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Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840.

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Zustand. - Kaum ist der Generalstab der Nationalgarde von der Besorgniß, welche ihm die politischen Demonstrationen eines Theils der Nationalgardisten verursacht hatten, befreit, so fängt er wieder an mit diesem gefährlichen Instrument zu spielen. Er hat vor zwei Jahren durchgesetzt, daß sich alle Nationalgardisten kleiden mußten, kaum sind die Uniformen fertig, so findet er, daß sie nicht gut stehen, und will den Frack durch einen Ueberrock, das weiße durch schwarzes Lederwerk ersetzen. Die Aenderung würde für wenigstens vier Millionen Uniformen völlig unnütz machen und für eben so viel neue erfordern, Man sollte denken, die Schneiderzunft sitze im Generalstab. Glücklicher Weise gehört ein Gesetz dazu, und die Kammer wird wahrscheinlich in Betracht ziehen, daß die Nationalgarde Tausende von armen Menschen enthält, welche sich großen Entbehrungen unterworfen haben, um dem letzten Gesetz nachzukommen, und welche man kein Recht noch Vorwand hat aufs neue zu besteuern, weil der Geschmack des Stabs sich geändert hat. Aber dieses Beispiel kann einen Begriff von dem Geist der Blindheit geben, mit welchem der Generalstab daran arbeitet, die Nationalgarde unpopulär und unmöglich zu machen.

Das Dampfboot Aetna ist von Algier kommend hier eingetroffen und bringt Nachrichten bis zum 18 Jan. Der Gouverneur hat Briefe von Abd-El-Kader erhalten, über deren Inhalt man nichts Bestimmtes erfuhr, doch hieß es, der Emir habe Friedensvorschläge gemacht. (Die Bestätigung findet sich in unserm gestrigen directen Schreiben aus Algier.) Nicht weniger als 27 Schiffe sind von Frankreich kommend in Algier eingetroffen mit Truppen und Pferden. Die Rüstungen sind gewaltig. - Der Prinz Joinville, welcher die Quarantäne verlassen hatte, ist gestern wieder an Bord seiner Fregatte zurückgekehrt. Er besuchte nicht das Theater und lehnte die Illumination ab, weil es gerade der Jahrstag des Todes Ludwigs XVI war.

