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Allgemeine Zeitung. Nr. 58. Augsburg, 27. Februar 1840.

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versprochen wird. Manchen hat in dieses Land der Verheißung die Hoffnung verlockt, fortan leben zu können wie ein geistlicher oder weltlicher Pair. Der Socialismus ist demnach ganz und gar ein System für diese Welt, und Tausende der ärmeren Volksclassen haben sich jetzt um Owens Fahne gesammelt, unter der sie aus ihrer Noth und Kümmerniß zum Genuß eines irdischen Wohlergehens zu gelangen meinen.

"Owens religiöse Meinungen wollen wir nur in Bezug auf ihren Ursprung berühren. In der Ausbildung seines Cooperationssystems drängte sich ihm bald die Bemerkung auf, daß das Eigenthumsrecht demselben im Wege stehe und vielmehr dem Concurrenzprincip, das er zu bekämpfen unternommen hatte, zu Grunde liege. Nun haben Geistliche und Staatsrechtslehrer das Eigenthumsrecht mit der Religion in Verbindung zu bringen gesucht, dasselbe unter die Sanction göttlicher Offenbarung gestellt; ja sie sind noch weiter gegangen, indem sie bestehenden politischen Rechtsungleichheiten einen göttlichen Ursprung beilegten, nicht anders als sey die brittische Pairie bereits auf dem Sinai eingesetzt und der Hosenbandorden vorbildlich schon in dem Bauriß für die Arche Noah mit decretirt worden. Darin erblickte Owen die Quelle vieler Uebel, und so gerieth er allmählich darauf, zuerst das Erb- und Eigenthumsrecht, und dann auch die positiven Religionsbekenntnisse anzufechten, weil sie auf eine, nach seiner Ansicht ungebührliche Weise in die Anordnung rein weltlicher und staatlicher Dinge sich einmischen. So wuchs Owens Gesellschaftsform nicht, wie jene des mittelalterlichen Mönchsthums oder die der Rappiten, aus seiner Religionsansicht, sondern umgekehrt diese aus jener hervor. Diese Eigenthümlichkeit seines Systems sollte es, meinen wir, zum Gegenstand ernsten Nachdenkens für Staatsmänner machen, die sich den Pauperismus im Volk und die Hebung desselben zur Aufgabe gesetzt haben; die Geistlichen hingegen, als die Prediger und Hüter einer bestimmten Religionssatzung, die nur mittelbar in die bürgerlichen Weltverhältnisse eingreift, haben mit jenem System nichts zu schaffen. Unsere Klerisei denkt indessen anders, und der Bischof von Exeter hat, von einigen seiner bigotten Jünger unter den Tories flankirt, zur Verfolgung der Socialisten aufgerufen, nicht etwa weil sie eine neue dem Christenthum widerstreitende Offenbarung verkünden, sondern weil gewisse Grundsätze derselben in weltlichen Dingen sie dahin geführt haben, die Doctrinen einer Kirche zu läugnen oder zu bezweifeln, die ihre Priesterschaft mit einem so unchristlichen Mammon und Flitterstaat dotirt. Vor einiger Zeit verfolgte Dr. Phillpots in seinem Sprengel die bibelstrengen Methodisten und andere Dissenter. Ueberhaupt war die ganze hochkirchliche Partei seit Menschengedenken gegen die Dissenter ebenso leidenschaftlich unduldsam, wie sie sich in neuerer Zeit artig gegen sie benommen, nämlich um mit ihrer Hülfe die Katholiken niederzudrücken. In letzter Zeit waren die Katholiken die Zielscheibe von Dr. Phillpots odium theologicum; nun aber die Katholiken zu mächtig geworden sind, um ungestraft und mit Erfolg angegriffen werden zu können, fällt er mit seiner "streitenden Kirche" über die Socialisten her, wo er sich einen leichtern Triumph verspricht. Im Interesse allgemeiner Duldung hoffen wir jedoch, daß die Klerisei den Kürzern ziehen wird, denn dränge sie erst hier durch, wo würde sie aufhören? Wenn der Atheismus ein Verbrechen ist, so ist der Theismus, in den Augen des Bischofs, auch eines; verdammen ja doch die hochkirchlichen Blätter die Socinianer als noch schlimmer denn die Atheisten. Können aber die Socinianer gestraft werden, warum nicht auch die Katholiken, die Methodisten, die Baptisten, die Puseyiten u. s. w.? Gewiß, das lieblose, wesentlich unchristliche Treiben dieser Zionswächter und Monopolisten der Rechtgläubigkeit kann nicht stark und allgemein genug gerügt und zurückgewiesen werden."

