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Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840.

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Regierung fordere, daß die Papiere, welche man bei Hrn. Durand gefunden zu haben behauptete, und die boshaften Beschuldigungen gegen Rußland veröffentlicht werden; er setzte hinzu, daß die russische Regierung nie irgend ein Blatt zu einem so strafwürdigen Zweck besoldet habe; zwischen beiden Ländern könne wohl eine Spaltung in den politischen Meinungen bestehen, Rußland aber habe zu sehr das Bewußtseyn seiner Kraft und Würde, um zu so niedrigen und unredlichen Intriguen seine Zuflucht zu nehmen. Der Präsident des Conseils antwortete, er habe über die Redlichkeit des russischen Cabinets nie den geringsten Zweifel gehabt, und keinen Anlaß gefunden, jenen Gerüchten Glauben zu schenken. Wahr ist es, daß Hr. Durand, als er das Journal de Francfort redigirte, einen kleinen Zuschuß erhielt, der ihm auf seine Bitte für die Aufnahme von Berichtigungen bewilligt worden; es scheint auch, daß noch andere Regierungen ihm damals ähnliche Zuschüsse bewilligten; aber seitdem Hr. Karl Durand von der Redaction des Journal de Francfort abgetreten und das Journal le Capitole gegründet hat, erklärt die russische Regierung, daß sie mit ihm keinerlei Verbindung weder direct noch indirect mehr habe."

(Revue de Paris.) Hr. v. La Mennais hat seinem Pamphlet de l'Esclavage moderne eine Vorrede beigefügt. Man sollte meinen, der Verfasser habe die Broschüre selbst nicht für heftig genug gehalten, und dafür doppelt heftig in der Vorrede sich aussprechen wollen. In dieser Wiederholung war der Verfasser aber nicht glücklich. Man fühlt zu sehr das Leere und Falsche aller in einen engen Raum zusammengedrängten Gemeinplätze, und ihre Anhäufung läßt ihre Nichtigkeit nur um so mehr hervortreten. Folgendermaßen lautet die letzte Phrase dieser Vorrede: "Brüder, merket wohl, es gibt zwei Arten von Menschen, das selbstsüchtige Geschlecht des bloßen Interesses, und das Geschlecht derer, die an Pflicht und Recht halten; wir wollen uns dem letztern anschließen, und erstere in die Wüste stoßen, wo ihr die Wohnung angewiesen ist, fern vom Aufenthalt des Menschen, unter den Thieren, die nicht zur Gesellschaft gehören, unter den einsamen Thieren des Waldes." Wir lassen es uns also von nun an gesagt seyn: Jeder, der nicht mit den Doctrinen des Hrn. v. La Mennais sympathisirt, gehört dem "selbstsüchtigen Geschlecht des bloßen Interesses" an, und kann nur in den Wüsten mit den wilden Thieren schicklich zusammenwohnen. Desto schlimmer für die politischen Leidenschaften, welche einen Mann von Genie in solche Irrung stürzen können! Der Sinn fürs Lächerliche muß in unsern Tagen verloren seyn, da man dergleichen Zeug im Land der Montaigne, Voltaire und Beaumarchais schreibt.

Das Tagsgespräch bleibt fortwährend die Dotation des Herzogs von Nemours. Die Majorität der Commission billigt den Entwurf seinem ganzen Inhalt nach, wird jedoch vielleicht den Vorbehalt der Revision nach dem Ableben von Ludwig Philipp beifügen, weil dann der dem König vorbehaltene Gebrauch des Privatvermögens seiner Kinder aufhört, und mithin der Herzog aus eigenen Mitteln ein Einkommen von mehr als 500,000 Fr. besitzen wird. Von allen Seiten langen bei den Deputirten Briefe der Wähler an, die gegen den Entwurf protestiren, seit sie das Pamphlet des Hrn. v. Cormenin gelesen haben. - Dem Vernehmen nach wird die verwittwete Fürstin Lieven, die seit einiger Zeit Paris bewohnt, zur nämlichen Epoche als Hr. Guizot nach London abreisen. Da Hr. Guizot sich in ihrem Umgang zu gefallen scheint, indem er sie beinahe täglich besucht, so schließt man, der neue Botschafter beabsichtige in London die diplomatischen Kenntnisse dieser ausgezeichneten Frau zum Vortheil von Frankreich zu benutzen. - Zwischen dem hiesigen Hofe oder vielmehr einer hohen Person und dem österreichischen Botschafter, Grafen Appony, hat sich die frühere gleichsam innige Freundschaft seit einiger Zeit in bemerkbare Kälte umgewandelt, die man dem Beitritt Oesterreichs zu den Vorschlägen Rußlands in der orientalischen Frage zuschreibt.

