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Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840.

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Griechenland.

Die Kairisschen Händel oder vielmehr die ihnen zum Grunde liegenden großartigen politischen Intriguen sind schnell zur Entwickelung gekommen. Indem ich mir vorbehalte, über diese merkwürdige und wichtige Katastrophe in einem andern Briefe zu berichten, stelle ich vorerst aus der Athene (denn der Aeon erscheint seit einigen Wochen nicht mehr) in chronologischer Folge die einzelnen Phasen und Daten der Entwickelung dieses Drama's zusammen. - Die Leser der Allg. Zeitung erinnern sich aus frühern Briefen, daß nicht allein eine Anzahl Schüler des Kairis gegen seine Verketzerung protestirt, und mehr als hundert der angesehensten Bürger von Andros sich mit einer Bittschrift für ihn an den König gewandt, sondern daß auch die Staatsprocuratoren des Appellations- und Cassationshofs die Gesetzlichkeit des gegen ihn vom Cultusministerium eingehaltenen Verfahrens angefochten hatten. In ihrer Nummer nun vom 20 Dec. (1 Jan.) berichtet die Athene bereits, daß der Justizminister Paikos ebenfalls das Verfahren des Hrn. Glarakis als durchaus willkürlich und ungesetzlich bekämpfe; in dem Blatte vom 23 aber überrascht sie ihre Leser mit der Nachricht, daß Abends vorher (am 3 Jan.) in zwei Häusern, bei dem Obersten Stamatelopulos Nikitas (dem berühmten Türkenfresser) und dem hier sich aufhaltenden jonischen Grafen Georg Kapodistrias (jüngstem Bruder des weiland Präsidenten) Haussuchung gehalten, und ihre Papiere mit Beschlag belegt worden seyen. Man habe darunter Actenstücke gefunden, welche die Existenz einer geheimen Gesellschaft, angeblich zur Aufrechthaltung der morgenländischen orthodoxen Kirche, in der That aber zum Umsturze der gegenwärtigen Ordnung der Dinge beweisen; keineswegs aber habe diese Gesellschaft, wie man ausgesprengt habe, die Insurgirung Thessaliens zum Zwecke gehabt. Hr. Zographos habe in Konstantinopel zuerst Anzeigen davon erhalten, und darüber an den Justizminister berichtet. So weit die ersten Nachrichten in der Athene. Ein anheres liberales Blatt (der Volksfreund) von demselben Tage setzt noch hinzu, daß gleichzeitig das königliche Dampfschiff Othon mit einem Staatsprocurator an Bord nach Spezzia und Nauplia abgesegelt, und ein Detaschement berittener Gendarmen zu Lande nach andern Gegenden abgegangen sey, um Verhaftungen vorzunehmen. - In ihrer Nummer vom 27 Dec. (8 Jan.) gibt endlich die Athena umständlichere Nachrichten über die ganze Sache, die ich Ihnen hier in extenso übersetze. - Der Leading Article des Blattes führt die Ueberschrift: "die Napistische*) Verschwörung." "Eine furchtbare Verschwörung ist am 22 d. in der Hauptstadt von Griechenland selbst entdeckt worden. Doch die göttliche Vorsehung wacht noch über Hellas; sie hat es in dem heiligen Kampfe gerettet, sie beschirmt es noch heute. Die Werkzeuge auch dieser neuen Verschwörung sind von derjenigen Fraction der Griechen, welche seit 1828 fremden Interessen dient, und nicht aufhört, die Ruhe des Staats und selbst die Existenz des Vaterlandes zu bedrohen. Georg Kapodistrias und der Oberst Nikitas Stamatelopulos sind verhaftet worden, und die Untersuchungen zur Entdeckung der zahlreichen Mitverschworenen haben ihren Fortgang. Man hat bei den genannten Männern schriftliche Documente ergriffen, welche ihren höllischen Plan beweisen. Aber was das an sich schon Schlimme noch schlimmer macht, ist das Mittel, welches als Vorwand zur Täuschung der einfältigern Menschen dienen sollte. Und welches ist dieser Vorwand? Der heiligste und kostbarste Besitz des Menschen, die heilige Religion. Im