Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

liefern, durch das Gehaltvolle, was wir ihnen dagegen bieten, so ziemlich aufgewogen werde, ja daß die Franzosen in dieser Beziehung sich uns gegenüber in dem Fall jener Seefahrer befinden, die von den Eingebornen gesunde Naturproducte gegen kleine, artige Schnitzwaaren eintauschen, und daß endlich der auffallend lebhafte Antheil an den populärsten Geschichtswerken des jetzigen Frankreichs durch die enge Verbindung zu erklären sey, in der die neuere Geschichte dieses Staats mit der unseres Vaterlandes stehe.

Alle diese Einwendungen sind ohne Zweifel beachtungswerth, aber die Thatsache steht nichtsdestoweniger fest, daß die Masse der Lesenden in Deutschland einen großen Theil ihrer geistigen Nahrung aus Frankreich zieht, daß ein solcher Verkehr mit einem fremden Volke, wenn er auch nicht um die höchsten Fragen des Daseyns sich dreht, den Gemüthern die Sitten und Denkart dieses Volkes immer näher bringen, und nach und nach das Nationalgefühl, leise wohl, fast ungehört, aber stets fortschreitend untergraben muß. Alles dieß wissen und berechnen die Franzosen. Sie rechnen falsch - es ist wahr - sie vergessen die Entfremdung in Anschlag zu bringen, die sie selbst sich durch das erbärmliche Spiel ihrer Parteien, und ihre vielfache Kinderei und innerliche Leere in allen politischen Verhältnissen nicht nur in Deutschland, sondern allenthalben zugezogen, und die eigne Eitelkeit hat daher an dem Rechnungsfehler eben so viel Schuld, als das Schauspiel unsrer geistigen Entnationalisirung. Weil wir aber den Irrthum zur Hälfte mit veranlaßt, so sollten wir, als ein billiges und gerechtes Volk, auch die Hälfte des Zornes darüber unterdrücken. Und dann dürfte man nicht übersehen, daß die Antipathien, die aus dem augenblicklichen Treiben der Franzosen gegen sie entstanden, eben nicht länger dauern werden, als dieses Treiben selbst; man sollte bedenken, daß man den Hoffnungen, die diese reichbegabte Nation später von neuem erregen könnte, trotz dem, daß sie ein-, daß sie zweimal nicht in Erfüllung gegangen, doch wieder trauen werde, denn nichts ist größere Thorheit, als zu glauben, daß Täuschungen ewig vor Erwartungen gleicher Art bewahrten.

Uebrigens sind die Franzosen noch kein so saft- und markloses, kein so verrottetes und verworrenes Volk, als man hie und da vielleicht mit Wohlgefallen denkt. Der Ruf deutscher Gründlichkeit litt in den letzten Jahren mehr als einmal Schaden, aber die französische Gesellschaft im Großen nach den Sprüngen und Grimassen des Pariser Carnevals, den Sinn der ganzen Nation nach dem wilden Wahnwitz bemessen, der die Hefe der großen Städte, vor Allem die der Hauptstadt, aufwühlt, wär' ein so liebloser Leichtsinn des Urtheils, wie ihn selbst die rasche Zunge des Galliers sich in Rücksicht auf uns nicht vorwerfen könnte. Noch sind Energie des Geistes, Güte des Gemüths, ritterlicher Muth in Frankreich so schwer nicht anzutreffen. Noch befinden sich in Frankreich Tausende, die sich mit Entsagung aller Weltgenüsse der Pflege des Unglücks oder der Belehrung des Armen widmen. Und seht, was in jener Sklavenwelt hinter dem Ganges, fast am entgegengesetzten Ende des Erdballs, vorgeht! Vermißt ihr dort französische Namen unter den Märtyrern des Glaubens? Und welche unter den christlichen Aposteln verstehen es besser, die frohe Botschaft des Herrn an das Herz des Wilden zu drücken, als die Söhne des katholischen Frankreichs? Merkwürdige Aehnlichkeit der Dinge! Als das Christenthum in dem ersten Stadium seiner Jugend war, gaben die Christen gleichsam den Ton der Aufopferung und Hingebung an, jetzt, da man das Christenthum so allgemein sterben läßt, sind es wieder die Vorkämpfer und wärmsten Anhänger dieser Lehre, die in dem Selbstvergessen zum Wohle Anderer den standhaftesten Muth zeigen. Die Franzosen kennen ihre Stärke und ahnen ihre Sendung, und darin liegt die Quelle ihrer Begehrlichkeit; sie wollen ihre Größe auch zu eignem Vortheil nützen, und das Amt, das ihnen das Schicksal aufgetragen, nicht umsonst verwalten. Die Ehre einer Würde ist schön, doch was sie einbringt auch nicht zu verachten. Wer Lust und Fähigkeit zum Minister in sich fühlt, muß den verdrängen wollen, der es ist, und wie die Einzelnen, suchen auch die Völker Besitz, Einfluß und Ansehen ihren Nachbarn abzujagen. Es ist der alte neidische Wettstreit, von dem schon Hesiod singt; der Reiche aber verlangt gemeinhin, der Starke verzehrt am meisten.