Seit einigen Tagen gehen Truppen zur See nach Oran ab. Man scheint zu fürchten, daß dort ernste Feindseligkeiten ausbrechen werden. Uebrigens weiß man noch immer nicht mit Gewißheit, wo Abd-El-Kader sich aufhält. Die Streitkräfte, welche dieser Araberfürst auf den Gebirgen im Süden der Metidscha zusammengezogen hatte, sind seit einigen Tagen verschwunden. Nur das Lager El-Arbah war, als es das letztemal verproviantirt wurde, noch vom Feind blokirt. - Ein Bataillon der Fremdenlegion ist diese Woche abgegangen, um die ganze Garnison von Dschidschelli abzulösen, welche durch Fieber, Ruhr und Skorbut an diesem ungesunden Ort fast aufgerieben worden. Die Besetzung von Dschidschelli hat nur dem Eidam des Marschalls Valee Nutzen gebracht. Er avancirte dort zum Obristlieutenant; dieß war wohl der Zweck der Expedition. - Man versichert, daß die Wunde, welche Ben-Zamun vor einiger Zeit vor dem Lager Fonduk erhalten, gefährlicher ist, als man anfangs glaubte. Dieser Häuptling, ein Mann von vorgerücktem Alter, befehligt die Kabylen des Stammes Flissah, und sein Einfluß erstreckt sich auf die meisten Berberstämme, welche zwischen Algier und Budschia längs des Litorals leben. Ben-Zamun führte zu Anfang der französischen Occupation den heiligen Krieg bis unter die Mauern von Algier. Seit der Verwaltung des Herzogs von Rovigo verhielt er sich sehr ruhig, bis es Abd-El-Kader gelang, ihn in seine Partei hineinzuziehen. Er diente diesem aber nur mit wenig Eifer und führte mit dem Bey von Sebau, Ben-Salem, nur einige hundert Reiter gegen die Franzosen, während auf sein Wort früher Tausende von Bewaffneten in die Metidscha hinabstiegen. Der Bey machte Ben-Zamun deßhalb öffentlich Vorwürfe, worauf letzterer, um zu zeigen, daß Tapferkeit die Zahl ersetzen könne, ungestüm ins Feuer ging, und, wie erwähnt, verwundet wurde. Es ist Schade, daß Frankreich diesen Häuptling, welcher mehrmals Anerbietungen machte, nicht für sich gewann. Leider kennen unsere Gouverneurs die wirklich einflußreichen Häuptlinge zu wenig und kümmern sich auch nichts um sie. Dagegen überhäufen sie andere unbedeutende Leute, denen irgend ein Intrigant Kleider und Titel eines Scheikh gibt, mit Ehrenbezeugungen und Geschenken. Kommt dann ein wirklich mächtiger Häuptling, so wird er kalt empfangen und auf seine Anerbietungen antwortet man mit einer Art Gleichgültigkeit. - Das Spottgedicht, welches das Charivari kürzlich gegen den Marschall Valee enthielt, ließ die Behörde von den öffentlichen Unterhaltungsorten wegnehmen.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten dürfte sich nun, nachdem ihre Abtheilungen die Prüfung der Gesetzesentwürfe, bezüglich der Veränderungen des Staatsgrundgesetzes, beendigt und der Regierung eine weitere Revision des Staatsgrundgesetzes angesonnen haben, auf einige Zeit vertagen und erst, nachdem die Regierung ihre Antworten ertheilt, die Sitzungen wieder aufnehmen. - Der dießseitige Gesandte am Petersburger Hof, Graf v. Schimmelpenninck, verweilt in Urlaub noch hier.

Italien.

Schon seit einiger Zeit ist es hier bekannt, daß der Kaiser von Rußland in St. Petersburg eine Erwiederung auf die letzte Allocution des Papstes erlassen haben soll, das Actenstück selbst hat aber bis jetzt seinen Weg hierher noch nicht gefunden. - Der Bau der großen Paulskirche, wozu fromme Beiträge noch immer von allen Seiten eingesendet werden, ist nunmehr so weit vorgerückt, daß zu dem Feste von St. Peter und Paul das Querschiff von dem Papst feierlich eingeweiht werden soll. Das Hauptschiff, wo bereits alle Säulen, aus grauem Granit vom Simplon, aufgerichtet stehen, dürfte bis zu seiner Vollendung und Einweihung noch manche Jahre erfordern. - Durch mehrere in letzter Zeit vorgekommene nächtliche Raubanfälle in den Straßen und Einbrüche in Boutiken hat sich der für die öffentliche Sicherheit so verdienstvolle und thätige Gouverneur Monsignore Vannicelli-Casoni veranlaßt gefunden, die außerordentliche Maaßregel zu treffen, viele der Polizei durch frühere Verbrechen oder sonst verdächtige Individuen, nahe an hundert, zu verhaften. Seitdem hört man nichts mehr von dergleichen Vorfällen. Die als schuldig befundenen sollen in Arbeitshäusern auf Zeitlebens untergebracht werden; die als unschuldig erkannten, die nicht beweisen können, wie sie sich ernähren, werden unter das Militär in den Provinzen vertheilt, endlich die Nichtrömer in ihre Heimath geschickt.

Deutschland.

Schon in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 25 Jan. hatte der Abg. Frhr. v. Rotenhan als Referent des zweiten Ausschusses Vortrag erstattet über den Gesetzesentwurf, betreffend die Abänderung des §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde. Er lautet: "Art. I. Spätestens ein halbes Jahr*) vor dem Ablauf des jechsjährigen Termins, für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, läßt der König für die sechs Jahre, welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget vorlegen. Art. II. Der vorstehende Art. I soll an die Stelle des hiermit aufgehobenen §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde treten, und demzufolge

*) Bisher war ein Jahr festgesetzt.