Wer die Art und Weise sieht, wie der Gesetzesentwurf in Betreff der Ehrenlegion in der Kammer verhandelt ward, sollte meinen, daß die Deputirten plötzlich Reue empfänden, die Leichtigkeit, mit welcher bisher diese Auszeichnung ertheilt wurde, zu beschränken. In der That, man kann annehmen, daß das Verlangen nach dem rothen Bande zu den unläugbarsten Krankheiten des französischen Nationalcharakters gehört, und daß es kein Mittel gibt, diese Sucht ganz zu heilen. Das provisorische Ministerium des vorigen Jahrs hat innerhalb sechs Wochen über 900 Ehrenkreuze ertheilt. Wäre diese Zahl nicht amtlich von dem Minister selbst in der Kammer genannt worden, so müßte man sie für fabelhaft halten. Aber die Sache erklärt sich leicht, wenn man ihr ein wenig nachspürt. Die Masse der Deputirten, Beamten u. s. w. theilen sich in zwei große Hälften, die eine, welche das Ehrenkreuz hat, die andere, welche es nicht hat; beide lachen darüber und spotten, die einen, weil sie es haben und bequemer finden mitzulachen, als sich auslachen zu lassen, die andern, weil sie es noch nicht haben und nicht wollen merken lassen, daß ihnen das Herz weh thut, es entbehren zu müssen; im Grund aber ist ihr Sinn derselbe, und ihr offener Spott ist im geringsten kein Grund, um sich nicht heimlich darum zu bewerben.

Italien.

In Betreff der kirchlichen Angelegenheiten mit Preußen hört man als bestimmt versichern, daß der hiesige Hof den von den rheinischen Capiteln vorgeschlagenen Domherren die Bestätigung beharrlich verweigert. - Aus St. Petersburg wird Hr. v. Krivzoff, erster Legationssecretär der hiesigen russischen Gesandtschaft, stündlich zurückerwartet. Man hofft dann auch die Antwort dieses nordischen Hofs auf die Vorstellungen des Papstes zu erfahren. - Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, hatte vorgestern die Ehre mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Marie, Sr. Heiligkeit in einer feierlichen Audienz vorgestellt zu werden. - Es heißt, der König von Neapel werde auf Besuch hierher kommen.

In dem Lobe der Maaßregeln, welche die österreichische Regierung getroffen hat und noch fortwährend trifft, um die Noth der Provinzen zu lindern, welche durch die Ueberschwemmungen besonders gelitten haben, sind alle Berichte aus Oberitalien einstimmig. Selbst im Ferraresischen und Modenesischen, wo ebenfalls der Schaden an einigen Stellen nicht unbeträchtlich war, ist wenigstens für die untern Volksclassen etwas geschehen; leider sind aber gerade die Gutsbesitzer am schwersten betroffen worden. Unter so traurigen Umständen hat es nicht an edlen Zügen von Aufopferung und Hingebung gefehlt; eines der schönsten Beispiele der Art dürfte folgendes seyn, das zu Salogni, einem Flecken von 800 Seelen, in der Provinz und Diöcese Tortona, von einem Priester gegeben wurde. Es wird von einem Augenzeugen also erzählt: nach dem ungeheuren Regen, welcher unsrer Halbinsel so vielfachen Schaden brachte, waren wir bis zum 6 Nov. gelangt, ohne ein Vorgefühl von dem Unglück zu haben, das uns bevorstand. Erst am Abend des genannten Tages bemerkten wir Risse an einigen Wänden unsrer Häuser; das allgemeine Schwanken derselben zeigte uns zwei Stunden nach Mitternacht die ganze Größe der Gefahr. Das Dorf stürzte zusammen, und begrub

