler

*) In Amerika wurden bisher die Zölle von den Kaufleuten in Wechseln auf sich selbst oder auf eine Bank bezahlt, und waren gewöhnlich auf sechs Monate ausgestellt.

Vaudevilleschreiber beschäftigt, um sich um die Dichtungen eines Grillparzer kümmern zu können. Es ist in diesen Blättern bereits von dem barocken, poesievollen, aber undarstellbaren Lustspiel „wehe dem, der lügt,“ die Rede gewesen, und wir müssen in diesem Falle die deutschen Bühnen um so eher freisprechen, als die unlängst in Weimar stattgefundene Darstellung die scenische Unzulänglichkeit des Stücks neuerdings klar gemacht hat. Womit aber läßt es sich entschuldigen, daß eine so reizende Dichtung wie der „Traum ein Leben“ den meisten Bühnen fremd ist? Ich habe dieses mährchenhafte Drama nie ohne die innigste Rührung sehen können. Immer drängte sich mir der Gedanke auf, als ob der Dichter seinen eigenen Lebenstraum mit bitterer Ironie in phantastischen Puppen verkörpern wollte, um so über sich selbst zu lachen und zu weinen. Dieser Rustan, dessen heiße Phantasie ihn aus seiner stillen Hütte reißt und hinaus treibt in eine fremde Welt, wo er, von That zu That getrieben, endlich sich zurücksehnt in die Einsamkeit seines ruhigen Thales, und am Morgen mit befreiter Seele erkennt, daß Alles ein Traum gewesen: dieser Held ist Grillparzer selbst, geboren für die Einsamkeit und die melancholischen Träume eines Dichters, der die Welt zu sich kommen läßt und nicht sie aufsucht, und der, durch äußere Zufälle bestimmt, diese Einsamkeit verließ und hinaus trat auf die Bühne der Welt, wo zahllose Conflicte ihn erfaßten, und er nicht mehr Herr seines freien Willens blieb, und Thaten vollbrachte, die ihn selbst überwuchsen und seinem ursprünglichen Wesen fremd waren. Ottokar, der treue Diener seines Herrn, und selbst ein großer Theil seiner antiken Poesien, sind diesem Einflusse entsprungen und erlegen. Grillparzer erkennt dieß, und sein edles Gemüth ist tief und schmerzvoll davon berührt, und seine ehemaligen Bekannten wundern sich, wie der in den Tagen der Ludlamshöhle so joviale Grillparzer immer stiller und menschenscheuer wird, und das hochkritische und tiefästhetische Burgtheaterpublicum ereifert sich, wie Grillparzer das ein Lustspiel nennen könne, worin die Caroline Müller gar keine Rolle spielen könnte, und das Weinen näher als das Lachen ist, und die Wiener Lessinge beweisen dramaturgisch tief, wie der Titel: „weh dem, der lügt,“ gerade der Widerspruch jenes Gedichts sey; aber nur Wenige ahnen, welche herzzerreißende Ironie der Dichter mit jenen Worten über sich selbst ausgesprochen, nur Wenige begreifen die tiefe Satyre eines Lustspiels, in welchem „das Weinen näher als das Lachen ist.“ (Morgenbl.)

Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten.

V. Treasurysystem, Banken und Anlehen.

Wir haben bis hieher die Botschaft ihrer ganzen Ausdehnung nach gegeben, da aber der Rest, nämlich die größere Hälfte von den oben bezeichneten, eng unter einander zusammenhängenden Gegenständen handelt, so halten wir es für angemessen, dessen Hauptzüge in gedrängter Kürze zusammenzustellen, um eine leichtere Uebersicht zu gewinnen.