Zustand. – Kaum ist der Generalstab der Nationalgarde von der Besorgniß, welche ihm die politischen Demonstrationen eines Theils der Nationalgardisten verursacht hatten, befreit, so fängt er wieder an mit diesem gefährlichen Instrument zu spielen. Er hat vor zwei Jahren durchgesetzt, daß sich alle Nationalgardisten kleiden mußten, kaum sind die Uniformen fertig, so findet er, daß sie nicht gut stehen, und will den Frack durch einen Ueberrock, das weiße durch schwarzes Lederwerk ersetzen. Die Aenderung würde für wenigstens vier Millionen Uniformen völlig unnütz machen und für eben so viel neue erfordern, Man sollte denken, die Schneiderzunft sitze im Generalstab. Glücklicher Weise gehört ein Gesetz dazu, und die Kammer wird wahrscheinlich in Betracht ziehen, daß die Nationalgarde Tausende von armen Menschen enthält, welche sich großen Entbehrungen unterworfen haben, um dem letzten Gesetz nachzukommen, und welche man kein Recht noch Vorwand hat aufs neue zu besteuern, weil der Geschmack des Stabs sich geändert hat. Aber dieses Beispiel kann einen Begriff von dem Geist der Blindheit geben, mit welchem der Generalstab daran arbeitet, die Nationalgarde unpopulär und unmöglich zu machen.

Das Dampfboot Aetna ist von Algier kommend hier eingetroffen und bringt Nachrichten bis zum 18 Jan. Der Gouverneur hat Briefe von Abd-El-Kader erhalten, über deren Inhalt man nichts Bestimmtes erfuhr, doch hieß es, der Emir habe Friedensvorschläge gemacht. (Die Bestätigung findet sich in unserm gestrigen directen Schreiben aus Algier.) Nicht weniger als 27 Schiffe sind von Frankreich kommend in Algier eingetroffen mit Truppen und Pferden. Die Rüstungen sind gewaltig. – Der Prinz Joinville, welcher die Quarantäne verlassen hatte, ist gestern wieder an Bord seiner Fregatte zurückgekehrt. Er besuchte nicht das Theater und lehnte die Illumination ab, weil es gerade der Jahrstag des Todes Ludwigs XVI war.

