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Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840.

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geurtheilt habe. Gewiß würde es eine ungemein interessante Aufgabe seyn, ein vergleichendes statistisch-ethnographisches Bild der drei polnischen Gebiete zu liefern, die jetzt den Sceptern Rußlands, Oesterreichs und Preußens unterworfen sind, aber damit der Politiker und der Menschenfreund Schlüsse daraus ziehen könne, müßten vor allen Dingen Wahrheit und Unparteilichkeit bei der Entwerfung dieses Bildes die Hand führen. Ihr Correspondent scheint nicht einmal zu wissen (was auch aus seinem in der Beilage zur Allg. Zeitung vom 22 Jan. enthaltenen Schreiben hervorgeht), daß die sehr zahlreiche protestantische Bevölkerung des Großherzogthums Posen keineswegs aus "Bediensteten" und "Eingewanderten," sondern ihrer compacten Masse nach aus Bürgern (Fabricanten und Handwerkern) und Bauern besteht, die so gut "Eingeborne" Polens sind, wie die Katholiken, und daß eben so die "Germanisirung" des Großherzogthums keineswegs der preußischen Regierung beizumessen ist, da bereits 150 Jahre vor der ersten Theilung Polens die deutschen Colonisten in den Districten der Netze und der Warthe eingewandert sind.

Rußland.

Pariser Blätter enthielten in der letzten Zeit mehrere angebliche Berichte aus St. Petersburg, wonach dort eine große Verschwörung entdeckt worden sey, deren Mitglieder, zum Theil den ersten Familien angehörig, in dem Hause der Wittwe Bestuscheff sich versammelt hätten. Graf Benkendorf habe in der Sylvesternacht das Haus mit Polizei und Militär umringen lassen wollen, man habe es aber in vollen Flammen gefunden; das prächtige Hotel sey bis auf die Mauern niedergebrannt, und die Wittwe Bestuscheff entflohen. Seitdem habe die Regierung eine große Zahl Personen verhaften lassen, um Aufschlüsse über die Conspiration zu erhalten, noch aber habe sie nichts entdeckt. Gegen 80 junge Officiere, viele Studenten und gegen 100 junge Leute aus den höhern Kaufmannsfamilien hätten Befehl erhalten, sich nach Orenburg zu begeben, um von dort zu der Expedition gegen Khiwa geschickt zu werden. Zugleich sollen Berichte aus Orenburg melden, daß die Avantgarde General Perowski's, welche meistens aus Kosaken bestanden habe, als sie Khirgistan verließ, von turkomanischen Horden angegriffen und bis zu dem Hauptcorps zurückgetrieben worden sey. Eine beträchtliche Zahl von Kosaken aus Sibirien und vom Ural sey beordert worden Khirgistan zu besetzen (!) und die Nomadenstämme zu hindern, dem Beispiele der Turkomanen zu folgen. Auch seyen Officiere der kaiserlichen Garde nach russisch Georgien geschickt worden, um die Reserve von 15,000 Mann herbeizuziehen. - Kurz vorher hatte das Commerce (das obige Nachrichten bringt) angezeigt, 10,000 Kirgiskaisaken hätten gebeten, sich der Expedition anschließen zu dürfen, was aufs beste auf- und angenommen worden sey. Wir erwähnen alle diese bunt durcheinander gewürfelten Sagen, ohne ihnen mehr Werth beizulegen, als dergleichen Berichte in französischen Blättern in der Regel verdienen. Nur haben wir schon oft bemerkt, daß ihre Aufnahme in deutsche Blätter hie und da besser Unterrichtete bestimmte, mit Erläuterungen oder Widerlegungen hervorzutreten, was vielleicht auch dießmal der Fall ist.

Griechenland.

Die griechische Conspiration fährt fort die Gemüther zu beschäftigen und bildet fast ausschließlich den Gegenstand aller Gespräche. Man weiß nun zuverlässig, daß die Verschwörer selbst keineswegs über den Zweck und die Mittel ihres Beginnens einig waren. Während eine Partei geradezu das Aeußerste beabsichtigte, ging der Plan der andern dahin: den König zur Annahme der griechischen Religion und unmittelbar darauf zur Kriegserklärung gegen die Pforte zu zwingen. Auch scheint es, daß von dieser Partei, welche die ausgedehntesten Verbindungen in Rumelien hatte, schon sehr gut eingeleitete Maaßregeln ergriffen worden waren, um den Einfall in die angränzenden türkischen Provinzen und die Vereinigung mit den dortigen Unzufriedenen zu bewerkstelligen, so wie der Anschlag in Athen gelungen wäre.