„Nach einer Acte des Jahres 1836 sollte die Unionsregierung, nach dem Erlöschen des Freibriefs der Vereinigten-Staaten-Bank, die Gelder des Staats in solchen Banken niederlegen können, welche stets bereit wären, ihre Zettel mit baarem Gelde einzulösen. Nach der allgemeinen Zahlungssuspension im Jahr 1837 mußte die Regierung, dem Gesetze gemäß, auf eine andere Weise für die Erhebung und Aufbewahrung der Staatsgelder sorgen, und beauftragte damit die Beamten des Schatzamtes und der Post. Dabei blieb es, weil sich die Regierung während der zwei Sessionen des Congresses mit diesem nicht über ein System der gänzlichen Trennung der Schatzverwaltung von den Banken vereinigen konnte; daß aber ein bestimmtes Gesetz hierüber zu Stande komme, ist in hohem Grade wünschenswerth, weil die Sicherheit der Staatsgelder davon abhängt, daß die Benützung derselben zu Privatzwecken als Verbrechen (felony) erklärt werde. Indeß ist trotz der anerkannten Mangelhaftigkeit der bestehenden Gesetze und der ungewöhnlichen Störung in allen Handelsverhältnissen die Einsammlung, Aufbewahrung und Wiederverausgabung der öffentlichen Gelder auffallend glücklich von Statten gegangen, und obwohl im Laufe dieser drei Jahre 66 Millionen Dollars erhoben wurden, so haben doch, trotz des Mangels an hinreichenden gesetzlichen Zwangsmitteln, die Veruntreuungen nur 60,000 Dollars betragen, und es ergibt sich aus einer Zusammenstellung der verschiedenen Methoden von Schatzverwaltung seit dem Jahr 1786, daß die Verluste bei weitem die größten waren, wenn man die Banken mit der Einziehung und Wiederverausgabung der Gelder beauftragte. Die Verluste, die man dabei an den Zollscheinen *)*) erlitt, übersteigen allein die Veruntreuungen der Zollbeamten und Einnehmer um das Dreifache. Unter 27 Regierungen, von denen genaue Nachrichten erhoben wurden, sind 22, welche ihre Gelder nur durch öffentliche Beamte aufbewahren lassen, und diese große Uebereinstimmung, verbunden mit der eigenen Erfahrung, liefert einen genügenden Beweis, daß diese Verfahrungsweise die größte Sicherheit gewährre.

„Die Suspension der Baarzahlungen im Jahr 1837 von Seite der Banken, denen öffentliche Gelder anvertraut waren, zeigte auf eine beunruhigende Weise die Abhängigkeit des Staats in seinen wichtigsten Functionen von diesen Instituten, und die neuern Ereignisse haben das Nachtheilige einer solchen Verbindung abermals gezeigt. Selten ist bei dem jetzigen System eine Bank im Stande alle ihre Noten einzulösen und ihre Depositen herauszuzahlen; sie setzt die Baarzahlungen fort, und treibt ein einträgliches Geschäft nur durch das öffentliche Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit; hört aber dieß auf, und die Noteninhaber, so wie die Depositoren drängen sie schneller, als sie ihre ausstehenden Schulden einziehen kann, so muß sie ihre Zahlungen einstellen. Dieß geschah allgemein im Jahr 1837, und man ließ nicht bloß die Entschuldigung gelten, sondern man entzog ihnen auch die verwirkten Freibriefe nicht, und gewährte ihnen Zeit, die öffentlichen Gelder, in deren Besitz sie waren, allmählich zu bezahlen, obgleich die Unionsregierung dafür Schatzkammerscheine ausgeben mußte. Aber die kürzlich erst erfolgte Zahlungssuspension eines großen Theils der Banken, und zwar gerade der mächtigsten und einflußreichsten, hat nicht einmal diesen Entschuldigungsgrund der Nothwendigkeit, sondern man führt bloß an, daß der Gang der Geschäfte und der Stand des Wechselcurses, der das baare Geld aus ihren Gewölben zieht, sie zu einer größern Einschränkung ihrer Anlehen an Kaufleute nöthigen würde, als ihnen bequem und angemessen (convenient) erscheine. Ein solches Benehmen ist ein Unrecht gegen den einzelnen Gläubiger und gegen den Staat, der ihnen in ihrem Freibrief so große Vorrechte ertheilte, dessen Geschäfte sie in Unordnung bringen, und dessen Eigenthum sie unsicher und schwankend machen. Dieser neue Grund für Zahlungseinstellungen gibt der Sache ein noch viel beunruhigenderes Ansehen, und macht es noch weit unpassender, sich in den financiellen Geschäften der Regierung auf sie zu verlassen.