Namen der Orthodoxie wollten die Verschwornen mit Einem Schlage Griechenland zu Grunde richten! Jetzt begreifen wir, weßhalb die Prophezeiungen des Agathangelos und ähnliche herausgegeben und überall verbreitet wurden. Jetzt begreifen wir, auf was die vor drei Jahren verkündigte Weissagung von der Auferstehung des Johann Kapodistrias im Jahre 1840 abzielte! Jetzt begreifen wir, wozu so viele Gerüchte über das Jahr 1840. Jetzt begreifen wir, wozu so viel Lärmen und Geschrei über den unglücklichen Theophilos Kairis von dem Präsidenten der heiligen Synode und dem Cultusminister Hrn. G. Glarakis erhoben wurde. Jetzt fassen wir es, weßhalb die Rundschreiben der heiligen Synode und des Cultusministeriums ergingen, daß der orthodoxe Glaube zu Grunde gerichtet sey. Jetzt sehen wir ein, weßhalb die verrufene Epikrisis des Hrn. Oekonomos geschrieben wurde. Jetzt begreifen wir, weßhalb Hr. Th. Pharmakides als heterodox verleumdet und aus der heiligen Synode entfernt wurde. Alle diese Dinge zielten heimlich und arglistig auf denselben Zweck ab, auf den Zweck der entdeckten Verschwörung, und sollten dazu dienen, die Gemüther des Volks zu bearbeiten. Welche höllische Rathschläge, welche satanische Plane! Jetzt begreifen wir auch, wozu man die Brigandage im Peloponnes in Bewegung gesetzt hat, und wozu die berüchtigte Verordnung über die Versetzung der Verwandten der Räuber in andere Ortschaften. Die Aufreizung des Volkes zu Mißvergnügen gegen das Haupt des Staats war der Zweck dieser hinterlistigen Machinationen. Der König hat die Untersuchung nicht dem Minister des Innern, Hrn. Glarekas, gegeben, während diesem doch eigentlich die Sorge für die Sicherheit des Staats obliegt; er hat sie dem Justizminister Hrn. Paikos anvertraut; aber so groß auch die Verantwortung ist, die dieser übernommen hat, so wenig Geschicklichkeit hat er gezeigt; und zweifeln wir etwa, weßwegen? Hr. Paikos hat, wie wir hören, in dieser wichtigen Angelegenheit keineswegs den nöthigen Eifer an den Tag gelegt. Er hat sich mit der Haussuchung bei Georg Kapodistrias und Nikitas begnügt, während dieselbe weiter hätte ausgedehnt werden müssen; und die öffentliche Meinung dehnte sie auch wirklich auf Hrn. Oekonomos und auf den Präsidenten der Synode, Bischof von Kynuria, aus. Aber wir sind begierig zu erfahren, welche Personen die Voruntersuchung anstellen werden, wie diese zu Werke gehen, und welche Maaßregeln zu diesem Zweck werden genommen werden. Wir sagen dieß, weil wir wissen, von welcher Faction und von welcher Gesinnung der vor wenigen Tagen bei dem Bezirksgericht in Athen ernannte Staatsprocurator Hr. Tigaldos ist, eben derselbe nämlich, der im Jahr 1834 die Bittschrift der Insurgenten Messeniens abfaßte, und deßhalb vor ein Kriegsgericht gestellt und verurtheilt wurde. Ein solcher Mensch ist zum Staatsprocurator ernannt worden am Abend vor der Entdeckung der Verschwörung! Und wissen wit etwa nicht, woher diese so geeignete Ernennung rührt? Der Staatsprocurator beim Appellationsgericht in Athen, Hr. Balsamakis, von derselben Partei und Gesinnung, rühmt sich, wie man sagt, daß er es war, der seinen Verwandten und Gleichgesinnten Tigaldos empfohlen. Was aber das ganze Publicum in das äußerste Erstaunen gesetzt hat, ist die Beibehaltung des Hrn. Glarakis im Ministerium des Innern.*) Wie wird er für die völlige Unterdrückung der Verschwörung sorgen, nachdem er als Theilnehmer daran betrachtet worden ist? Wir

*) napas, napaioi, nap[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]des ist der familiäre Name der Partei, der eben so zufällig und sinnlos ist, wie die englischen Parteinamen.
*) Wir haben bereits angezeigt, daß er am 11 Abends entlassen wurde.