Belgiens auswärtiger Handel.

Die französische Deputirtenkammer hat sich durch 155 Stimmen gegen 135 geweigert, auf den Vorschlag einiger Deputirten, die Einfuhr fremden Garns und fremder Leinwand höher zu besteuern, näher einzugehen. Hiermit fiel denn auch diesseits der Vorschlag einiger unsrer Repräsentanten, im Fall einer solchen Erhöhung auf belgischer Seite die Einfuhr gewisser französischen Artikel höher zu besteuern, von selbst weg, daher er auch in der gestrigen Sitzung von seinen Urhebern zurückgenommen wurde. Die französischen Debatten über diesen Gegenstand haben von neuem den Beweis geliefert, daß es eigentlich nur die englischen Fabricate sind, gegen deren stets wachsenden Absatz zu niedrigen Preisen Frankreich sich zu schützen hat. England gegenüber befindet sich Belgien ganz in derselben Stellung wie Frankreich, denn während man dort neu erfundene Maschinen auf Spinnen und Weben anwendet, wodurch die niedrigen Preise möglich werden, hält sich Belgien eben so wie Frankreich noch an seinen alten Methoden, mit denen es indessen je länger je weniger gegen jene Fortschritte anzukämpfen vermögen wird. Daher die Klagen auch unsrer Leinenindustrie, und die Forderung verstärkter sogenannter Schutzmaaßregeln, worunter auch die Erschwerung der Ausfuhr inländischen Garns, auf die förmlich angetragen worden, gehören soll. Daher auch die in den letzten Jahren unglaublich gestiegene Zufuhr englischen Garns und englischer Leinwand nach Frankreich (1829 nur 524 Kilogr. Garn, 1839 mehr als 6 Mill. Kilogr., 1835 nur 13,235 Kilogr. Leinwand, 1838 schon 1,376,458 Kilogr.), während die Ausfuhr Belgiens nach Frankreich, selbst nachdem dieses im Jahr 1835 seine Eingangsrechte in etwas ermäßigt, sich vermindert hat. Der Beschluß der Deputirtenkammer wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn nicht die französische Regierung versprochen hätte, selbst eine Maaßregel über diesen Gegenstand in Vorschlag zu bringen; die belgische Regierung wird es sich nun angelegen seyn lassen, dahin zu wirken, daß diese Maaßregel nur gegen England gerichtet sey. - Ich widmete schon einen frühern Brief demjenigen, was über Handelsverhältnisse im Allgemeinen während der Discussion über das Budget des Ministeriums des Innern in unsrer Repräsentantenkammer gesagt worden. Zur Vervollständigung muß ich hier noch Einiges nachtragen. Die Anhänger des Systems einer verschiedenen Behandlung fremder und belgischer Schiffe in unsern Häfen durch Erhöhung der Rechte zu Lasten jener traten auch dießmal wieder mit ihren Ansprüchen auf. Man glaubt auf diese Weise die belgische Handelsmarine zu heben. Das Ministerium beharrt indessen fest bei dem Entschluß, auf ein solches System nicht einzugehen, und es bei den geringen Begünstigungen, welche belgische Schiffe in belgischen Häfen bereits genießen, bewenden zu lassen. Sein

liefern, durch das Gehaltvolle, was wir ihnen dagegen bieten, so ziemlich aufgewogen werde, ja daß die Franzosen in dieser Beziehung sich uns gegenüber in dem Fall jener Seefahrer befinden, die von den Eingebornen gesunde Naturproducte gegen kleine, artige Schnitzwaaren eintauschen, und daß endlich der auffallend lebhafte Antheil an den populärsten Geschichtswerken des jetzigen Frankreichs durch die enge Verbindung zu erklären sey, in der die neuere Geschichte dieses Staats mit der unseres Vaterlandes stehe.

