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Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840.

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von Bayern eine schöne Lehre, ein würdiges Beispiel. Seine Bayern werden es verstehen, nicht aber die tadelsüchtigen Schwätzer Europa's. Nie wird Ludwig Philipp ein so großherziges Wort inmitten der starken Geister seiner Kammern wagen; spräche er es aus, die Presse geriethe in Aufruhr, drohende Gruppen bildeten sich in den Hauptstraßen von Paris, die Fonds fielen, zwei Tage lang ermüdeten die Telegraphen die Lüfte mit ihren langen Armen, die Provinzen empfänden den Eindruck, und Europa, die Welt spräche lange davon. In Frankreich, mit seiner constitutionellen Regierung - die ein Staatsmann so gut "Regierung des Mißtrauens" definirte - dürfte kein Souverän den Abgeordneten der Nation ungestraft zurufen: "Habt Vertrauen zu mir; das Mißtrauen ist gefährlich; möge man dieses Axiom nie vergessen!" Man würde die Worte Vertrauen, Mißtrauen, Axiom wenden und drehen auf hunderterlei Weisen. Man würde sie dergestalt ausbeuten, daß sie gleichbedeutend würden mit Censur der Presse, Despotismus, Ordonnanzen wider die im Julius eroberten Freiheiten u. s. w. Von allen Seiten riefe man: "Der König wünscht, daß man Vertrauen zu ihm hege; das heißt, er will, daß man ihn ungestraft die Nationalfreiheiten mit Füßen treten lasse; der König hat gesagt, das Mißtrauen sey ein Uebel; das heißt, er will mit Einem Schlag die Opposition vernichten, er will ein "Gesetz der Verdächtigen" ergehen lassen, eine Bartholomäusnacht gegen die Linke, die äußerste Linke und die äußerste Rechte schleudern. Dieses Axiom im Munde Ludwig Philipps bedeutet unbestreitbar, daß er den Despotismus als Princip aufzustellen im Sinne hat." ... Gott sey Dank, in Bayern sehen die Leute nicht so trübe; das von dem Souverän im Ständesaal zu München ausgesprochene Wort wird seinem Werthe nach erkannt werden, d. h. als ein gerechtes, sittliches, hochherziges, des Nachdenkens würdiges Wort."

Die Repräsentantenkammer hat seit dem 15 d. M. die Berathungen über die Budgets wieder vorgenommen. Die drei Abtheilungen, die noch zu erledigen sind, betreffen die öffentlichen Bauten (Minister: Hr. Nothomb), das Ministerium des Innern (Hr. de Theux) und das Ministerium des Kriegs (Hr. Willmar). Es sind dieses die drei Minister, die zu Anfang des vorigen Jahrs, nach dem Rücktritt ihrer Collegen der Justiz und der Finanzen, allein die schwere Aufgabe übernahmen, in den Kammern auf die Annahme des Tractats der 24 Artikel anzutragen. Damals waren die Budgetverhandlungen schon geschlossen. Zum erstenmale befinden sich also diese Minister, seit der Annahme des Friedensvertrags, mit den Budgets ihrer respectiven Departements vor den Kammern, haben mithin eine Probe zu bestehen, die, je nachdem sie ausfällt, immer noch als ein Urtheil der Landesvertreter über ihre damalige Politik angesehen werden darf, und den eigentlichen Abschluß derselben im Innern bilden wird. Daß sie selbst die gegenwärtigen Budgetverhandlungen aus diesem Standpunkt aufgefaßt wissen wollen, erklärte vor einiger Zeit der ministerielle "Independant." Aus demselben Grunde sind auch bisher noch keine ernstliche Schritte zur Reconstituirung eines separaten Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten geschehen. Das Cabinet will erst durch die Abstimmungen über alle Abtheilungen des Budgets der Majorität in den Kammern sicher seyn, und besonders wollten die genannten drei Mitglieder desselben zuerst eine abermalige Zustimmung zu dem Geiste, in dem sie gehandelt, erhalten haben, ehe sie Schritte dieser Art thun, die sonst