Die Münchener pol. Zeitung sagt über die neuesten Vorgänge in Griechenland: "Zuverlässige Nachrichten aus Athen vom 12 und 13 d. geben über die neuesten Ereignisse, welche sich dort zugetragen, folgende Aufschlüsse. Seit mehreren Tagen war die Regierung auf der Spur einer ausgebreiteten Verschwörung, welche die Sicherheit des Staates auf das höchste compromittiren konnte. In Folge der eingeleiteten Untersuchungen und der in Beschlag genommenen Papiere wurde am 5 Obrist Nikitas, und am 7 Graf Georg Kapodistrias, als an einer Verschwörung gegen die Sicherheit des Staats theilnehmend, zu Verhaft gebracht. Graf Kapodistrias ist der Bruder des ermordeten Präsidenten, von welchem er schon früher aus Griechenland entfernt wurde. Seine zerrütteten Vermögensumstände sind bekannt. Nikitas ist einer der Helden des Freiheitskampfes, gehörte zur Partei der Napisten, und findet sich gleichfalls in sehr schlechten Vermögensumständen. Unter den in Beschlag genommenen Papieren fand sich ein Diplom für Nikitas als Chef der Landarmee. Es war mit dem Phönix gestempelt, wie zur Zeit der Hetärie von 1821. An Kolandroutzos war ein gleiches als Befehlshaber der Flotte im Archipel ausgefertigt. Diese Entdeckungen, deren Kunde sich sehr schnell in dem Publicum verbreitete, gaben Veranlassung zu den lügenhaftesten Gerüchten, welche Gehässigkeit und Parteigeist ins Unglaubliche steigerte. So ist unter andern sogar die Rede von Mordanschlägen gewesen, woran jedoch kein wahres Wort ist. Thatsache ist es dagegen, daß König Otto inmitten der allgemeinen Aufregung unglaubliche Ruhe und Besonnenheit bewahrte, und gegenüber von Personen, welche ihn in jenen Augenblicken zu sprechen Gelegenheit hatten, eine ungeheuchelte Heiterkeit bewies, welche bei so unangenehmen Vorfällen nicht leicht zu erwarten gewesen wäre. Wie alljährlich fand am 13 als am griechischen Neujahrstage der feierliche Gottesdienst in der Irenenkirche und die Aufwartung bei Hofe statt. Ihre Majestäten wurden von dem Palais an bis zur Kirche mit großem Jubel und [fremdsprachliches Material - fehlt]-Rufen empfangen; als aber der König vom Throne herabstieg, ertönte ein so ungeheures Lebehoch und ein so andauerndes Freudengeschrei, wie es nie zuvor gehört worden. Es war unverkennbar der Ausbruch der Liebe und der allgemeinen Freude darüber, daß der König einer großen Gefahr entgangen war. Es liegt zugleich darin der laute und öffentliche Beweis der größten Mißbilligung dieser Verschwörung, und mit Beruhigung läßt sich daraus folgern, daß der Thron in Griechenland feste Wurzeln gefaßt hat. In Folge der gemachten Entdeckungen ist der bisherige Minister des Innern, Glarakis, seiner Stelle enthoben und durch den Staatsrath Theocharis, einen ganz parteilosen Mann, ersetzt worden."

Türkei.