Alle diese Einwendungen sind ohne Zweifel beachtungswerth, aber die Thatsache steht nichtsdestoweniger fest, daß die Masse der Lesenden in Deutschland einen großen Theil ihrer geistigen Nahrung aus Frankreich zieht, daß ein solcher Verkehr mit einem fremden Volke, wenn er auch nicht um die höchsten Fragen des Daseyns sich dreht, den Gemüthern die Sitten und Denkart dieses Volkes immer näher bringen, und nach und nach das Nationalgefühl, leise wohl, fast ungehört, aber stets fortschreitend untergraben muß. Alles dieß wissen und berechnen die Franzosen. Sie rechnen falsch – es ist wahr – sie vergessen die Entfremdung in Anschlag zu bringen, die sie selbst sich durch das erbärmliche Spiel ihrer Parteien, und ihre vielfache Kinderei und innerliche Leere in allen politischen Verhältnissen nicht nur in Deutschland, sondern allenthalben zugezogen, und die eigne Eitelkeit hat daher an dem Rechnungsfehler eben so viel Schuld, als das Schauspiel unsrer geistigen Entnationalisirung. Weil wir aber den Irrthum zur Hälfte mit veranlaßt, so sollten wir, als ein billiges und gerechtes Volk, auch die Hälfte des Zornes darüber unterdrücken. Und dann dürfte man nicht übersehen, daß die Antipathien, die aus dem augenblicklichen Treiben der Franzosen gegen sie entstanden, eben nicht länger dauern werden, als dieses Treiben selbst; man sollte bedenken, daß man den Hoffnungen, die diese reichbegabte Nation später von neuem erregen könnte, trotz dem, daß sie ein-, daß sie zweimal nicht in Erfüllung gegangen, doch wieder trauen werde, denn nichts ist größere Thorheit, als zu glauben, daß Täuschungen ewig vor Erwartungen gleicher Art bewahrten.

Uebrigens sind die Franzosen noch kein so saft- und markloses, kein so verrottetes und verworrenes Volk, als man hie und da vielleicht mit Wohlgefallen denkt. Der Ruf deutscher Gründlichkeit litt in den letzten Jahren mehr als einmal Schaden, aber die französische Gesellschaft im Großen nach den Sprüngen und Grimassen des Pariser Carnevals, den Sinn der ganzen Nation nach dem wilden Wahnwitz bemessen, der die Hefe der großen Städte, vor Allem die der Hauptstadt, aufwühlt, wär' ein so liebloser Leichtsinn des Urtheils, wie ihn selbst die rasche Zunge des Galliers sich in Rücksicht auf uns nicht vorwerfen könnte. Noch sind Energie des Geistes, Güte des Gemüths, ritterlicher Muth in Frankreich so schwer nicht anzutreffen. Noch befinden sich in Frankreich Tausende, die sich mit Entsagung aller Weltgenüsse der Pflege des Unglücks oder der Belehrung des Armen widmen. Und seht, was in jener Sklavenwelt hinter dem Ganges, fast am entgegengesetzten Ende des Erdballs, vorgeht! Vermißt ihr dort französische Namen unter den Märtyrern des Glaubens? Und welche unter den christlichen Aposteln verstehen es besser, die frohe Botschaft des Herrn an das Herz des Wilden zu drücken, als die Söhne des katholischen Frankreichs? Merkwürdige Aehnlichkeit der Dinge! Als das Christenthum in dem ersten Stadium seiner Jugend war, gaben die Christen gleichsam den Ton der Aufopferung und Hingebung an, jetzt, da man das Christenthum so allgemein sterben läßt, sind es wieder die Vorkämpfer und wärmsten Anhänger dieser Lehre, die in dem Selbstvergessen zum Wohle Anderer den standhaftesten Muth zeigen. Die Franzosen kennen ihre Stärke und ahnen ihre Sendung, und darin liegt die Quelle ihrer Begehrlichkeit; sie wollen ihre Größe auch zu eignem Vortheil nützen, und das Amt, das ihnen das Schicksal aufgetragen, nicht umsonst verwalten. Die Ehre einer Würde ist schön, doch was sie einbringt auch nicht zu verachten. Wer Lust und Fähigkeit zum Minister in sich fühlt, muß den verdrängen wollen, der es ist, und wie die Einzelnen, suchen auch die Völker Besitz, Einfluß und Ansehen ihren Nachbarn abzujagen. Es ist der alte neidische Wettstreit, von dem schon Hesiod singt; der Reiche aber verlangt gemeinhin, der Starke verzehrt am meisten.