Griechenland.

Die Kaïrisschen Händel oder vielmehr die ihnen zum Grunde liegenden großartigen politischen Intriguen sind schnell zur Entwickelung gekommen. Indem ich mir vorbehalte, über diese merkwürdige und wichtige Katastrophe in einem andern Briefe zu berichten, stelle ich vorerst aus der Athene (denn der Aeon erscheint seit einigen Wochen nicht mehr) in chronologischer Folge die einzelnen Phasen und Daten der Entwickelung dieses Drama's zusammen. – Die Leser der Allg. Zeitung erinnern sich aus frühern Briefen, daß nicht allein eine Anzahl Schüler des Kaïris gegen seine Verketzerung protestirt, und mehr als hundert der angesehensten Bürger von Andros sich mit einer Bittschrift für ihn an den König gewandt, sondern daß auch die Staatsprocuratoren des Appellations- und Cassationshofs die Gesetzlichkeit des gegen ihn vom Cultusministerium eingehaltenen Verfahrens angefochten hatten. In ihrer Nummer nun vom 20 Dec. (1 Jan.) berichtet die Athene bereits, daß der Justizminister Païkos ebenfalls das Verfahren des Hrn. Glarakis als durchaus willkürlich und ungesetzlich bekämpfe; in dem Blatte vom 23 aber überrascht sie ihre Leser mit der Nachricht, daß Abends vorher (am 3 Jan.) in zwei Häusern, bei dem Obersten Stamatelopulos Nikitas (dem berühmten Türkenfresser) und dem hier sich aufhaltenden jonischen Grafen Georg Kapodistrias (jüngstem Bruder des weiland Präsidenten) Haussuchung gehalten, und ihre Papiere mit Beschlag belegt worden seyen. Man habe darunter Actenstücke gefunden, welche die Existenz einer geheimen Gesellschaft, angeblich zur Aufrechthaltung der morgenländischen orthodoxen Kirche, in der That aber zum Umsturze der gegenwärtigen Ordnung der Dinge beweisen; keineswegs aber habe diese Gesellschaft, wie man ausgesprengt habe, die Insurgirung Thessaliens zum Zwecke gehabt. Hr. Zographos habe in Konstantinopel zuerst Anzeigen davon erhalten, und darüber an den Justizminister berichtet. So weit die ersten Nachrichten in der Athene. Ein anheres liberales Blatt (der Volksfreund) von demselben Tage setzt noch hinzu, daß gleichzeitig das königliche Dampfschiff Othon mit einem Staatsprocurator an Bord nach Spezzia und Nauplia abgesegelt, und ein Detaschement berittener Gendarmen zu Lande nach andern Gegenden abgegangen sey, um Verhaftungen vorzunehmen. – In ihrer Nummer vom 27 Dec. (8 Jan.) gibt endlich die Athena umständlichere Nachrichten über die ganze Sache, die ich Ihnen hier in extenso übersetze. – Der Leading Article des Blattes führt die Ueberschrift: „die Napistische*) Verschwörung.“ „Eine furchtbare Verschwörung ist am 22 d. in der Hauptstadt von Griechenland selbst entdeckt worden. Doch die göttliche Vorsehung wacht noch über Hellas; sie hat es in dem heiligen Kampfe gerettet, sie beschirmt es noch heute. Die Werkzeuge auch dieser neuen Verschwörung sind von derjenigen Fraction der Griechen, welche seit 1828 fremden Interessen dient, und nicht aufhört, die Ruhe des Staats und selbst die Existenz des Vaterlandes zu bedrohen. Georg Kapodistrias und der Oberst Nikitas Stamatelopulos sind verhaftet worden, und die Untersuchungen zur Entdeckung der zahlreichen Mitverschworenen haben ihren Fortgang. Man hat bei den genannten Männern schriftliche Documente ergriffen, welche ihren höllischen Plan beweisen. Aber was das an sich schon Schlimme noch schlimmer macht, ist das Mittel, welches als Vorwand zur Täuschung der einfältigern Menschen dienen sollte. Und welches ist dieser Vorwand? Der heiligste und kostbarste Besitz des Menschen, die heilige Religion. Im Namen der Orthodoxie wollten die Verschwornen