auch weder ein hinlängliches Vertrauen einflößen, noch zu einem erwünschten Ziele führen könnten. Schon während der allgemeinen Debatten über die Finanzgesetze für 1840 im verflossenen December war mehrmals von der vorigjährigen Politik des Cabinets in Beziehung auf den Friedenstractat die Rede. Es tritt dabei der sonderbare Umstand ein, daß solche Repräsentanten, die damals für die Annahme der 24 Artikel stimmten, jetzt den Ministern ein Verbrechen daraus machen wollen, daß sie sie in Vorschlag gebracht, oder daß sie die diplomatischen Verhandlungen so und nicht anders geleitet. Nichts ist freilich leichter, als hinterher zu tadeln; um dem Tadel den rechten Nachdruck zu geben, müßte man indessen auch anzugeben wissen, auf welche Weise ein besseres Resultat zu erreichen gewesen wäre, was bisher der Opposition nicht gelungen, daher auch ihre Reden wenig Eindruck gemacht, und was etwa noch in dieser Art vorgebracht werden mag, eben so wenig Eindruck machen wird. Es blickt überhaupt aus den meisten Angriffen nur ein gewisser Krieg um die Portefeuilles hervor, ein kleinliches Treiben, von dem für die öffentliche Sache nichts Ersprießliches ausgehen wird. Seit der Wiedereröffnung der Verhandlungen ist über den früher erwähnten Canal in Flandern, von dem die Opposition behauptete, er sey mehr in Frankreichs als in Belgiens Interesse projectirt, abgestimmt worden. Die Majorität für die Minister war 44 gegen 27. Die Opposition hatte gehofft, die Kammer dadurch für sich zu gewinnen, daß sie die mit Frankreich wegen jenes Canals abgeschlossene Convention für unkräftig erklärte, so lange sie nicht von beiden Kammern genehmigt worden; dennoch zog sie den Kürzern. Der kurzsichtige, beengende, jeder Wirkung ins Große entgegenstehende Localgeist reichte während der Debatten über diese, für das Ausland kaum bemerkenswerthe Frage dem Geiste der Chicane gegen den Minister Nothomb, dessen Verantwortlichkeit hier besonders im Spiel war, die Hand. Derselbe Minister wird heute, wo speciell von der Eisenbahn die Rede seyn wird, seine Rechtfertigung wegen der Sandanschaffungen, die man auf einzelnen Strecken viel zu kostspielig finden will, vorzutragen haben. Er hat bereits eine gedruckte Arbeit hierüber austheilen lassen, worin er die Kritiken, denen er bloßgestellt gewesen, widerlegt. Uebrigens wurden ihm schon gestern mehrere Posten seiner Voranschläge ohne alle Verminderung bewilligt, was allem Anschein nach mit den übrigen ebenfalls der Fall seyn wird.

Deutschland.

Ueber die bereits erwähnte Sitzung der Kammer der Abgeordneten am 22 Jan. - die Beschwerde des Advocaten Dr. Hutter betreffend - enthalten die bayerischen Blätter sehr ausführliche Berichte. Wir glauben davon einige Hauptzüge nachtragen zu müssen. Die Debatte hatte sich lange um das Forum gedreht, vor welchem die Eingabe des Reclamanten ihre nächste Erledigung zu finden habe (vor der Kammer selbst oder dem betreffenden Ausschuß). Die Kammer entschied für ihre eigene Competenz. In Bezug darauf äußerte der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, die Ansicht, daß die formelle Untersuchung und Erörterung von der materiellen nicht hätte getrennt werden sollen, weil dann die Entscheidung besonders an Klarheit gewonnen hätte. Indeß nach dem gefaßten Beschlusse könne auch seine Erörterung vorläufig nur die Competenzfrage berühren. Dr. Hutter, welcher auf den Grund der Bestimmungen des §. 44 der Xten Verfassungsbeilage die königliche Bewilligung zum Eintritt nicht erhalten, habe hiegegen remonstrirt, und beantragt, die Kammer sollte entscheiden, daß er einzuberufen sey, und sein Ersatzmann auszutreten habe. Dieser Antrag enthalte aber nichts Anderes, als eine Beschwerde