„Neue Gefahren für die Banken ergeben sich täglich durch die Ausdehnung des ausschweifenden Creditsystems, dessen Pfeiler

*) In Amerika wurden bisher die Zölle von den Kaufleuten in Wechseln auf sich selbst oder auf eine Bank bezahlt, und waren gewöhnlich auf sechs Monate ausgestellt.
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[0237/0013] Vaudevilleschreiber beschäftigt, um sich um die Dichtungen eines Grillparzer kümmern zu können. Es ist in diesen Blättern bereits von dem barocken, poesievollen, aber undarstellbaren Lustspiel „wehe dem, der lügt,“ die Rede gewesen, und wir müssen in diesem Falle die deutschen Bühnen um so eher freisprechen, als die unlängst in Weimar stattgefundene Darstellung die scenische Unzulänglichkeit des Stücks neuerdings klar gemacht hat. Womit aber läßt es sich entschuldigen, daß eine so reizende Dichtung wie der „Traum ein Leben“ den meisten Bühnen fremd ist? Ich habe dieses mährchenhafte Drama nie ohne die innigste Rührung sehen können. Immer drängte sich mir der Gedanke auf, als ob der Dichter seinen eigenen Lebenstraum mit bitterer Ironie in phantastischen Puppen verkörpern wollte, um so über sich selbst zu lachen und zu weinen. Dieser Rustan, dessen heiße Phantasie ihn aus seiner stillen Hütte reißt und hinaus treibt in eine fremde Welt, wo er, von That zu That getrieben, endlich sich zurücksehnt in die Einsamkeit seines ruhigen Thales, und am Morgen mit befreiter Seele erkennt, daß Alles ein Traum gewesen: dieser Held ist Grillparzer selbst, geboren für die Einsamkeit und die melancholischen Träume eines Dichters, der die Welt zu sich kommen läßt und nicht sie aufsucht, und der, durch äußere Zufälle bestimmt, diese Einsamkeit verließ und hinaus trat auf die Bühne der Welt, wo zahllose Conflicte ihn erfaßten, und er nicht mehr Herr seines freien Willens blieb, und Thaten vollbrachte, die ihn selbst überwuchsen und seinem ursprünglichen Wesen fremd waren. Ottokar, der treue Diener seines Herrn, und selbst ein großer Theil seiner antiken Poesien, sind diesem Einflusse entsprungen und erlegen. Grillparzer erkennt dieß, und sein edles Gemüth ist tief und schmerzvoll davon berührt, und seine ehemaligen Bekannten wundern sich, wie der in den Tagen der Ludlamshöhle so joviale Grillparzer immer stiller und menschenscheuer wird, und das hochkritische und tiefästhetische Burgtheaterpublicum ereifert sich, wie Grillparzer das ein Lustspiel nennen könne, worin die Caroline Müller gar keine Rolle spielen könnte, und das Weinen näher als das Lachen ist, und die Wiener Lessinge beweisen dramaturgisch tief, wie der Titel: „weh dem, der lügt,“ gerade der Widerspruch jenes Gedichts sey; aber nur Wenige ahnen, welche herzzerreißende Ironie der Dichter mit jenen Worten über sich selbst ausgesprochen, nur Wenige begreifen die tiefe Satyre eines Lustspiels, in welchem „das Weinen näher als das Lachen ist.“ (Morgenbl.) Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten. V. Treasurysystem, Banken und Anlehen. Wir haben bis hieher die Botschaft ihrer ganzen Ausdehnung nach gegeben, da aber der Rest, nämlich die größere Hälfte von den oben bezeichneten, eng unter einander zusammenhängenden Gegenständen handelt, so halten wir es für angemessen, dessen Hauptzüge in gedrängter Kürze zusammenzustellen, um eine leichtere Uebersicht zu gewinnen. „Nach einer Acte des Jahres 1836 sollte die Unionsregierung, nach dem Erlöschen des Freibriefs der Vereinigten-Staaten-Bank, die Gelder des Staats in solchen Banken niederlegen können, welche stets bereit wären, ihre Zettel mit baarem Gelde einzulösen. Nach der allgemeinen Zahlungssuspension im Jahr 1837 mußte die Regierung, dem Gesetze gemäß, auf eine andere Weise für die Erhebung und Aufbewahrung der Staatsgelder sorgen, und beauftragte damit die Beamten des Schatzamtes und der Post. Dabei blieb es, weil sich die Regierung während der zwei Sessionen des Congresses mit diesem nicht über ein System