Seit einigen Tagen gehen Truppen zur See nach Oran ab. Man scheint zu fürchten, daß dort ernste Feindseligkeiten ausbrechen werden. Uebrigens weiß man noch immer nicht mit Gewißheit, wo Abd-El-Kader sich aufhält. Die Streitkräfte, welche dieser Araberfürst auf den Gebirgen im Süden der Metidscha zusammengezogen hatte, sind seit einigen Tagen verschwunden. Nur das Lager El-Arbah war, als es das letztemal verproviantirt wurde, noch vom Feind blokirt. – Ein Bataillon der Fremdenlegion ist diese Woche abgegangen, um die ganze Garnison von Dschidschelli abzulösen, welche durch Fieber, Ruhr und Skorbut an diesem ungesunden Ort fast aufgerieben worden. Die Besetzung von Dschidschelli hat nur dem Eidam des Marschalls Valée Nutzen gebracht. Er avancirte dort zum Obristlieutenant; dieß war wohl der Zweck der Expedition. – Man versichert, daß die Wunde, welche Ben-Zamun vor einiger Zeit vor dem Lager Fonduk erhalten, gefährlicher ist, als man anfangs glaubte. Dieser Häuptling, ein Mann von vorgerücktem Alter, befehligt die Kabylen des Stammes Flissah, und sein Einfluß erstreckt sich auf die meisten Berberstämme, welche zwischen Algier und Budschia längs des Litorals leben. Ben-Zamun führte zu Anfang der französischen Occupation den heiligen Krieg bis unter die Mauern von Algier. Seit der Verwaltung des Herzogs von Rovigo verhielt er sich sehr ruhig, bis es Abd-El-Kader gelang, ihn in seine Partei hineinzuziehen. Er diente diesem aber nur mit wenig Eifer und führte mit dem Bey von Sebau, Ben-Salem, nur einige hundert Reiter gegen die Franzosen, während auf sein Wort früher Tausende von Bewaffneten in die Metidscha hinabstiegen. Der Bey machte Ben-Zamun deßhalb öffentlich Vorwürfe, worauf letzterer, um zu zeigen, daß Tapferkeit die Zahl ersetzen könne, ungestüm ins Feuer ging, und, wie erwähnt, verwundet wurde. Es ist Schade, daß Frankreich diesen Häuptling, welcher mehrmals Anerbietungen machte, nicht für sich gewann. Leider kennen unsere Gouverneurs die wirklich einflußreichen Häuptlinge zu wenig und kümmern sich auch nichts um sie. Dagegen überhäufen sie andere unbedeutende Leute, denen irgend ein Intrigant Kleider und Titel eines Scheikh gibt, mit Ehrenbezeugungen und Geschenken. Kommt dann ein wirklich mächtiger Häuptling, so wird er kalt empfangen und auf seine Anerbietungen antwortet man mit einer Art Gleichgültigkeit. – Das Spottgedicht, welches das Charivari kürzlich gegen den Marschall Valée enthielt, ließ die Behörde von den öffentlichen Unterhaltungsorten wegnehmen.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten dürfte sich nun, nachdem ihre Abtheilungen die Prüfung der Gesetzesentwürfe, bezüglich der Veränderungen des Staatsgrundgesetzes, beendigt und der Regierung eine weitere Revision des Staatsgrundgesetzes angesonnen haben, auf einige Zeit vertagen und erst, nachdem die Regierung ihre Antworten ertheilt, die Sitzungen wieder aufnehmen. – Der dießseitige Gesandte am Petersburger Hof, Graf v. Schimmelpenninck, verweilt in Urlaub noch hier.

Italien.

Schon seit einiger Zeit ist es hier bekannt, daß der Kaiser von Rußland in St. Petersburg eine Erwiederung auf die letzte Allocution des Papstes erlassen haben soll, das Actenstück selbst hat aber bis jetzt seinen Weg hierher noch nicht gefunden. – Der Bau der großen Paulskirche, wozu fromme Beiträge noch immer von allen Seiten eingesendet werden, ist nunmehr so weit vorgerückt, daß zu dem Feste von St. Peter und Paul das Querschiff von dem Papst feierlich eingeweiht werden soll. Das Hauptschiff, wo bereits alle Säulen, aus grauem Granit vom Simplon, aufgerichtet stehen, dürfte bis zu seiner Vollendung und Einweihung noch manche Jahre erfordern. – Durch mehrere in letzter Zeit vorgekommene nächtliche Raubanfälle in den Straßen und Einbrüche in Boutiken hat sich der für die öffentliche Sicherheit so verdienstvolle und thätige Gouverneur Monsignore Vannicelli-Casoni veranlaßt gefunden, die außerordentliche Maaßregel zu treffen, viele der Polizei durch frühere Verbrechen oder sonst verdächtige Individuen, nahe an hundert, zu verhaften. Seitdem hört man nichts mehr von dergleichen Vorfällen. Die als schuldig befundenen sollen in Arbeitshäusern auf Zeitlebens untergebracht werden; die als unschuldig erkannten, die nicht beweisen können, wie sie sich ernähren, werden unter das Militär in den Provinzen vertheilt, endlich die Nichtrömer in ihre Heimath geschickt.

Deutschland.