Belgiens auswärtiger Handel.

Die französische Deputirtenkammer hat sich durch 155 Stimmen gegen 135 geweigert, auf den Vorschlag einiger Deputirten, die Einfuhr fremden Garns und fremder Leinwand höher zu besteuern, näher einzugehen. Hiermit fiel denn auch diesseits der Vorschlag einiger unsrer Repräsentanten, im Fall einer solchen Erhöhung auf belgischer Seite die Einfuhr gewisser französischen Artikel höher zu besteuern, von selbst weg, daher er auch in der gestrigen Sitzung von seinen Urhebern zurückgenommen wurde. Die französischen Debatten über diesen Gegenstand haben von neuem den Beweis geliefert, daß es eigentlich nur die englischen Fabricate sind, gegen deren stets wachsenden Absatz zu niedrigen Preisen Frankreich sich zu schützen hat. England gegenüber befindet sich Belgien ganz in derselben Stellung wie Frankreich, denn während man dort neu erfundene Maschinen auf Spinnen und Weben anwendet, wodurch die niedrigen Preise möglich werden, hält sich Belgien eben so wie Frankreich noch an seinen alten Methoden, mit denen es indessen je länger je weniger gegen jene Fortschritte anzukämpfen vermögen wird. Daher die Klagen auch unsrer Leinenindustrie, und die Forderung verstärkter sogenannter Schutzmaaßregeln, worunter auch die Erschwerung der Ausfuhr inländischen Garns, auf die förmlich angetragen worden, gehören soll. Daher auch die in den letzten Jahren unglaublich gestiegene Zufuhr englischen Garns und englischer Leinwand nach Frankreich (1829 nur 524 Kilogr. Garn, 1839 mehr als 6 Mill. Kilogr., 1835 nur 13,235 Kilogr. Leinwand, 1838 schon 1,376,458 Kilogr.), während die Ausfuhr Belgiens nach Frankreich, selbst nachdem dieses im Jahr 1835 seine Eingangsrechte in etwas ermäßigt, sich vermindert hat. Der Beschluß der Deputirtenkammer wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn nicht die französische Regierung versprochen hätte, selbst eine Maaßregel über diesen Gegenstand in Vorschlag zu bringen; die belgische Regierung wird es sich nun angelegen seyn lassen, dahin zu wirken, daß diese Maaßregel nur gegen England gerichtet sey. – Ich widmete schon einen frühern Brief demjenigen, was über Handelsverhältnisse im Allgemeinen während der Discussion über das Budget des Ministeriums des Innern in unsrer Repräsentantenkammer gesagt worden. Zur Vervollständigung muß ich hier noch Einiges nachtragen. Die Anhänger des Systems einer verschiedenen Behandlung fremder und belgischer Schiffe in unsern Häfen durch Erhöhung der Rechte zu Lasten jener traten auch dießmal wieder mit ihren Ansprüchen auf. Man glaubt auf diese Weise die belgische Handelsmarine zu heben. Das Ministerium beharrt indessen fest bei dem Entschluß, auf ein solches System nicht einzugehen, und es bei den geringen Begünstigungen, welche belgische Schiffe in belgischen Häfen bereits genießen, bewenden zu lassen. Sein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0010" n="0378"/>
liefern, durch das Gehaltvolle, was wir ihnen dagegen bieten, so ziemlich aufgewogen werde, ja daß die Franzosen in dieser Beziehung sich uns gegenüber in dem Fall jener Seefahrer befinden, die von den Eingebornen gesunde Naturproducte gegen kleine, artige Schnitzwaaren eintauschen, und daß endlich der auffallend lebhafte Antheil an den populärsten Geschichtswerken des jetzigen Frankreichs durch die enge Verbindung zu erklären sey, in der die neuere Geschichte dieses Staats mit der unseres Vaterlandes stehe.</p><lb/>