mit Einem Schlage Griechenland zu Grunde richten! Jetzt begreifen wir, weßhalb die Prophezeiungen des Agathangelos und ähnliche herausgegeben und überall verbreitet wurden. Jetzt begreifen wir, auf was die vor drei Jahren verkündigte Weissagung von der Auferstehung des Johann Kapodistrias im Jahre 1840 abzielte! Jetzt begreifen wir, wozu so viele Gerüchte über das Jahr 1840. Jetzt begreifen wir, wozu so viel Lärmen und Geschrei über den unglücklichen Theophilos Kaïris von dem Präsidenten der heiligen Synode und dem Cultusminister Hrn. G. Glarakis erhoben wurde. Jetzt fassen wir es, weßhalb die Rundschreiben der heiligen Synode und des Cultusministeriums ergingen, daß der orthodoxe Glaube zu Grunde gerichtet sey. Jetzt sehen wir ein, weßhalb die verrufene Epikrisis des Hrn. Oekonomos geschrieben wurde. Jetzt begreifen wir, weßhalb Hr. Th. Pharmakides als heterodox verleumdet und aus der heiligen Synode entfernt wurde. Alle diese Dinge zielten heimlich und arglistig auf denselben Zweck ab, auf den Zweck der entdeckten Verschwörung, und sollten dazu dienen, die Gemüther des Volks zu bearbeiten. Welche höllische Rathschläge, welche satanische Plane! Jetzt begreifen wir auch, wozu man die Brigandage im Peloponnes in Bewegung gesetzt hat, und wozu die berüchtigte Verordnung über die Versetzung der Verwandten der Räuber in andere Ortschaften. Die Aufreizung des Volkes zu Mißvergnügen gegen das Haupt des Staats war der Zweck dieser hinterlistigen Machinationen. Der König hat die Untersuchung nicht dem Minister des Innern, Hrn. Glarekas, gegeben, während diesem doch eigentlich die Sorge für die Sicherheit des Staats obliegt; er hat sie dem Justizminister Hrn. Païkos anvertraut; aber so groß auch die Verantwortung ist, die dieser übernommen hat, so wenig Geschicklichkeit hat er gezeigt; und zweifeln wir etwa, weßwegen? Hr. Païkos hat, wie wir hören, in dieser wichtigen Angelegenheit keineswegs den nöthigen Eifer an den Tag gelegt. Er hat sich mit der Haussuchung bei Georg Kapodistrias und Nikitas begnügt, während dieselbe weiter hätte ausgedehnt werden müssen; und die öffentliche Meinung dehnte sie auch wirklich auf Hrn. Oekonomos und auf den Präsidenten der Synode, Bischof von Kynuria, aus. Aber wir sind begierig zu erfahren, welche Personen die Voruntersuchung anstellen werden, wie diese zu Werke gehen, und welche Maaßregeln zu diesem Zweck werden genommen werden. Wir sagen dieß, weil wir wissen, von welcher Faction und von welcher Gesinnung der vor wenigen Tagen bei dem Bezirksgericht in Athen ernannte Staatsprocurator Hr. Tigaldos ist, eben derselbe nämlich, der im Jahr 1834 die Bittschrift der Insurgenten Messeniens abfaßte, und deßhalb vor ein Kriegsgericht gestellt und verurtheilt wurde. Ein solcher Mensch ist zum Staatsprocurator ernannt worden am Abend vor der Entdeckung der Verschwörung! Und wissen wit etwa nicht, woher diese so geeignete Ernennung rührt? Der Staatsprocurator beim Appellationsgericht in Athen, Hr. Balsamakis, von derselben Partei und Gesinnung, rühmt sich, wie man sagt, daß er es war, der seinen Verwandten und Gleichgesinnten Tigaldos empfohlen. Was aber das ganze Publicum in das äußerste Erstaunen gesetzt hat, ist die Beibehaltung des Hrn. Glarakis im Ministerium des Innern.*) Wie wird er für die völlige Unterdrückung der Verschwörung sorgen, nachdem er als Theilnehmer daran betrachtet worden ist? Wir

*) ναπας, ναπαιοι, ναπ[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]δες ist der familiäre Name der Partei, der eben so zufällig und sinnlos ist, wie die englischen Parteinamen.