von Bayern eine schöne Lehre, ein würdiges Beispiel. Seine Bayern werden es verstehen, nicht aber die tadelsüchtigen Schwätzer Europa's. Nie wird Ludwig Philipp ein so großherziges Wort inmitten der starken Geister seiner Kammern wagen; spräche er es aus, die Presse geriethe in Aufruhr, drohende Gruppen bildeten sich in den Hauptstraßen von Paris, die Fonds fielen, zwei Tage lang ermüdeten die Telegraphen die Lüfte mit ihren langen Armen, die Provinzen empfänden den Eindruck, und Europa, die Welt spräche lange davon. In Frankreich, mit seiner constitutionellen Regierung – die ein Staatsmann so gut „Regierung des Mißtrauens“ definirte – dürfte kein Souverän den Abgeordneten der Nation ungestraft zurufen: „Habt Vertrauen zu mir; das Mißtrauen ist gefährlich; möge man dieses Axiom nie vergessen!“ Man würde die Worte Vertrauen, Mißtrauen, Axiom wenden und drehen auf hunderterlei Weisen. Man würde sie dergestalt ausbeuten, daß sie gleichbedeutend würden mit Censur der Presse, Despotismus, Ordonnanzen wider die im Julius eroberten Freiheiten u. s. w. Von allen Seiten riefe man: “Der König wünscht, daß man Vertrauen zu ihm hege; das heißt, er will, daß man ihn ungestraft die Nationalfreiheiten mit Füßen treten lasse; der König hat gesagt, das Mißtrauen sey ein Uebel; das heißt, er will mit Einem Schlag die Opposition vernichten, er will ein „Gesetz der Verdächtigen“ ergehen lassen, eine Bartholomäusnacht gegen die Linke, die äußerste Linke und die äußerste Rechte schleudern. Dieses Axiom im Munde Ludwig Philipps bedeutet unbestreitbar, daß er den Despotismus als Princip aufzustellen im Sinne hat.“ ... Gott sey Dank, in Bayern sehen die Leute nicht so trübe; das von dem Souverän im Ständesaal zu München ausgesprochene Wort wird seinem Werthe nach erkannt werden, d. h. als ein gerechtes, sittliches, hochherziges, des Nachdenkens würdiges Wort.“

Die Repräsentantenkammer hat seit dem 15 d. M. die Berathungen über die Budgets wieder vorgenommen. Die drei Abtheilungen, die noch zu erledigen sind, betreffen die öffentlichen Bauten (Minister: Hr. Nothomb), das Ministerium des Innern (Hr. de Theux) und das Ministerium des Kriegs (Hr. Willmar). Es sind dieses die drei Minister, die zu Anfang des vorigen Jahrs, nach dem Rücktritt ihrer Collegen der Justiz und der Finanzen, allein die schwere Aufgabe übernahmen, in den Kammern auf die Annahme des Tractats der 24 Artikel anzutragen. Damals waren die Budgetverhandlungen schon geschlossen. Zum erstenmale befinden sich also diese Minister, seit der Annahme des Friedensvertrags, mit den Budgets ihrer respectiven Departements vor den Kammern, haben mithin eine Probe zu bestehen, die, je nachdem sie ausfällt, immer noch als ein Urtheil der Landesvertreter über ihre damalige Politik angesehen werden darf, und den eigentlichen Abschluß derselben im Innern bilden wird. Daß sie selbst die gegenwärtigen Budgetverhandlungen aus diesem Standpunkt aufgefaßt wissen wollen, erklärte vor einiger Zeit der ministerielle „Indépendant.“ Aus demselben Grunde sind auch bisher noch keine ernstliche Schritte zur Reconstituirung eines separaten Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten geschehen. Das Cabinet will erst durch die Abstimmungen über alle Abtheilungen des Budgets der Majorität in den Kammern sicher seyn, und besonders wollten die genannten drei Mitglieder desselben zuerst eine abermalige Zustimmung zu dem Geiste, in dem sie gehandelt, erhalten haben, ehe sie Schritte dieser Art thun, die sonst auch weder ein hinlängliches Vertrauen einflößen, noch zu einem erwünschten Ziele führen könnten. Schon während der allgemeinen Debatten