          <p>Alle diese Einwendungen sind ohne Zweifel beachtungswerth, aber die Thatsache steht nichtsdestoweniger fest, daß die Masse der Lesenden in Deutschland einen großen Theil ihrer geistigen Nahrung aus Frankreich zieht, daß ein solcher Verkehr mit einem fremden Volke, wenn er auch nicht um die höchsten Fragen des Daseyns sich dreht, den Gemüthern die Sitten und Denkart dieses Volkes immer näher bringen, und nach und nach das Nationalgefühl, leise wohl, fast ungehört, aber stets fortschreitend untergraben muß. Alles dieß wissen und berechnen die Franzosen. Sie rechnen falsch &#x2013; es ist wahr &#x2013; sie vergessen die Entfremdung in Anschlag zu bringen, die sie selbst sich durch das erbärmliche Spiel ihrer Parteien, und ihre vielfache Kinderei und innerliche Leere in allen politischen Verhältnissen nicht nur in Deutschland, sondern allenthalben zugezogen, und die eigne Eitelkeit hat daher an dem Rechnungsfehler eben so viel Schuld, als das Schauspiel unsrer geistigen Entnationalisirung. Weil wir aber den Irrthum zur Hälfte mit veranlaßt, so sollten wir, als ein billiges und gerechtes Volk, auch die Hälfte des Zornes darüber unterdrücken. Und dann dürfte man nicht übersehen, daß die Antipathien, die aus dem augenblicklichen Treiben der Franzosen gegen sie entstanden, eben nicht länger dauern werden, als dieses Treiben selbst; man sollte bedenken, daß man den Hoffnungen, die diese reichbegabte Nation später von neuem erregen könnte, trotz dem, daß sie ein-, daß sie zweimal nicht in Erfüllung gegangen, doch wieder trauen werde, denn nichts ist größere Thorheit, als zu glauben, daß Täuschungen ewig vor Erwartungen gleicher Art bewahrten.</p><lb/>
          <p>Uebrigens sind die Franzosen noch kein so saft- und markloses, kein so verrottetes und verworrenes Volk, als man hie und da vielleicht mit Wohlgefallen denkt. Der Ruf deutscher Gründlichkeit litt in den letzten Jahren mehr als einmal Schaden, aber die französische Gesellschaft im Großen nach den Sprüngen und Grimassen des Pariser Carnevals, den Sinn der ganzen Nation nach dem wilden Wahnwitz bemessen, der die Hefe der großen Städte, vor Allem die der Hauptstadt, aufwühlt, wär' ein so liebloser Leichtsinn des Urtheils, wie ihn selbst die rasche Zunge des Galliers sich in Rücksicht auf uns nicht vorwerfen könnte. Noch sind Energie des Geistes, Güte des Gemüths, ritterlicher Muth in Frankreich so schwer nicht anzutreffen. Noch befinden sich in Frankreich Tausende, die sich mit Entsagung aller Weltgenüsse der Pflege des Unglücks oder der Belehrung des Armen widmen. Und seht, was in jener Sklavenwelt hinter dem Ganges, fast am entgegengesetzten Ende des Erdballs, vorgeht! Vermißt ihr dort französische Namen unter den Märtyrern des Glaubens? Und welche unter den christlichen Aposteln verstehen es besser, die frohe Botschaft des Herrn an das Herz des Wilden zu drücken, als die Söhne des katholischen Frankreichs? Merkwürdige Aehnlichkeit der Dinge! Als das Christenthum in dem ersten Stadium seiner Jugend war, gaben die Christen gleichsam den Ton der Aufopferung und Hingebung an, jetzt, da man das Christenthum so allgemein sterben läßt, sind es wieder die Vorkämpfer und wärmsten Anhänger dieser Lehre, die in dem Selbstvergessen zum Wohle Anderer den standhaftesten Muth zeigen. Die Franzosen kennen ihre Stärke und ahnen ihre Sendung, und darin liegt die Quelle ihrer Begehrlichkeit; sie wollen ihre Größe auch zu eignem Vortheil nützen, und das Amt, das ihnen das Schicksal aufgetragen, nicht umsonst verwalten. Die Ehre einer Würde ist schön, doch was sie einbringt auch nicht zu verachten. Wer Lust und Fähigkeit zum Minister in sich fühlt, muß den verdrängen wollen, der es ist, und wie die Einzelnen, suchen auch die Völker Besitz, Einfluß und Ansehen ihren Nachbarn abzujagen. Es ist der alte neidische Wettstreit, von dem schon Hesiod singt; der Reiche aber verlangt gemeinhin, der Starke verzehrt am meisten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Belgiens auswärtiger Handel</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 6 Febr.</dateline>