Schon in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 25 Jan. hatte der Abg. Frhr. v. Rotenhan als Referent des zweiten Ausschusses Vortrag erstattet über den Gesetzesentwurf, betreffend die Abänderung des §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde. Er lautet: „Art. I. Spätestens ein halbes Jahr*) vor dem Ablauf des jechsjährigen Termins, für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, läßt der König für die sechs Jahre, welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget vorlegen. Art. II. Der vorstehende Art. I soll an die Stelle des hiermit aufgehobenen §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde treten, und demzufolge

*) Bisher war ein Jahr festgesetzt.
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[0245/0005] Zustand. – Kaum ist der Generalstab der Nationalgarde von der Besorgniß, welche ihm die politischen Demonstrationen eines Theils der Nationalgardisten verursacht hatten, befreit, so fängt er wieder an mit diesem gefährlichen Instrument zu spielen. Er hat vor zwei Jahren durchgesetzt, daß sich alle Nationalgardisten kleiden mußten, kaum sind die Uniformen fertig, so findet er, daß sie nicht gut stehen, und will den Frack durch einen Ueberrock, das weiße durch schwarzes Lederwerk ersetzen. Die Aenderung würde für wenigstens vier Millionen Uniformen völlig unnütz machen und für eben so viel neue erfordern, Man sollte denken, die Schneiderzunft sitze im Generalstab. Glücklicher Weise gehört ein Gesetz dazu, und die Kammer wird wahrscheinlich in Betracht ziehen, daß die Nationalgarde Tausende von armen Menschen enthält, welche sich großen Entbehrungen unterworfen haben, um dem letzten Gesetz nachzukommen, und welche man kein Recht noch Vorwand hat aufs neue zu besteuern, weil der Geschmack des Stabs sich geändert hat. Aber dieses Beispiel kann einen Begriff von dem Geist der Blindheit geben, mit welchem der Generalstab daran arbeitet, die Nationalgarde unpopulär und unmöglich zu machen. * Toulon, 22 Jan. Das Dampfboot Aetna ist von Algier kommend hier eingetroffen und bringt Nachrichten bis zum 18 Jan. Der Gouverneur hat Briefe von Abd-El-Kader erhalten, über deren Inhalt man nichts Bestimmtes erfuhr, doch hieß es, der Emir habe Friedensvorschläge gemacht. (Die Bestätigung findet sich in unserm gestrigen directen Schreiben aus Algier.) Nicht weniger als 27 Schiffe sind von Frankreich kommend in Algier eingetroffen mit Truppen und Pferden. Die Rüstungen sind gewaltig. – Der Prinz Joinville, welcher die Quarantäne verlassen hatte, ist gestern wieder an Bord seiner Fregatte zurückgekehrt. Er besuchte nicht das Theater und lehnte die Illumination ab, weil es gerade der Jahrstag des Todes Ludwigs XVI war. ♀ Algier, 18 Jan. Seit einigen Tagen gehen Truppen zur See nach Oran ab. Man scheint zu fürchten, daß dort ernste Feindseligkeiten ausbrechen werden. Uebrigens weiß man noch immer nicht mit Gewißheit, wo Abd-El-Kader sich aufhält. Die Streitkräfte, welche dieser Araberfürst auf den Gebirgen im Süden der Metidscha zusammengezogen hatte, sind seit einigen Tagen verschwunden. Nur das Lager El-Arbah war, als es das letztemal verproviantirt wurde, noch vom Feind blokirt. – Ein Bataillon der Fremdenlegion ist diese Woche abgegangen, um die ganze Garnison von Dschidschelli abzulösen, welche durch Fieber, Ruhr und Skorbut an diesem ungesunden Ort fast aufgerieben worden. 