über die Finanzgesetze für 1840 im verflossenen December war mehrmals von der vorigjährigen Politik des Cabinets in Beziehung auf den Friedenstractat die Rede. Es tritt dabei der sonderbare Umstand ein, daß solche Repräsentanten, die damals für die Annahme der 24 Artikel stimmten, jetzt den Ministern ein Verbrechen daraus machen wollen, daß sie sie in Vorschlag gebracht, oder daß sie die diplomatischen Verhandlungen so und nicht anders geleitet. Nichts ist freilich leichter, als hinterher zu tadeln; um dem Tadel den rechten Nachdruck zu geben, müßte man indessen auch anzugeben wissen, auf welche Weise ein besseres Resultat zu erreichen gewesen wäre, was bisher der Opposition nicht gelungen, daher auch ihre Reden wenig Eindruck gemacht, und was etwa noch in dieser Art vorgebracht werden mag, eben so wenig Eindruck machen wird. Es blickt überhaupt aus den meisten Angriffen nur ein gewisser Krieg um die Portefeuilles hervor, ein kleinliches Treiben, von dem für die öffentliche Sache nichts Ersprießliches ausgehen wird. Seit der Wiedereröffnung der Verhandlungen ist über den früher erwähnten Canal in Flandern, von dem die Opposition behauptete, er sey mehr in Frankreichs als in Belgiens Interesse projectirt, abgestimmt worden. Die Majorität für die Minister war 44 gegen 27. Die Opposition hatte gehofft, die Kammer dadurch für sich zu gewinnen, daß sie die mit Frankreich wegen jenes Canals abgeschlossene Convention für unkräftig erklärte, so lange sie nicht von beiden Kammern genehmigt worden; dennoch zog sie den Kürzern. Der kurzsichtige, beengende, jeder Wirkung ins Große entgegenstehende Localgeist reichte während der Debatten über diese, für das Ausland kaum bemerkenswerthe Frage dem Geiste der Chicane gegen den Minister Nothomb, dessen Verantwortlichkeit hier besonders im Spiel war, die Hand. Derselbe Minister wird heute, wo speciell von der Eisenbahn die Rede seyn wird, seine Rechtfertigung wegen der Sandanschaffungen, die man auf einzelnen Strecken viel zu kostspielig finden will, vorzutragen haben. Er hat bereits eine gedruckte Arbeit hierüber austheilen lassen, worin er die Kritiken, denen er bloßgestellt gewesen, widerlegt. Uebrigens wurden ihm schon gestern mehrere Posten seiner Voranschläge ohne alle Verminderung bewilligt, was allem Anschein nach mit den übrigen ebenfalls der Fall seyn wird.

Deutschland.

Ueber die bereits erwähnte Sitzung der Kammer der Abgeordneten am 22 Jan. – die Beschwerde des Advocaten Dr. Hutter betreffend – enthalten die bayerischen Blätter sehr ausführliche Berichte. Wir glauben davon einige Hauptzüge nachtragen zu müssen. Die Debatte hatte sich lange um das Forum gedreht, vor welchem die Eingabe des Reclamanten ihre nächste Erledigung zu finden habe (vor der Kammer selbst oder dem betreffenden Ausschuß). Die Kammer entschied für ihre eigene Competenz. In Bezug darauf äußerte der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, die Ansicht, daß die formelle Untersuchung und Erörterung von der materiellen nicht hätte getrennt werden sollen, weil dann die Entscheidung besonders an Klarheit gewonnen hätte. Indeß nach dem gefaßten Beschlusse könne auch seine Erörterung vorläufig nur die Competenzfrage berühren. Dr. Hutter, welcher auf den Grund der Bestimmungen des §. 44 der Xten Verfassungsbeilage die königliche Bewilligung zum Eintritt nicht erhalten, habe hiegegen remonstrirt, und beantragt, die Kammer sollte entscheiden, daß er einzuberufen sey, und sein Ersatzmann auszutreten habe. Dieser Antrag enthalte aber nichts Anderes, als eine Beschwerde