          <p> Die französische Deputirtenkammer hat sich durch 155 Stimmen gegen 135 geweigert, auf den Vorschlag einiger Deputirten, die Einfuhr fremden Garns und fremder Leinwand höher zu besteuern, näher einzugehen. Hiermit fiel denn auch diesseits der Vorschlag einiger unsrer Repräsentanten, im Fall einer solchen Erhöhung auf belgischer Seite die Einfuhr gewisser französischen Artikel höher zu besteuern, von selbst weg, daher er auch in der gestrigen Sitzung von seinen Urhebern zurückgenommen wurde. Die französischen Debatten über diesen Gegenstand haben von neuem den Beweis geliefert, daß es eigentlich nur die englischen Fabricate sind, gegen deren stets wachsenden Absatz zu niedrigen Preisen Frankreich sich zu schützen hat. England gegenüber befindet sich Belgien ganz in derselben Stellung wie Frankreich, denn während man dort neu erfundene Maschinen auf Spinnen und Weben anwendet, wodurch die niedrigen Preise möglich werden, hält sich Belgien eben so wie Frankreich noch an seinen alten Methoden, mit denen es indessen je länger je weniger gegen jene Fortschritte anzukämpfen vermögen wird. Daher die Klagen auch unsrer Leinenindustrie, und die Forderung verstärkter sogenannter Schutzmaaßregeln, worunter auch die Erschwerung der Ausfuhr inländischen Garns, auf die förmlich angetragen worden, gehören soll. Daher auch die in den letzten Jahren unglaublich gestiegene Zufuhr englischen Garns und englischer Leinwand nach Frankreich (1829 nur 524 Kilogr. Garn, 1839 mehr als 6 Mill. Kilogr., 1835 nur 13,235 Kilogr. Leinwand, 1838 schon 1,376,458 Kilogr.), während die Ausfuhr Belgiens nach Frankreich, selbst nachdem dieses im Jahr 1835 seine Eingangsrechte in etwas ermäßigt, sich vermindert hat. Der Beschluß der Deputirtenkammer wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn nicht die französische Regierung versprochen hätte, selbst eine Maaßregel über diesen Gegenstand in Vorschlag zu bringen; die belgische Regierung wird es sich nun angelegen seyn lassen, dahin zu wirken, daß diese Maaßregel nur gegen England gerichtet sey. &#x2013; Ich widmete schon einen frühern Brief demjenigen, was über Handelsverhältnisse im Allgemeinen während der Discussion über das Budget des Ministeriums des Innern in unsrer Repräsentantenkammer gesagt worden. Zur Vervollständigung muß ich hier noch Einiges nachtragen. Die Anhänger des Systems einer verschiedenen Behandlung fremder und belgischer Schiffe in unsern Häfen durch Erhöhung der Rechte zu Lasten jener traten auch dießmal wieder mit ihren Ansprüchen auf. Man glaubt auf diese Weise die belgische Handelsmarine zu heben. Das Ministerium beharrt indessen fest bei dem Entschluß, auf ein solches System nicht einzugehen, und es bei den geringen Begünstigungen, welche belgische Schiffe in belgischen Häfen bereits genießen, bewenden zu lassen. Sein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378/0010] liefern, durch das Gehaltvolle, was wir ihnen dagegen bieten, so ziemlich aufgewogen werde, ja daß die Franzosen in dieser Beziehung sich uns gegenüber in dem Fall jener Seefahrer befinden, die von den Eingebornen gesunde Naturproducte gegen kleine, artige Schnitzwaaren eintauschen, und daß endlich der auffallend lebhafte Antheil an den populärsten Geschichtswerken