der gänzlichen Trennung der Schatzverwaltung von den Banken vereinigen konnte; daß aber ein bestimmtes Gesetz hierüber zu Stande komme, ist in hohem Grade wünschenswerth, weil die Sicherheit der Staatsgelder davon abhängt, daß die Benützung derselben zu Privatzwecken als Verbrechen (felony) erklärt werde. Indeß ist trotz der anerkannten Mangelhaftigkeit der bestehenden Gesetze und der ungewöhnlichen Störung in allen Handelsverhältnissen die Einsammlung, Aufbewahrung und Wiederverausgabung der öffentlichen Gelder auffallend glücklich von Statten gegangen, und obwohl im Laufe dieser drei Jahre 66 Millionen Dollars erhoben wurden, so haben doch, trotz des Mangels an hinreichenden gesetzlichen Zwangsmitteln, die Veruntreuungen nur 60,000 Dollars betragen, und es ergibt sich aus einer Zusammenstellung der verschiedenen Methoden von Schatzverwaltung seit dem Jahr 1786, daß die Verluste bei weitem die größten waren, wenn man die Banken mit der Einziehung und Wiederverausgabung der Gelder beauftragte. Die Verluste, die man dabei an den Zollscheinen *) *) erlitt, übersteigen allein die Veruntreuungen der Zollbeamten und Einnehmer um das Dreifache. Unter 27 Regierungen, von denen genaue Nachrichten erhoben wurden, sind 22, welche ihre Gelder nur durch öffentliche Beamte aufbewahren lassen, und diese große Uebereinstimmung, verbunden mit der eigenen Erfahrung, liefert einen genügenden Beweis, daß diese Verfahrungsweise die größte Sicherheit gewährre. „Die Suspension der Baarzahlungen im Jahr 1837 von Seite der Banken, denen öffentliche Gelder anvertraut waren, zeigte auf eine beunruhigende Weise die Abhängigkeit des Staats in seinen wichtigsten Functionen von diesen Instituten, und die neuern Ereignisse haben das Nachtheilige einer solchen Verbindung abermals gezeigt. Selten ist bei dem jetzigen System eine Bank im Stande alle ihre Noten einzulösen und ihre Depositen herauszuzahlen; sie setzt die Baarzahlungen fort, und treibt ein einträgliches Geschäft nur durch das öffentliche Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit; hört aber dieß auf, und die Noteninhaber, so wie die Depositoren drängen sie schneller, als sie ihre ausstehenden Schulden einziehen kann, so muß sie ihre Zahlungen einstellen. Dieß geschah allgemein im Jahr 1837, und man ließ nicht bloß die Entschuldigung gelten, sondern man entzog ihnen auch die verwirkten Freibriefe nicht, und gewährte ihnen Zeit, die öffentlichen Gelder, in deren Besitz sie waren, allmählich zu bezahlen, obgleich die Unionsregierung dafür Schatzkammerscheine ausgeben mußte. Aber die kürzlich erst erfolgte Zahlungssuspension eines großen Theils der Banken, und zwar gerade der mächtigsten und einflußreichsten, hat nicht einmal diesen Entschuldigungsgrund der Nothwendigkeit, sondern man führt bloß an, daß der Gang der Geschäfte und der Stand des Wechselcurses, der das baare Geld aus ihren Gewölben zieht, sie zu einer größern Einschränkung ihrer Anlehen an Kaufleute nöthigen würde, als ihnen bequem und angemessen (convenient) erscheine. Ein solches Benehmen ist ein Unrecht gegen den einzelnen Gläubiger und gegen den Staat, der ihnen in ihrem Freibrief so große Vorrechte ertheilte, dessen Geschäfte sie in Unordnung bringen, und dessen Eigenthum sie unsicher und schwankend machen. Dieser neue Grund für Zahlungseinstellungen gibt der Sache ein noch viel beunruhigenderes Ansehen, und macht es noch weit unpassender, sich in den financiellen Geschäften der Regierung auf sie zu verlassen. „Neue Gefahren für die Banken ergeben sich täglich durch die Ausdehnung des ausschweifenden Creditsystems, dessen Pfeiler *) In Amerika wurden bisher die Zölle von den Kaufleuten in Wechseln auf sich selbst oder auf eine Bank bezahlt, und waren gewöhnlich auf sechs Monate ausgestellt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840, S. 0237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_030_18400130/13>, abgerufen am 29.03.2024.