In Montenegro bemerkt man große Rüstungen, die angeblich bloß gemacht werden, um einem von Seite der Türken erwarteten Angriff zu begegnen. Ich habe schon früher des Gerüchtes von einem solchen Vorhaben der Türken erwähnt, glaube nun aber fest, daß türkischerseits noch Niemand daran gedacht hat, daß die Sage hievon vielmehr von den Montegrinern selbst erfunden


geurtheilt habe. Gewiß würde es eine ungemein interessante Aufgabe seyn, ein vergleichendes statistisch-ethnographisches Bild der drei polnischen Gebiete zu liefern, die jetzt den Sceptern Rußlands, Oesterreichs und Preußens unterworfen sind, aber damit der Politiker und der Menschenfreund Schlüsse daraus ziehen könne, müßten vor allen Dingen Wahrheit und Unparteilichkeit bei der Entwerfung dieses Bildes die Hand führen. Ihr Correspondent scheint nicht einmal zu wissen (was auch aus seinem in der Beilage zur Allg. Zeitung vom 22 Jan. enthaltenen Schreiben hervorgeht), daß die sehr zahlreiche protestantische Bevölkerung des Großherzogthums Posen keineswegs aus „Bediensteten“ und „Eingewanderten,“ sondern ihrer compacten Masse nach aus Bürgern (Fabricanten und Handwerkern) und Bauern besteht, die so gut „Eingeborne“ Polens sind, wie die Katholiken, und daß eben so die „Germanisirung“ des Großherzogthums keineswegs der preußischen Regierung beizumessen ist, da bereits 150 Jahre vor der ersten Theilung Polens die deutschen Colonisten in den Districten der Netze und der Warthe eingewandert sind.

Rußland.

Pariser Blätter enthielten in der letzten Zeit mehrere angebliche Berichte aus St. Petersburg, wonach dort eine große Verschwörung entdeckt worden sey, deren Mitglieder, zum Theil den ersten Familien angehörig, in dem Hause der Wittwe Bestuscheff sich versammelt hätten. Graf Benkendorf habe in der Sylvesternacht das Haus mit Polizei und Militär umringen lassen wollen, man habe es aber in vollen Flammen gefunden; das prächtige Hotel sey bis auf die Mauern niedergebrannt, und die Wittwe Bestuscheff entflohen. Seitdem habe die Regierung eine große Zahl Personen verhaften lassen, um Aufschlüsse über die Conspiration zu erhalten, noch aber habe sie nichts entdeckt. Gegen 80 junge Officiere, viele Studenten und gegen 100 junge Leute aus den höhern Kaufmannsfamilien hätten Befehl erhalten, sich nach Orenburg zu begeben, um von dort zu der Expedition gegen Khiwa geschickt zu werden. Zugleich sollen Berichte aus Orenburg melden, daß die Avantgarde General Perowski's, welche meistens aus Kosaken bestanden habe, als sie Khirgistan verließ, von turkomanischen Horden angegriffen und bis zu dem Hauptcorps zurückgetrieben worden sey. Eine beträchtliche Zahl von Kosaken aus Sibirien und vom Ural sey beordert worden Khirgistan zu besetzen (!) und die Nomadenstämme zu hindern, dem Beispiele der Turkomanen zu folgen. Auch seyen Officiere der kaiserlichen Garde nach russisch Georgien geschickt worden, um die Reserve von 15,000 Mann herbeizuziehen. – Kurz vorher hatte das Commerce (das obige Nachrichten bringt) angezeigt, 10,000 Kirgiskaisaken hätten gebeten, sich der Expedition anschließen zu dürfen, was aufs beste auf- und angenommen worden sey. Wir erwähnen alle diese bunt durcheinander gewürfelten Sagen, ohne ihnen mehr Werth beizulegen, als dergleichen Berichte in französischen Blättern in der Regel verdienen. Nur haben wir schon oft bemerkt, daß ihre Aufnahme in deutsche Blätter hie und da besser Unterrichtete bestimmte, mit Erläuterungen oder Widerlegungen hervorzutreten, was vielleicht auch dießmal der Fall ist.

Griechenland.

Die griechische Conspiration fährt fort die Gemüther zu beschäftigen und bildet fast ausschließlich den Gegenstand aller Gespräche. Man weiß nun zuverlässig, daß die Verschwörer selbst keineswegs über den Zweck und die Mittel ihres Beginnens einig waren. Während eine Partei geradezu das Aeußerste beabsichtigte, ging der Plan der andern dahin: den König zur Annahme der griechischen Religion und unmittelbar darauf zur Kriegserklärung gegen die Pforte zu zwingen. Auch scheint es, daß von dieser Partei, welche die ausgedehntesten Verbindungen in Rumelien hatte, schon sehr gut eingeleitete Maaßregeln ergriffen worden waren, um den Einfall in die angränzenden türkischen Provinzen und die Vereinigung mit den dortigen Unzufriedenen zu bewerkstelligen, so wie der Anschlag in Athen gelungen wäre.