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[0237/0005] von Bayern eine schöne Lehre, ein würdiges Beispiel. Seine Bayern werden es verstehen, nicht aber die tadelsüchtigen Schwätzer Europa's. Nie wird Ludwig Philipp ein so großherziges Wort inmitten der starken Geister seiner Kammern wagen; spräche er es aus, die Presse geriethe in Aufruhr, drohende Gruppen bildeten sich in den Hauptstraßen von Paris, die Fonds fielen, zwei Tage lang ermüdeten die Telegraphen die Lüfte mit ihren langen Armen, die Provinzen empfänden den Eindruck, und Europa, die Welt spräche lange davon. In Frankreich, mit seiner constitutionellen Regierung – die ein Staatsmann so gut „Regierung des Mißtrauens“ definirte – dürfte kein Souverän den Abgeordneten der Nation ungestraft zurufen: „Habt Vertrauen zu mir; das Mißtrauen ist gefährlich; möge man dieses Axiom nie vergessen!“ Man würde die Worte Vertrauen, Mißtrauen, Axiom wenden und drehen auf hunderterlei Weisen. Man würde sie dergestalt ausbeuten, daß sie gleichbedeutend würden mit Censur der Presse, Despotismus, Ordonnanzen wider die im Julius eroberten Freiheiten u. s. w. Von allen Seiten riefe man: “Der König wünscht, daß man Vertrauen zu ihm hege; das heißt, er will, daß man ihn ungestraft die Nationalfreiheiten mit Füßen treten lasse; der König hat gesagt, das Mißtrauen sey ein Uebel; das heißt, er will mit Einem Schlag die Opposition vernichten, er will ein „Gesetz der Verdächtigen“ ergehen lassen, eine Bartholomäusnacht gegen die Linke, die äußerste Linke und die äußerste Rechte schleudern. Dieses Axiom im Munde Ludwig Philipps bedeutet unbestreitbar, daß er den Despotismus als Princip aufzustellen im Sinne hat.“ ... Gott sey Dank, in Bayern sehen die Leute nicht so trübe; das von dem Souverän im Ständesaal zu München ausgesprochene Wort wird seinem Werthe nach erkannt werden, d. h. als ein gerechtes, sittliches, hochherziges, des Nachdenkens würdiges Wort.“ _ Brüssel, 21 Jan. Die Repräsentantenkammer hat seit dem 15 d. M. die Berathungen über die Budgets wieder vorgenommen. Die drei Abtheilungen, die noch zu erledigen sind, betreffen die öffentlichen Bauten (Minister: Hr. Nothomb), das Ministerium des Innern (Hr. de Theux) und das Ministerium des Kriegs (Hr. Willmar). Es sind dieses die drei Minister, die zu Anfang des vorigen Jahrs, nach dem Rücktritt ihrer Collegen der Justiz und der Finanzen, allein die schwere Aufgabe übernahmen, in den Kammern auf die Annahme des Tractats der 24 Artikel anzutragen. Damals waren die Budgetverhandlungen schon geschlossen. Zum erstenmale befinden sich also diese Minister, seit der Annahme des Friedensvertrags, mit den Budgets ihrer respectiven Departements vor den Kammern, haben mithin eine Probe zu bestehen, die, je nachdem sie ausfällt, immer noch als ein Urtheil der Landesvertreter über ihre damalige Politik angesehen werden darf, und den eigentlichen Abschluß derselben im Innern bilden wird. Daß sie selbst die gegenwärtigen Budgetverhandlungen aus diesem Standpunkt aufgefaßt wissen wollen, erklärte vor einiger Zeit der ministerielle „Indépendant.“ Aus demselben Grunde sind auch bisher noch keine ernstliche Schritte zur Reconstituirung eines separaten Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten geschehen. Das Cabinet will erst durch die Abstimmungen über alle Abtheilungen des Budgets der Majorität in den Kammern sicher seyn, und besonders wollten die genannten drei Mitglieder desselben zuerst eine abermalige Zustimmung zu dem Geiste, in dem sie gehandelt, erhalten haben, ehe sie Schritte dieser Art thun, die sonst auch weder ein hinlängliches Vertrauen einflößen, noch zu einem erwünschten Ziele führen könnten. Schon während der allgemeinen Debatten über die Finanzgesetze für 1840 im verflossenen