Regierung fordere, daß die Papiere, welche man bei Hrn. Durand gefunden zu haben behauptete, und die boshaften Beschuldigungen gegen Rußland veröffentlicht werden; er setzte hinzu, daß die russische Regierung nie irgend ein Blatt zu einem so strafwürdigen Zweck besoldet habe; zwischen beiden Ländern könne wohl eine Spaltung in den politischen Meinungen bestehen, Rußland aber habe zu sehr das Bewußtseyn seiner Kraft und Würde, um zu so niedrigen und unredlichen Intriguen seine Zuflucht zu nehmen. Der Präsident des Conseils antwortete, er habe über die Redlichkeit des russischen Cabinets nie den geringsten Zweifel gehabt, und keinen Anlaß gefunden, jenen Gerüchten Glauben zu schenken. Wahr ist es, daß Hr. Durand, als er das Journal de Francfort redigirte, einen kleinen Zuschuß erhielt, der ihm auf seine Bitte für die Aufnahme von Berichtigungen bewilligt worden; es scheint auch, daß noch andere Regierungen ihm damals ähnliche Zuschüsse bewilligten; aber seitdem Hr. Karl Durand von der Redaction des Journal de Francfort abgetreten und das Journal le Capitole gegründet hat, erklärt die russische Regierung, daß sie mit ihm keinerlei Verbindung weder direct noch indirect mehr habe.“

(Revue de Paris.) Hr. v. La Mennais hat seinem Pamphlet de l'Esclavage moderne eine Vorrede beigefügt. Man sollte meinen, der Verfasser habe die Broschüre selbst nicht für heftig genug gehalten, und dafür doppelt heftig in der Vorrede sich aussprechen wollen. In dieser Wiederholung war der Verfasser aber nicht glücklich. Man fühlt zu sehr das Leere und Falsche aller in einen engen Raum zusammengedrängten Gemeinplätze, und ihre Anhäufung läßt ihre Nichtigkeit nur um so mehr hervortreten. Folgendermaßen lautet die letzte Phrase dieser Vorrede: „Brüder, merket wohl, es gibt zwei Arten von Menschen, das selbstsüchtige Geschlecht des bloßen Interesses, und das Geschlecht derer, die an Pflicht und Recht halten; wir wollen uns dem letztern anschließen, und erstere in die Wüste stoßen, wo ihr die Wohnung angewiesen ist, fern vom Aufenthalt des Menschen, unter den Thieren, die nicht zur Gesellschaft gehören, unter den einsamen Thieren des Waldes.“ Wir lassen es uns also von nun an gesagt seyn: Jeder, der nicht mit den Doctrinen des Hrn. v. La Mennais sympathisirt, gehört dem „selbstsüchtigen Geschlecht des bloßen Interesses“ an, und kann nur in den Wüsten mit den wilden Thieren schicklich zusammenwohnen. Desto schlimmer für die politischen Leidenschaften, welche einen Mann von Genie in solche Irrung stürzen können! Der Sinn fürs Lächerliche muß in unsern Tagen verloren seyn, da man dergleichen Zeug im Land der Montaigne, Voltaire und Beaumarchais schreibt.

Das Tagsgespräch bleibt fortwährend die Dotation des Herzogs von Nemours. Die Majorität der Commission billigt den Entwurf seinem ganzen Inhalt nach, wird jedoch vielleicht den Vorbehalt der Revision nach dem Ableben von Ludwig Philipp beifügen, weil dann der dem König vorbehaltene Gebrauch des Privatvermögens seiner Kinder aufhört, und mithin der Herzog aus eigenen Mitteln ein Einkommen von mehr als 500,000 Fr. besitzen wird. Von allen Seiten langen bei den Deputirten Briefe der Wähler an, die gegen den Entwurf protestiren, seit sie das Pamphlet des Hrn. v. Cormenin gelesen haben. – Dem Vernehmen nach wird die verwittwete Fürstin Lieven, die seit einiger Zeit Paris bewohnt, zur nämlichen Epoche als Hr. Guizot nach London abreisen. Da Hr. Guizot sich in ihrem Umgang zu gefallen scheint, indem er sie beinahe täglich besucht, so schließt man, der neue Botschafter beabsichtige in London die diplomatischen Kenntnisse dieser ausgezeichneten Frau zum Vortheil von Frankreich zu benutzen. – Zwischen dem hiesigen Hofe oder vielmehr einer hohen Person und dem österreichischen Botschafter, Grafen Appony, hat sich die frühere gleichsam innige Freundschaft seit einiger Zeit in bemerkbare Kälte umgewandelt, die man dem Beitritt Oesterreichs zu den Vorschlägen Rußlands in der orientalischen Frage zuschreibt.