des jetzigen Frankreichs durch die enge Verbindung zu erklären sey, in der die neuere Geschichte dieses Staats mit der unseres Vaterlandes stehe. Alle diese Einwendungen sind ohne Zweifel beachtungswerth, aber die Thatsache steht nichtsdestoweniger fest, daß die Masse der Lesenden in Deutschland einen großen Theil ihrer geistigen Nahrung aus Frankreich zieht, daß ein solcher Verkehr mit einem fremden Volke, wenn er auch nicht um die höchsten Fragen des Daseyns sich dreht, den Gemüthern die Sitten und Denkart dieses Volkes immer näher bringen, und nach und nach das Nationalgefühl, leise wohl, fast ungehört, aber stets fortschreitend untergraben muß. Alles dieß wissen und berechnen die Franzosen. Sie rechnen falsch – es ist wahr – sie vergessen die Entfremdung in Anschlag zu bringen, die sie selbst sich durch das erbärmliche Spiel ihrer Parteien, und ihre vielfache Kinderei und innerliche Leere in allen politischen Verhältnissen nicht nur in Deutschland, sondern allenthalben zugezogen, und die eigne Eitelkeit hat daher an dem Rechnungsfehler eben so viel Schuld, als das Schauspiel unsrer geistigen Entnationalisirung. Weil wir aber den Irrthum zur Hälfte mit veranlaßt, so sollten wir, als ein billiges und gerechtes Volk, auch die Hälfte des Zornes darüber unterdrücken. Und dann dürfte man nicht übersehen, daß die Antipathien, die aus dem augenblicklichen Treiben der Franzosen gegen sie entstanden, eben nicht länger dauern werden, als dieses Treiben selbst; man sollte bedenken, daß man den Hoffnungen, die diese reichbegabte Nation später von neuem erregen könnte, trotz dem, daß sie ein-, daß sie zweimal nicht in Erfüllung gegangen, doch wieder trauen werde, denn nichts ist größere Thorheit, als zu glauben, daß Täuschungen ewig vor Erwartungen gleicher Art bewahrten. Uebrigens sind die Franzosen noch kein so saft- und markloses, kein so verrottetes und verworrenes Volk, als man hie und da vielleicht mit Wohlgefallen denkt. Der Ruf deutscher Gründlichkeit litt in den letzten Jahren mehr als einmal Schaden, aber die französische Gesellschaft im Großen nach den Sprüngen und Grimassen des Pariser Carnevals, den Sinn der ganzen Nation nach dem wilden Wahnwitz bemessen, der die Hefe der großen Städte, vor Allem die der Hauptstadt, aufwühlt, wär' ein so liebloser Leichtsinn des Urtheils, wie ihn selbst die rasche Zunge des Galliers sich in Rücksicht auf uns nicht vorwerfen könnte. Noch sind Energie des Geistes, Güte des Gemüths, ritterlicher Muth in Frankreich so schwer nicht anzutreffen. Noch befinden sich in Frankreich Tausende, die sich mit Entsagung aller Weltgenüsse der Pflege des Unglücks oder der Belehrung des Armen widmen. Und seht, was in jener Sklavenwelt hinter dem Ganges, fast am entgegengesetzten Ende des Erdballs, vorgeht! Vermißt ihr dort französische Namen unter den Märtyrern des Glaubens? Und welche unter den christlichen Aposteln verstehen es besser, die frohe Botschaft des Herrn an das Herz des Wilden zu drücken, als die Söhne des katholischen Frankreichs? Merkwürdige Aehnlichkeit der Dinge! Als das Christenthum in dem ersten Stadium seiner Jugend war, gaben die Christen gleichsam den Ton der Aufopferung und Hingebung an, jetzt, da man das Christenthum so allgemein sterben läßt, sind es wieder die Vorkämpfer und wärmsten Anhänger dieser Lehre, die in dem Selbstvergessen zum Wohle Anderer den standhaftesten Muth zeigen. Die Franzosen kennen ihre Stärke und ahnen ihre Sendung, und darin liegt die Quelle ihrer Begehrlichkeit; sie wollen ihre Größe auch zu eignem Vortheil nützen, und das Amt, das ihnen das Schicksal