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Der Bey machte Ben-Zamun deßhalb öffentlich Vorwürfe, worauf letzterer, um zu zeigen, daß Tapferkeit die Zahl ersetzen könne, ungestüm ins Feuer ging, und, wie erwähnt, verwundet wurde. Es ist Schade, daß Frankreich diesen Häuptling, welcher mehrmals Anerbietungen machte, nicht für sich gewann. Leider kennen unsere Gouverneurs die wirklich einflußreichen Häuptlinge zu wenig und kümmern sich auch nichts um sie. Dagegen überhäufen sie andere unbedeutende Leute, denen irgend ein Intrigant Kleider und Titel eines Scheikh gibt, mit Ehrenbezeugungen und Geschenken. Kommt dann ein wirklich mächtiger Häuptling, so wird er kalt empfangen und auf seine Anerbietungen antwortet man mit einer Art Gleichgültigkeit. – Das Spottgedicht, welches das Charivari kürzlich gegen den Marschall Valée enthielt, ließ die Behörde von den öffentlichen Unterhaltungsorten wegnehmen. Niederlande. *✝Aus dem Haag, 24 Jan. Die zweite Kammer der Generalstaaten dürfte sich nun, nachdem ihre Abtheilungen die Prüfung der Gesetzesentwürfe, bezüglich der Veränderungen des Staatsgrundgesetzes, beendigt und der Regierung eine weitere Revision des Staatsgrundgesetzes angesonnen haben, auf einige Zeit vertagen und erst, nachdem die Regierung ihre Antworten ertheilt, die Sitzungen wieder aufnehmen. – Der dießseitige Gesandte am Petersburger Hof, Graf v. Schimmelpenninck, verweilt in Urlaub noch hier. Italien. *Rom, 20 Jan. Schon seit einiger Zeit ist es hier bekannt, daß der Kaiser von Rußland in St. Petersburg eine Erwiederung auf die letzte Allocution des Papstes erlassen haben soll, das Actenstück selbst hat aber bis jetzt seinen Weg hierher noch nicht gefunden. – Der Bau der großen Paulskirche, wozu fromme Beiträge noch immer von allen Seiten eingesendet werden, ist nunmehr so weit vorgerückt, daß zu dem Feste von St. Peter und Paul das Querschiff von dem Papst feierlich eingeweiht werden soll. Das Hauptschiff, wo bereits alle Säulen, aus grauem Granit vom Simplon, aufgerichtet stehen, dürfte bis zu seiner Vollendung und Einweihung noch manche Jahre erfordern. – Durch mehrere in letzter Zeit vorgekommene nächtliche Raubanfälle in den Straßen und Einbrüche in Boutiken hat sich der für die öffentliche Sicherheit so verdienstvolle und thätige Gouverneur Monsignore Vannicelli-Casoni veranlaßt gefunden, die außerordentliche Maaßregel zu treffen, viele der Polizei durch frühere Verbrechen oder sonst verdächtige Individuen, nahe an hundert, zu verhaften. Seitdem hört man nichts mehr von dergleichen Vorfällen. Die als schuldig befundenen sollen in Arbeitshäusern auf Zeitlebens untergebracht werden; die als unschuldig erkannten, die nicht beweisen können, wie sie sich ernähren, werden unter das Militär in den Provinzen vertheilt, endlich die Nichtrömer in ihre Heimath geschickt. Deutschland. *̲München, 29 Jan. Schon in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 25 Jan. hatte der Abg. Frhr. v. Rotenhan als Referent des zweiten Ausschusses Vortrag erstattet über den Gesetzesentwurf, betreffend die Abänderung des §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde. Er lautet: „Art. I. Spätestens ein halbes Jahr *) vor dem Ablauf des jechsjährigen Termins, für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, läßt der König für die sechs Jahre, welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget vorlegen. Art. II. Der vorstehende Art. I soll an die Stelle des hiermit aufgehobenen §. 6 Tit. VII der Verfassungsurkunde treten, und demzufolge *) Bisher war ein Jahr festgesetzt.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840, S. 0245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_031_18400131/5>, abgerufen am 19.04.2024.