Wer die Art und Weise sieht, wie der Gesetzesentwurf in Betreff der Ehrenlegion in der Kammer verhandelt ward, sollte meinen, daß die Deputirten plötzlich Reue empfänden, die Leichtigkeit, mit welcher bisher diese Auszeichnung ertheilt wurde, zu beschränken. In der That, man kann annehmen, daß das Verlangen nach dem rothen Bande zu den unläugbarsten Krankheiten des französischen Nationalcharakters gehört, und daß es kein Mittel gibt, diese Sucht ganz zu heilen. Das provisorische Ministerium des vorigen Jahrs hat innerhalb sechs Wochen über 900 Ehrenkreuze ertheilt. Wäre diese Zahl nicht amtlich von dem Minister selbst in der Kammer genannt worden, so müßte man sie für fabelhaft halten. Aber die Sache erklärt sich leicht, wenn man ihr ein wenig nachspürt. Die Masse der Deputirten, Beamten u. s. w. theilen sich in zwei große Hälften, die eine, welche das Ehrenkreuz hat, die andere, welche es nicht hat; beide lachen darüber und spotten, die einen, weil sie es haben und bequemer finden mitzulachen, als sich auslachen zu lassen, die andern, weil sie es noch nicht haben und nicht wollen merken lassen, daß ihnen das Herz weh thut, es entbehren zu müssen; im Grund aber ist ihr Sinn derselbe, und ihr offener Spott ist im geringsten kein Grund, um sich nicht heimlich darum zu bewerben.

Italien.

In Betreff der kirchlichen Angelegenheiten mit Preußen hört man als bestimmt versichern, daß der hiesige Hof den von den rheinischen Capiteln vorgeschlagenen Domherren die Bestätigung beharrlich verweigert. – Aus St. Petersburg wird Hr. v. Krivzoff, erster Legationssecretär der hiesigen russischen Gesandtschaft, stündlich zurückerwartet. Man hofft dann auch die Antwort dieses nordischen Hofs auf die Vorstellungen des Papstes zu erfahren. – Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, hatte vorgestern die Ehre mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Marie, Sr. Heiligkeit in einer feierlichen Audienz vorgestellt zu werden. – Es heißt, der König von Neapel werde auf Besuch hierher kommen.

In dem Lobe der Maaßregeln, welche die österreichische Regierung getroffen hat und noch fortwährend trifft, um die Noth der Provinzen zu lindern, welche durch die Ueberschwemmungen besonders gelitten haben, sind alle Berichte aus Oberitalien einstimmig. Selbst im Ferraresischen und Modenesischen, wo ebenfalls der Schaden an einigen Stellen nicht unbeträchtlich war, ist wenigstens für die untern Volksclassen etwas geschehen; leider sind aber gerade die Gutsbesitzer am schwersten betroffen worden. Unter so traurigen Umständen hat es nicht an edlen Zügen von Aufopferung und Hingebung gefehlt; eines der schönsten Beispiele der Art dürfte folgendes seyn, das zu Salogni, einem Flecken von 800 Seelen, in der Provinz und Diöcese Tortona, von einem Priester gegeben wurde. Es wird von einem Augenzeugen also erzählt: nach dem ungeheuren Regen, welcher unsrer Halbinsel so vielfachen Schaden brachte, waren wir bis zum 6 Nov. gelangt, ohne ein Vorgefühl von dem Unglück zu haben, das uns bevorstand. Erst am Abend des genannten Tages bemerkten wir Risse an einigen Wänden unsrer Häuser; das allgemeine Schwanken derselben zeigte uns zwei Stunden nach Mitternacht die ganze Größe der Gefahr. Das Dorf stürzte zusammen, und begrub