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Die Werkzeuge auch dieser neuen Verschwörung sind von derjenigen Fraction der Griechen, welche seit 1828 fremden Interessen dient, und nicht aufhört, die Ruhe des Staats und selbst die Existenz des Vaterlandes zu bedrohen. Georg Kapodistrias und der Oberst Nikitas Stamatelopulos sind verhaftet worden, und die Untersuchungen zur Entdeckung der zahlreichen Mitverschworenen haben ihren Fortgang. Man hat bei den genannten Männern schriftliche Documente ergriffen, welche ihren höllischen Plan beweisen. Aber was das an sich schon Schlimme noch schlimmer macht, ist das Mittel, welches als Vorwand zur Täuschung der einfältigern Menschen dienen sollte. Und welches ist dieser Vorwand? Der heiligste und kostbarste Besitz des Menschen, die heilige Religion. Im Namen der <hi rendition="#g">Orthodoxie</hi> wollten die Verschwornen mit Einem Schlage Griechenland zu Grunde richten! 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Alle diese Dinge zielten heimlich und arglistig auf denselben Zweck ab, auf den Zweck der entdeckten Verschwörung, und sollten dazu dienen, die Gemüther des Volks zu bearbeiten. Welche höllische Rathschläge, welche satanische Plane! Jetzt begreifen wir auch, wozu man die Brigandage im Peloponnes in Bewegung gesetzt hat, und wozu die berüchtigte Verordnung über die Versetzung der Verwandten der Räuber in andere Ortschaften. Die Aufreizung des Volkes zu Mißvergnügen gegen das Haupt des Staats war der Zweck dieser hinterlistigen Machinationen. Der König hat die Untersuchung nicht dem Minister des Innern, Hrn. Glarekas, gegeben, während diesem doch eigentlich die Sorge für die Sicherheit des Staats obliegt; er hat sie dem Justizminister Hrn. Païkos anvertraut; aber so groß auch die Verantwortung ist, die dieser übernommen hat, so wenig Geschicklichkeit hat er gezeigt; und zweifeln wir etwa, weßwegen? Hr. Païkos hat, wie wir hören, in dieser wichtigen Angelegenheit keineswegs den nöthigen Eifer an den Tag gelegt. Er hat sich mit der Haussuchung bei Georg Kapodistrias und Nikitas begnügt, während dieselbe weiter hätte ausgedehnt werden müssen; und die öffentliche Meinung dehnte sie auch wirklich auf Hrn. Oekonomos und auf den Präsidenten der Synode, Bischof von Kynuria, aus. Aber wir sind begierig zu erfahren, welche Personen die Voruntersuchung anstellen werden, wie diese zu Werke gehen, und welche Maaßregeln zu diesem Zweck werden genommen werden. Wir sagen dieß, weil wir wissen, von welcher Faction und von welcher Gesinnung der vor wenigen Tagen bei dem Bezirksgericht in Athen ernannte Staatsprocurator Hr. Tigaldos ist, eben derselbe nämlich, der im Jahr 1834 die Bittschrift der Insurgenten Messeniens abfaßte, und deßhalb vor ein Kriegsgericht gestellt und verurtheilt wurde. Ein solcher Mensch ist zum Staatsprocurator ernannt worden am Abend vor der Entdeckung der Verschwörung! Und wissen wit etwa nicht, woher diese so geeignete Ernennung rührt? Der Staatsprocurator beim Appellationsgericht in Athen, Hr. Balsamakis, von derselben Partei und Gesinnung, rühmt sich, wie man sagt, daß er es war, der seinen Verwandten und Gleichgesinnten Tigaldos empfohlen. Was aber das ganze Publicum in das äußerste Erstaunen gesetzt hat, ist die Beibehaltung des Hrn. Glarakis im Ministerium des Innern.<note place="foot" n="*)">Wir haben bereits angezeigt, daß er am 11 Abends entlassen wurde.</note> Wie wird er für die völlige Unterdrückung der Verschwörung sorgen, nachdem er als Theilnehmer daran betrachtet worden ist? Wir<lb/></p>