Die Münchener pol. Zeitung sagt über die neuesten Vorgänge in Griechenland: „Zuverlässige Nachrichten aus Athen vom 12 und 13 d. geben über die neuesten Ereignisse, welche sich dort zugetragen, folgende Aufschlüsse. Seit mehreren Tagen war die Regierung auf der Spur einer ausgebreiteten Verschwörung, welche die Sicherheit des Staates auf das höchste compromittiren konnte. In Folge der eingeleiteten Untersuchungen und der in Beschlag genommenen Papiere wurde am 5 Obrist Nikitas, und am 7 Graf Georg Kapodistrias, als an einer Verschwörung gegen die Sicherheit des Staats theilnehmend, zu Verhaft gebracht. Graf Kapodistrias ist der Bruder des ermordeten Präsidenten, von welchem er schon früher aus Griechenland entfernt wurde. Seine zerrütteten Vermögensumstände sind bekannt. Nikitas ist einer der Helden des Freiheitskampfes, gehörte zur Partei der Napisten, und findet sich gleichfalls in sehr schlechten Vermögensumständen. Unter den in Beschlag genommenen Papieren fand sich ein Diplom für Nikitas als Chef der Landarmee. Es war mit dem Phönix gestempelt, wie zur Zeit der Hetärie von 1821. An Kolandroutzos war ein gleiches als Befehlshaber der Flotte im Archipel ausgefertigt. Diese Entdeckungen, deren Kunde sich sehr schnell in dem Publicum verbreitete, gaben Veranlassung zu den lügenhaftesten Gerüchten, welche Gehässigkeit und Parteigeist ins Unglaubliche steigerte. So ist unter andern sogar die Rede von Mordanschlägen gewesen, woran jedoch kein wahres Wort ist. Thatsache ist es dagegen, daß König Otto inmitten der allgemeinen Aufregung unglaubliche Ruhe und Besonnenheit bewahrte, und gegenüber von Personen, welche ihn in jenen Augenblicken zu sprechen Gelegenheit hatten, eine ungeheuchelte Heiterkeit bewies, welche bei so unangenehmen Vorfällen nicht leicht zu erwarten gewesen wäre. Wie alljährlich fand am 13 als am griechischen Neujahrstage der feierliche Gottesdienst in der Irenenkirche und die Aufwartung bei Hofe statt. Ihre Majestäten wurden von dem Palais an bis zur Kirche mit großem Jubel und [fremdsprachliches Material – fehlt]-Rufen empfangen; als aber der König vom Throne herabstieg, ertönte ein so ungeheures Lebehoch und ein so andauerndes Freudengeschrei, wie es nie zuvor gehört worden. Es war unverkennbar der Ausbruch der Liebe und der allgemeinen Freude darüber, daß der König einer großen Gefahr entgangen war. Es liegt zugleich darin der laute und öffentliche Beweis der größten Mißbilligung dieser Verschwörung, und mit Beruhigung läßt sich daraus folgern, daß der Thron in Griechenland feste Wurzeln gefaßt hat. In Folge der gemachten Entdeckungen ist der bisherige Minister des Innern, Glarakis, seiner Stelle enthoben und durch den Staatsrath Theocharis, einen ganz parteilosen Mann, ersetzt worden.“

Türkei.