December war mehrmals von der vorigjährigen Politik des Cabinets in Beziehung auf den Friedenstractat die Rede. Es tritt dabei der sonderbare Umstand ein, daß solche Repräsentanten, die damals für die Annahme der 24 Artikel stimmten, jetzt den Ministern ein Verbrechen daraus machen wollen, daß sie sie in Vorschlag gebracht, oder daß sie die diplomatischen Verhandlungen so und nicht anders geleitet. Nichts ist freilich leichter, als hinterher zu tadeln; um dem Tadel den rechten Nachdruck zu geben, müßte man indessen auch anzugeben wissen, auf welche Weise ein besseres Resultat zu erreichen gewesen wäre, was bisher der Opposition nicht gelungen, daher auch ihre Reden wenig Eindruck gemacht, und was etwa noch in dieser Art vorgebracht werden mag, eben so wenig Eindruck machen wird. Es blickt überhaupt aus den meisten Angriffen nur ein gewisser Krieg um die Portefeuilles hervor, ein kleinliches Treiben, von dem für die öffentliche Sache nichts Ersprießliches ausgehen wird. Seit der Wiedereröffnung der Verhandlungen ist über den früher erwähnten Canal in Flandern, von dem die Opposition behauptete, er sey mehr in Frankreichs als in Belgiens Interesse projectirt, abgestimmt worden. Die Majorität für die Minister war 44 gegen 27. Die Opposition hatte gehofft, die Kammer dadurch für sich zu gewinnen, daß sie die mit Frankreich wegen jenes Canals abgeschlossene Convention für unkräftig erklärte, so lange sie nicht von beiden Kammern genehmigt worden; dennoch zog sie den Kürzern. Der kurzsichtige, beengende, jeder Wirkung ins Große entgegenstehende Localgeist reichte während der Debatten über diese, für das Ausland kaum bemerkenswerthe Frage dem Geiste der Chicane gegen den Minister Nothomb, dessen Verantwortlichkeit hier besonders im Spiel war, die Hand. Derselbe Minister wird heute, wo speciell von der Eisenbahn die Rede seyn wird, seine Rechtfertigung wegen der Sandanschaffungen, die man auf einzelnen Strecken viel zu kostspielig finden will, vorzutragen haben. Er hat bereits eine gedruckte Arbeit hierüber austheilen lassen, worin er die Kritiken, denen er bloßgestellt gewesen, widerlegt. Uebrigens wurden ihm schon gestern mehrere Posten seiner Voranschläge ohne alle Verminderung bewilligt, was allem Anschein nach mit den übrigen ebenfalls der Fall seyn wird. Deutschland. _ München. Ueber die bereits erwähnte Sitzung der Kammer der Abgeordneten am 22 Jan. – die Beschwerde des Advocaten Dr. Hutter betreffend – enthalten die bayerischen Blätter sehr ausführliche Berichte. Wir glauben davon einige Hauptzüge nachtragen zu müssen. Die Debatte hatte sich lange um das Forum gedreht, vor welchem die Eingabe des Reclamanten ihre nächste Erledigung zu finden habe (vor der Kammer selbst oder dem betreffenden Ausschuß). Die Kammer entschied für ihre eigene Competenz. In Bezug darauf äußerte der k. Minister des Innern, Hr. v. Abel, die Ansicht, daß die formelle Untersuchung und Erörterung von der materiellen nicht hätte getrennt werden sollen, weil dann die Entscheidung besonders an Klarheit gewonnen hätte. Indeß nach dem gefaßten Beschlusse könne auch seine Erörterung vorläufig nur die Competenzfrage berühren. Dr. Hutter, welcher auf den Grund der Bestimmungen des §. 44 der Xten Verfassungsbeilage die königliche Bewilligung zum Eintritt nicht erhalten, habe hiegegen remonstrirt, und beantragt, die Kammer sollte entscheiden, daß er einzuberufen sey, und sein Ersatzmann auszutreten habe. Dieser Antrag enthalte aber nichts Anderes, als eine Beschwerde

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840, S. 0237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_030_18400130/5>, abgerufen am 25.04.2024.