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[0244/0012] Griechenland. △Athen, 11 Jan. Die Kaïrisschen Händel oder vielmehr die ihnen zum Grunde liegenden großartigen politischen Intriguen sind schnell zur Entwickelung gekommen. Indem ich mir vorbehalte, über diese merkwürdige und wichtige Katastrophe in einem andern Briefe zu berichten, stelle ich vorerst aus der Athene (denn der Aeon erscheint seit einigen Wochen nicht mehr) in chronologischer Folge die einzelnen Phasen und Daten der Entwickelung dieses Drama's zusammen. – Die Leser der Allg. Zeitung erinnern sich aus frühern Briefen, daß nicht allein eine Anzahl Schüler des Kaïris gegen seine Verketzerung protestirt, und mehr als hundert der angesehensten Bürger von Andros sich mit einer Bittschrift für ihn an den König gewandt, sondern daß auch die Staatsprocuratoren des Appellations- und Cassationshofs die Gesetzlichkeit des gegen ihn vom Cultusministerium eingehaltenen Verfahrens angefochten hatten. In ihrer Nummer nun vom 20 Dec. (1 Jan.) berichtet die Athene bereits, daß der Justizminister Païkos ebenfalls das Verfahren des Hrn. Glarakis als durchaus willkürlich und ungesetzlich bekämpfe; in dem Blatte vom 23 aber überrascht sie ihre Leser mit der Nachricht, daß Abends vorher (am 3 Jan.) in zwei Häusern, bei dem Obersten Stamatelopulos Nikitas (dem berühmten Türkenfresser) und dem hier sich aufhaltenden jonischen Grafen Georg Kapodistrias (jüngstem Bruder des weiland Präsidenten) Haussuchung gehalten, und ihre Papiere mit Beschlag belegt worden seyen. Man habe darunter Actenstücke gefunden, welche die Existenz einer geheimen Gesellschaft, angeblich zur Aufrechthaltung der morgenländischen orthodoxen Kirche, in der That aber zum Umsturze der gegenwärtigen Ordnung der Dinge beweisen; keineswegs aber habe diese Gesellschaft, wie man ausgesprengt habe, die Insurgirung Thessaliens zum Zwecke gehabt. Hr. Zographos habe in Konstantinopel zuerst Anzeigen davon erhalten, und darüber an den Justizminister berichtet. So weit die ersten Nachrichten in der Athene. Ein anheres liberales Blatt (der Volksfreund) von demselben Tage setzt noch hinzu, daß gleichzeitig das königliche Dampfschiff Othon mit einem Staatsprocurator an Bord nach Spezzia und Nauplia abgesegelt, und ein Detaschement berittener Gendarmen zu Lande nach andern Gegenden abgegangen sey, um Verhaftungen vorzunehmen. – In ihrer Nummer vom 27 Dec. (8 Jan.) gibt endlich die Athena umständlichere Nachrichten über die ganze Sache, die ich Ihnen hier in extenso übersetze. – Der Leading Article des Blattes führt die Ueberschrift: „die Napistische *) Verschwörung.“ „Eine furchtbare Verschwörung ist am 22 d. in der Hauptstadt von Griechenland selbst entdeckt worden. Doch die göttliche Vorsehung wacht noch über Hellas; sie hat es in dem heiligen Kampfe gerettet, sie beschirmt es noch heute. Die Werkzeuge auch dieser neuen Verschwörung sind von derjenigen Fraction der Griechen, welche seit 1828 fremden Interessen dient, und nicht aufhört, die Ruhe des Staats und selbst die Existenz des Vaterlandes zu bedrohen. Georg Kapodistrias und der Oberst Nikitas Stamatelopulos sind verhaftet worden, und die Untersuchungen zur Entdeckung der zahlreichen Mitverschworenen haben ihren Fortgang. Man hat bei den genannten Männern schriftliche Documente ergriffen, welche ihren höllischen Plan beweisen. Aber was das an sich schon Schlimme noch schlimmer macht, ist das Mittel, welches als Vorwand zur Täuschung der einfältigern Menschen dienen sollte. Und welches ist dieser Vorwand? Der heiligste und kostbarste Besitz des Menschen, die heilige Religion. Im Namen der Orthodoxie wollten die Verschwornen mit Einem Schlage Griechenland zu Grunde richten! Jetzt begreifen wir, weßhalb die Prophezeiungen