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Regierung fordere, daß die Papiere, welche man bei Hrn. Durand gefunden zu haben behauptete, und die boshaften Beschuldigungen gegen Rußland veröffentlicht werden; er setzte hinzu, daß die russische Regierung nie irgend ein Blatt zu einem so strafwürdigen Zweck besoldet habe; zwischen beiden Ländern könne wohl eine Spaltung in den politischen Meinungen bestehen, Rußland aber habe zu sehr das Bewußtseyn seiner Kraft und Würde, um zu so niedrigen und unredlichen Intriguen seine Zuflucht zu nehmen. Der Präsident des Conseils antwortete, er habe über die Redlichkeit des russischen Cabinets nie den geringsten Zweifel gehabt, und keinen Anlaß gefunden, jenen Gerüchten Glauben zu schenken. Wahr ist es, daß Hr. Durand, als er das Journal de Francfort redigirte, einen kleinen Zuschuß erhielt, der ihm auf seine Bitte für die Aufnahme von Berichtigungen bewilligt worden; es scheint auch, daß noch andere Regierungen ihm damals ähnliche Zuschüsse bewilligten; aber seitdem Hr. Karl Durand von der Redaction des Journal de Francfort abgetreten und das Journal <hi rendition="#g">le Capitole</hi> gegründet hat, erklärt die russische Regierung, daß sie mit ihm keinerlei Verbindung weder direct noch indirect mehr habe.&#x201C;</p><lb/>
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[0381/0005] Regierung fordere, daß die Papiere, welche man bei Hrn. Durand gefunden zu haben behauptete, und die boshaften Beschuldigungen gegen Rußland veröffentlicht werden; er setzte hinzu, daß die russische Regierung nie irgend ein Blatt zu einem so strafwürdigen Zweck besoldet habe; zwischen beiden Ländern könne wohl eine Spaltung in den politischen Meinungen bestehen, Rußland aber habe zu sehr das Bewußtseyn seiner Kraft und Würde, um zu so niedrigen und unredlichen Intriguen seine Zuflucht zu nehmen. Der Präsident des Conseils antwortete, er habe über die Redlichkeit des russischen Cabinets nie den geringsten Zweifel gehabt, und keinen Anlaß gefunden, jenen Gerüchten Glauben zu schenken. Wahr ist es, daß Hr. Durand, als er das Journal de Francfort redigirte, einen kleinen Zuschuß erhielt, der ihm auf seine Bitte für die Aufnahme von Berichtigungen bewilligt worden; es scheint auch, daß noch andere Regierungen ihm damals ähnliche Zuschüsse bewilligten; aber seitdem Hr. Karl Durand von der Redaction des Journal de Francfort abgetreten und das Journal le Capitole gegründet hat, erklärt die russische Regierung, daß sie mit ihm keinerlei Verbindung weder direct noch indirect mehr habe.“ (Revue de Paris.) Hr. v. La Mennais hat seinem Pamphlet de l'Esclavage moderne eine Vorrede beigefügt. Man sollte meinen, der Verfasser habe die Broschüre selbst nicht für heftig genug gehalten, und dafür doppelt heftig in der Vorrede sich aussprechen wollen. In dieser Wiederholung war der Verfasser aber nicht glücklich. Man fühlt zu sehr das Leere und Falsche aller in einen engen Raum zusammengedrängten Gemeinplätze, und ihre Anhäufung läßt ihre Nichtigkeit nur um so mehr hervortreten. Folgendermaßen lautet die letzte Phrase dieser Vorrede: „Brüder, merket wohl, es gibt zwei Arten von Menschen, das selbstsüchtige Geschlecht des bloßen Interesses, und das Geschlecht derer, die an Pflicht und Recht halten; wir wollen uns dem letztern anschließen, und erstere in die Wüste stoßen, wo ihr die Wohnung angewiesen ist, fern vom Aufenthalt des Menschen, unter den Thieren, die nicht zur Gesellschaft gehören, unter den einsamen Thieren des Waldes.“ Wir lassen es uns also von nun an gesagt seyn: Jeder, der nicht mit den Doctrinen des Hrn. v. La Mennais sympathisirt, gehört dem „selbstsüchtigen Geschlecht des bloßen Interesses“ an, und kann nur in den Wüsten mit den wilden Thieren schicklich zusammenwohnen. Desto schlimmer für die politischen Leidenschaften, welche einen Mann von Genie in solche Irrung stürzen können! Der Sinn fürs Lächerliche muß in unsern Tagen verloren seyn, da man dergleichen Zeug im Land der Montaigne, Voltaire und Beaumarchais schreibt. _ Paris, 12 Febr. Das Tagsgespräch bleibt fortwährend die Dotation des Herzogs von Nemours. Die Majorität der Commission billigt den Entwurf seinem ganzen Inhalt nach, wird jedoch vielleicht den Vorbehalt der Revision nach dem Ableben von Ludwig Philipp beifügen, weil dann der dem König vorbehaltene Gebrauch des Privatvermögens seiner Kinder aufhört, und mithin der Herzog aus eigenen