In Montenegro bemerkt man große Rüstungen, die angeblich bloß gemacht werden, um einem von Seite der Türken erwarteten Angriff zu begegnen. Ich habe schon früher des Gerüchtes von einem solchen Vorhaben der Türken erwähnt, glaube nun aber fest, daß türkischerseits noch Niemand daran gedacht hat, daß die Sage hievon vielmehr von den Montegrinern selbst erfunden

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[0247/0007] geurtheilt habe. Gewiß würde es eine ungemein interessante Aufgabe seyn, ein vergleichendes statistisch-ethnographisches Bild der drei polnischen Gebiete zu liefern, die jetzt den Sceptern Rußlands, Oesterreichs und Preußens unterworfen sind, aber damit der Politiker und der Menschenfreund Schlüsse daraus ziehen könne, müßten vor allen Dingen Wahrheit und Unparteilichkeit bei der Entwerfung dieses Bildes die Hand führen. Ihr Correspondent scheint nicht einmal zu wissen (was auch aus seinem in der Beilage zur Allg. Zeitung vom 22 Jan. enthaltenen Schreiben hervorgeht), daß die sehr zahlreiche protestantische Bevölkerung des Großherzogthums Posen keineswegs aus „Bediensteten“ und „Eingewanderten,“ sondern ihrer compacten Masse nach aus Bürgern (Fabricanten und Handwerkern) und Bauern besteht, die so gut „Eingeborne“ Polens sind, wie die Katholiken, und daß eben so die „Germanisirung“ des Großherzogthums keineswegs der preußischen Regierung beizumessen ist, da bereits 150 Jahre vor der ersten Theilung Polens die deutschen Colonisten in den Districten der Netze und der Warthe eingewandert sind. Rußland. Pariser Blätter enthielten in der letzten Zeit mehrere angebliche Berichte aus St. Petersburg, wonach dort eine große Verschwörung entdeckt worden sey, deren Mitglieder, zum Theil den ersten Familien angehörig, in dem Hause der Wittwe Bestuscheff sich versammelt hätten. Graf Benkendorf habe in der Sylvesternacht das Haus mit Polizei und Militär umringen lassen wollen, man habe es aber in vollen Flammen gefunden; das prächtige Hotel sey bis auf die Mauern niedergebrannt, und die Wittwe Bestuscheff entflohen. Seitdem habe die Regierung eine große Zahl Personen verhaften lassen, um Aufschlüsse über die Conspiration zu erhalten, noch aber habe sie nichts entdeckt. Gegen 80 junge Officiere, viele Studenten und gegen 100 junge Leute aus den höhern Kaufmannsfamilien hätten Befehl erhalten, sich nach Orenburg zu begeben, um von dort zu der Expedition gegen Khiwa geschickt zu werden. Zugleich sollen Berichte aus Orenburg melden, daß die Avantgarde General Perowski's, welche meistens aus Kosaken bestanden habe, als sie Khirgistan verließ, von turkomanischen Horden angegriffen und bis zu dem Hauptcorps zurückgetrieben worden sey. Eine beträchtliche Zahl von Kosaken aus Sibirien und vom Ural sey beordert worden Khirgistan zu besetzen (!) und die Nomadenstämme zu hindern, dem Beispiele der Turkomanen zu folgen. Auch seyen Officiere der kaiserlichen Garde nach russisch Georgien geschickt worden, um die Reserve von 15,000 Mann herbeizuziehen. – Kurz vorher hatte das Commerce (das obige Nachrichten bringt) angezeigt, 10,000 Kirgiskaisaken hätten gebeten, sich der Expedition anschließen zu dürfen, was aufs beste auf- und angenommen worden sey. Wir erwähnen alle diese bunt durcheinander gewürfelten Sagen, ohne ihnen mehr Werth beizulegen, als dergleichen Berichte in französischen Blättern in der Regel verdienen. Nur haben wir schon oft bemerkt, daß ihre Aufnahme in deutsche Blätter hie und da besser Unterrichtete bestimmte, mit Erläuterungen oder Widerlegungen hervorzutreten, was vielleicht auch dießmal der Fall ist. Griechenland. *✝Triest, 23 Jan. Die griechische Conspiration fährt fort die Gemüther zu beschäftigen und bildet fast ausschließlich den Gegenstand aller Gespräche. Man weiß nun zuverlässig, daß die Verschwörer selbst keineswegs über den Zweck und die Mittel ihres Beginnens einig