des Agathangelos und ähnliche herausgegeben und überall verbreitet wurden. Jetzt begreifen wir, auf was die vor drei Jahren verkündigte Weissagung von der Auferstehung des Johann Kapodistrias im Jahre 1840 abzielte! Jetzt begreifen wir, wozu so viele Gerüchte über das Jahr 1840. Jetzt begreifen wir, wozu so viel Lärmen und Geschrei über den unglücklichen Theophilos Kaïris von dem Präsidenten der heiligen Synode und dem Cultusminister Hrn. G. Glarakis erhoben wurde. Jetzt fassen wir es, weßhalb die Rundschreiben der heiligen Synode und des Cultusministeriums ergingen, daß der orthodoxe Glaube zu Grunde gerichtet sey. Jetzt sehen wir ein, weßhalb die verrufene Epikrisis des Hrn. Oekonomos geschrieben wurde. Jetzt begreifen wir, weßhalb Hr. Th. Pharmakides als heterodox verleumdet und aus der heiligen Synode entfernt wurde. Alle diese Dinge zielten heimlich und arglistig auf denselben Zweck ab, auf den Zweck der entdeckten Verschwörung, und sollten dazu dienen, die Gemüther des Volks zu bearbeiten. Welche höllische Rathschläge, welche satanische Plane! Jetzt begreifen wir auch, wozu man die Brigandage im Peloponnes in Bewegung gesetzt hat, und wozu die berüchtigte Verordnung über die Versetzung der Verwandten der Räuber in andere Ortschaften. Die Aufreizung des Volkes zu Mißvergnügen gegen das Haupt des Staats war der Zweck dieser hinterlistigen Machinationen. Der König hat die Untersuchung nicht dem Minister des Innern, Hrn. Glarekas, gegeben, während diesem doch eigentlich die Sorge für die Sicherheit des Staats obliegt; er hat sie dem Justizminister Hrn. Païkos anvertraut; aber so groß auch die Verantwortung ist, die dieser übernommen hat, so wenig Geschicklichkeit hat er gezeigt; und zweifeln wir etwa, weßwegen? Hr. Païkos hat, wie wir hören, in dieser wichtigen Angelegenheit keineswegs den nöthigen Eifer an den Tag gelegt. Er hat sich mit der Haussuchung bei Georg Kapodistrias und Nikitas begnügt, während dieselbe weiter hätte ausgedehnt werden müssen; und die öffentliche Meinung dehnte sie auch wirklich auf Hrn. Oekonomos und auf den Präsidenten der Synode, Bischof von Kynuria, aus. Aber wir sind begierig zu erfahren, welche Personen die Voruntersuchung anstellen werden, wie diese zu Werke gehen, und welche Maaßregeln zu diesem Zweck werden genommen werden. Wir sagen dieß, weil wir wissen, von welcher Faction und von welcher Gesinnung der vor wenigen Tagen bei dem Bezirksgericht in Athen ernannte Staatsprocurator Hr. Tigaldos ist, eben derselbe nämlich, der im Jahr 1834 die Bittschrift der Insurgenten Messeniens abfaßte, und deßhalb vor ein Kriegsgericht gestellt und verurtheilt wurde. Ein solcher Mensch ist zum Staatsprocurator ernannt worden am Abend vor der Entdeckung der Verschwörung! Und wissen wit etwa nicht, woher diese so geeignete Ernennung rührt? Der Staatsprocurator beim Appellationsgericht in Athen, Hr. Balsamakis, von derselben Partei und Gesinnung, rühmt sich, wie man sagt, daß er es war, der seinen Verwandten und Gleichgesinnten Tigaldos empfohlen. Was aber das ganze Publicum in das äußerste Erstaunen gesetzt hat, ist die Beibehaltung des Hrn. Glarakis im Ministerium des Innern. *) Wie wird er für die völlige Unterdrückung der Verschwörung sorgen, nachdem er als Theilnehmer daran betrachtet worden ist? Wir *) ναπας, ναπαιοι, ναπ_ δες ist der familiäre Name der Partei, der eben so zufällig und sinnlos ist, wie die englischen Parteinamen. *) Wir haben bereits angezeigt, daß er am 11 Abends entlassen wurde.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840, S. 0244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_031_18400131/12>, abgerufen am 25.04.2024.