Mitteln ein Einkommen von mehr als 500,000 Fr. besitzen wird. Von allen Seiten langen bei den Deputirten Briefe der Wähler an, die gegen den Entwurf protestiren, seit sie das Pamphlet des Hrn. v. Cormenin gelesen haben. – Dem Vernehmen nach wird die verwittwete Fürstin Lieven, die seit einiger Zeit Paris bewohnt, zur nämlichen Epoche als Hr. Guizot nach London abreisen. Da Hr. Guizot sich in ihrem Umgang zu gefallen scheint, indem er sie beinahe täglich besucht, so schließt man, der neue Botschafter beabsichtige in London die diplomatischen Kenntnisse dieser ausgezeichneten Frau zum Vortheil von Frankreich zu benutzen. – Zwischen dem hiesigen Hofe oder vielmehr einer hohen Person und dem österreichischen Botschafter, Grafen Appony, hat sich die frühere gleichsam innige Freundschaft seit einiger Zeit in bemerkbare Kälte umgewandelt, die man dem Beitritt Oesterreichs zu den Vorschlägen Rußlands in der orientalischen Frage zuschreibt. _ Paris, 12 Febr. Wer die Art und Weise sieht, wie der Gesetzesentwurf in Betreff der Ehrenlegion in der Kammer verhandelt ward, sollte meinen, daß die Deputirten plötzlich Reue empfänden, die Leichtigkeit, mit welcher bisher diese Auszeichnung ertheilt wurde, zu beschränken. In der That, man kann annehmen, daß das Verlangen nach dem rothen Bande zu den unläugbarsten Krankheiten des französischen Nationalcharakters gehört, und daß es kein Mittel gibt, diese Sucht ganz zu heilen. Das provisorische Ministerium des vorigen Jahrs hat innerhalb sechs Wochen über 900 Ehrenkreuze ertheilt. Wäre diese Zahl nicht amtlich von dem Minister selbst in der Kammer genannt worden, so müßte man sie für fabelhaft halten. Aber die Sache erklärt sich leicht, wenn man ihr ein wenig nachspürt. Die Masse der Deputirten, Beamten u. s. w. theilen sich in zwei große Hälften, die eine, welche das Ehrenkreuz hat, die andere, welche es nicht hat; beide lachen darüber und spotten, die einen, weil sie es haben und bequemer finden mitzulachen, als sich auslachen zu lassen, die andern, weil sie es noch nicht haben und nicht wollen merken lassen, daß ihnen das Herz weh thut, es entbehren zu müssen; im Grund aber ist ihr Sinn derselbe, und ihr offener Spott ist im geringsten kein Grund, um sich nicht heimlich darum zu bewerben. Italien. _ Rom, 8 Febr. In Betreff der kirchlichen Angelegenheiten mit Preußen hört man als bestimmt versichern, daß der hiesige Hof den von den rheinischen Capiteln vorgeschlagenen Domherren die Bestätigung beharrlich verweigert. – Aus St. Petersburg wird Hr. v. Krivzoff, erster Legationssecretär der hiesigen russischen Gesandtschaft, stündlich zurückerwartet. Man hofft dann auch die Antwort dieses nordischen Hofs auf die Vorstellungen des Papstes zu erfahren. – Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, hatte vorgestern die Ehre mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Marie, Sr. Heiligkeit in einer feierlichen Audienz vorgestellt zu werden. – Es heißt, der König von Neapel werde auf Besuch hierher kommen. _ Florenz, 9 Febr. In dem Lobe der Maaßregeln, welche die österreichische Regierung getroffen hat und noch fortwährend trifft, um die Noth der Provinzen zu lindern, welche durch die Ueberschwemmungen besonders gelitten haben, sind alle Berichte aus Oberitalien einstimmig. Selbst im Ferraresischen und Modenesischen, wo ebenfalls der Schaden an einigen Stellen nicht unbeträchtlich war, ist wenigstens für die untern Volksclassen etwas geschehen; leider sind aber gerade die Gutsbesitzer am schwersten betroffen worden. Unter so traurigen Umständen hat es nicht an edlen Zügen von Aufopferung und Hingebung gefehlt; eines der schönsten Beispiele der Art dürfte folgendes seyn, das zu Salogni, einem Flecken von 800 Seelen, in der Provinz und Diöcese Tortona, von einem Priester gegeben wurde. Es wird von einem Augenzeugen also erzählt: nach dem ungeheuren Regen, welcher unsrer Halbinsel so vielfachen Schaden brachte, waren wir bis zum 6 Nov. gelangt, ohne ein Vorgefühl von dem Unglück zu haben, das uns bevorstand. Erst am Abend des genannten Tages bemerkten wir Risse an einigen Wänden unsrer Häuser; das allgemeine Schwanken derselben zeigte uns zwei Stunden nach Mitternacht die ganze Größe der Gefahr. Das Dorf stürzte zusammen, und begrub

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840, S. 0381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_048_18400217/5>, abgerufen am 19.04.2024.