waren. Während eine Partei geradezu das Aeußerste beabsichtigte, ging der Plan der andern dahin: den König zur Annahme der griechischen Religion und unmittelbar darauf zur Kriegserklärung gegen die Pforte zu zwingen. Auch scheint es, daß von dieser Partei, welche die ausgedehntesten Verbindungen in Rumelien hatte, schon sehr gut eingeleitete Maaßregeln ergriffen worden waren, um den Einfall in die angränzenden türkischen Provinzen und die Vereinigung mit den dortigen Unzufriedenen zu bewerkstelligen, so wie der Anschlag in Athen gelungen wäre. Die Münchener pol. Zeitung sagt über die neuesten Vorgänge in Griechenland: „Zuverlässige Nachrichten aus Athen vom 12 und 13 d. geben über die neuesten Ereignisse, welche sich dort zugetragen, folgende Aufschlüsse. Seit mehreren Tagen war die Regierung auf der Spur einer ausgebreiteten Verschwörung, welche die Sicherheit des Staates auf das höchste compromittiren konnte. In Folge der eingeleiteten Untersuchungen und der in Beschlag genommenen Papiere wurde am 5 Obrist Nikitas, und am 7 Graf Georg Kapodistrias, als an einer Verschwörung gegen die Sicherheit des Staats theilnehmend, zu Verhaft gebracht. Graf Kapodistrias ist der Bruder des ermordeten Präsidenten, von welchem er schon früher aus Griechenland entfernt wurde. Seine zerrütteten Vermögensumstände sind bekannt. Nikitas ist einer der Helden des Freiheitskampfes, gehörte zur Partei der Napisten, und findet sich gleichfalls in sehr schlechten Vermögensumständen. Unter den in Beschlag genommenen Papieren fand sich ein Diplom für Nikitas als Chef der Landarmee. Es war mit dem Phönix gestempelt, wie zur Zeit der Hetärie von 1821. An Kolandroutzos war ein gleiches als Befehlshaber der Flotte im Archipel ausgefertigt. Diese Entdeckungen, deren Kunde sich sehr schnell in dem Publicum verbreitete, gaben Veranlassung zu den lügenhaftesten Gerüchten, welche Gehässigkeit und Parteigeist ins Unglaubliche steigerte. So ist unter andern sogar die Rede von Mordanschlägen gewesen, woran jedoch kein wahres Wort ist. Thatsache ist es dagegen, daß König Otto inmitten der allgemeinen Aufregung unglaubliche Ruhe und Besonnenheit bewahrte, und gegenüber von Personen, welche ihn in jenen Augenblicken zu sprechen Gelegenheit hatten, eine ungeheuchelte Heiterkeit bewies, welche bei so unangenehmen Vorfällen nicht leicht zu erwarten gewesen wäre. Wie alljährlich fand am 13 als am griechischen Neujahrstage der feierliche Gottesdienst in der Irenenkirche und die Aufwartung bei Hofe statt. Ihre Majestäten wurden von dem Palais an bis zur Kirche mit großem Jubel und _ -Rufen empfangen; als aber der König vom Throne herabstieg, ertönte ein so ungeheures Lebehoch und ein so andauerndes Freudengeschrei, wie es nie zuvor gehört worden. Es war unverkennbar der Ausbruch der Liebe und der allgemeinen Freude darüber, daß der König einer großen Gefahr entgangen war. Es liegt zugleich darin der laute und öffentliche Beweis der größten Mißbilligung dieser Verschwörung, und mit Beruhigung läßt sich daraus folgern, daß der Thron in Griechenland feste Wurzeln gefaßt hat. In Folge der gemachten Entdeckungen ist der bisherige Minister des Innern, Glarakis, seiner Stelle enthoben und durch den Staatsrath Theocharis, einen ganz parteilosen Mann, ersetzt worden.“ Türkei. *Von der türkischen Gränze, 17 Jan. In Montenegro bemerkt man große Rüstungen, die angeblich bloß gemacht werden, um einem von Seite der Türken erwarteten Angriff zu begegnen. Ich habe schon früher des Gerüchtes von einem solchen Vorhaben der Türken erwähnt, glaube nun aber fest, daß türkischerseits noch Niemand daran gedacht hat, daß die Sage hievon vielmehr von den Montegrinern selbst erfunden

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 31. Augsburg, 31. Januar 1840, S. 0247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_031_18400131/7>, abgerufen am 29.03.2024.