aufgetragen, nicht umsonst verwalten. Die Ehre einer Würde ist schön, doch was sie einbringt auch nicht zu verachten. Wer Lust und Fähigkeit zum Minister in sich fühlt, muß den verdrängen wollen, der es ist, und wie die Einzelnen, suchen auch die Völker Besitz, Einfluß und Ansehen ihren Nachbarn abzujagen. Es ist der alte neidische Wettstreit, von dem schon Hesiod singt; der Reiche aber verlangt gemeinhin, der Starke verzehrt am meisten. Belgiens auswärtiger Handel. _ Brüssel, 6 Febr. Die französische Deputirtenkammer hat sich durch 155 Stimmen gegen 135 geweigert, auf den Vorschlag einiger Deputirten, die Einfuhr fremden Garns und fremder Leinwand höher zu besteuern, näher einzugehen. Hiermit fiel denn auch diesseits der Vorschlag einiger unsrer Repräsentanten, im Fall einer solchen Erhöhung auf belgischer Seite die Einfuhr gewisser französischen Artikel höher zu besteuern, von selbst weg, daher er auch in der gestrigen Sitzung von seinen Urhebern zurückgenommen wurde. Die französischen Debatten über diesen Gegenstand haben von neuem den Beweis geliefert, daß es eigentlich nur die englischen Fabricate sind, gegen deren stets wachsenden Absatz zu niedrigen Preisen Frankreich sich zu schützen hat. England gegenüber befindet sich Belgien ganz in derselben Stellung wie Frankreich, denn während man dort neu erfundene Maschinen auf Spinnen und Weben anwendet, wodurch die niedrigen Preise möglich werden, hält sich Belgien eben so wie Frankreich noch an seinen alten Methoden, mit denen es indessen je länger je weniger gegen jene Fortschritte anzukämpfen vermögen wird. Daher die Klagen auch unsrer Leinenindustrie, und die Forderung verstärkter sogenannter Schutzmaaßregeln, worunter auch die Erschwerung der Ausfuhr inländischen Garns, auf die förmlich angetragen worden, gehören soll. Daher auch die in den letzten Jahren unglaublich gestiegene Zufuhr englischen Garns und englischer Leinwand nach Frankreich (1829 nur 524 Kilogr. Garn, 1839 mehr als 6 Mill. Kilogr., 1835 nur 13,235 Kilogr. Leinwand, 1838 schon 1,376,458 Kilogr.), während die Ausfuhr Belgiens nach Frankreich, selbst nachdem dieses im Jahr 1835 seine Eingangsrechte in etwas ermäßigt, sich vermindert hat. Der Beschluß der Deputirtenkammer wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn nicht die französische Regierung versprochen hätte, selbst eine Maaßregel über diesen Gegenstand in Vorschlag zu bringen; die belgische Regierung wird es sich nun angelegen seyn lassen, dahin zu wirken, daß diese Maaßregel nur gegen England gerichtet sey. – Ich widmete schon einen frühern Brief demjenigen, was über Handelsverhältnisse im Allgemeinen während der Discussion über das Budget des Ministeriums des Innern in unsrer Repräsentantenkammer gesagt worden. Zur Vervollständigung muß ich hier noch Einiges nachtragen. Die Anhänger des Systems einer verschiedenen Behandlung fremder und belgischer Schiffe in unsern Häfen durch Erhöhung der Rechte zu Lasten jener traten auch dießmal wieder mit ihren Ansprüchen auf. Man glaubt auf diese Weise die belgische Handelsmarine zu heben. Das Ministerium beharrt indessen fest bei dem Entschluß, auf ein solches System nicht einzugehen, und es bei den geringen Begünstigungen, welche belgische Schiffe in belgischen Häfen bereits genießen, bewenden zu lassen. Sein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_048_18400217
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_048_18400217/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840, S. 0378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_048_18400217/10>, abgerufen am 20.04.2024.