Großbritannien.

Der Herzog v. Wellington hat abermals einen starken Krankheitsanfall gehabt, wovon er sich jedoch wieder schnell erholt zu haben scheint, indessen darf er noch nicht ausgehen. Er war bekanntlich der einzige von der Torypartei, welcher zur königlichen Trauung, aber auch nur zu dieser, weder zum Frühstücke noch zum Diner, welche an jenem Tage bei Hof gegeben wurden, eingeladen war. Selbst die Einladung zur Trauung erfolgte erst am Freitag Abend vor dem Trauungstage, der bekanntlich ein Montag war, und zwar, wie man versichert, auf die dringendsten Vorstellungen Lord Melbourne's. Die Tories versichern, die Königin habe die ganze Partei für rebellische Unterthanen erklärt, und habe selbst den edlen Herzog von dieser, man müßte gestehen, etwas leidenschaftlichen Beschuldigung nicht ausnehmen wollen. Der greise Held soll, als man ihm jene Worte hinterbracht, gesagt haben, er werde darum die nächste Nacht nicht schlechter schlafen. Es ist indessen sehr möglich, daß es mit dem Anekdötchen dieselbe Bewandtniß hat, wie mit den so weit verbreiteten sonstigen falschen Gerüchten ...; aber solches Geschwätz zeigt, wessen sich die Partei von der Monarchin versieht, und wie man ihrem Mißfallen Trotz bieten möchte. Freilich ist alles dieses nur, so zu sagen, exoterisch, denn im Parlament stellt sich die Partei ganz anders an, wie man aus dem Benehmen der Häupter in beiden Häusern bei dem Vorschlage der Glückwunschadressen abnehmen kann, wo die Herren kaum Worte genug finden konnten, ihre Liebe und Treue gegen die Monarchin, so wie ihre Freude über die glückliche Verbindung an den Tag zu legen. Auch ließen es an dem Vermählungstage viele Tories nicht an Freudenbezeugungen fehlen. Besonders war im Carlton-Clubhaus ein großes Essen, wobei Peel selbst den Vorsitz führte und die loyalsten Reden gehalten wurden; doch war es merkwürdig, daß nur etwa 70, die Auserwählten der Partei, sich zu Tische setzten, und man es unterlassen hatte, die gesammten Mitglieder von dem beabsichtigten Banket in Kenntniß zu setzen. Ob dieß nun aus Furcht vor den unbescheidenen, weinerhitzten Zungen der Bradshaws und Robys oder aus irgend einem andern Grunde geschah - die Vernachlässigung hat zu großem Verdruß Anlaß gegeben, so daß man von einem Austritt vieler Mitglieder aus dem Club spricht. Was die Partei in bessere Laune versetzt, ist der Sieg, den sie mit Hülfe mehrerer radicalen Sparsamkeitsmänner vorige Woche im Unterhause davon getragen hat. Zwar steht es mit den Finanzen bei weitem nicht so schlimm, als Hr. Herries bei der Gelegenheit sie darstellte, und es ist nicht im geringsten zu bezweifeln, daß das Parlament eine oder mehrere neue Steuern bewilligen wird, theils um die entstandenen Ausfälle, theils um die vermehrten Ausgaben zu decken; eben so wenig ist zu zweifeln, daß die Nation Kraft genug hat, solche, wie sie auch seyn mögen, zu entrichten. Aber diese Weise, sowohl innere als äußere Verhältnisse zu betrachten, hat sich jede Partei als Opposition zu allen Zeiten erlaubt. Die Nation ist daran gewöhnt, und weiß meistentheils, welche Abzüge sie von dergleichen Uebertreibungen zu machen hat. Man hat immer den Vortheil, daß die Regierung in Athem erhalten wird, und auf ihrem Posten nicht einschlummert. Auch konnte das Haus billig verlangen, was oft von Finanzministern freiwillig geschehen ist, eine Uebersicht über die im laufenden Jahre zu erwartenden Einkünfte gleich im Anfange der Session vorgelegt zu

versprochen wird. Manchen hat in dieses Land der Verheißung die Hoffnung verlockt, fortan leben zu können wie ein geistlicher oder weltlicher Pair. Der Socialismus ist demnach ganz und gar ein System für diese Welt, und Tausende der ärmeren Volksclassen haben sich jetzt um Owens Fahne gesammelt, unter der sie aus ihrer Noth und Kümmerniß zum Genuß eines irdischen Wohlergehens zu gelangen meinen.

„Owens religiöse Meinungen wollen wir nur in Bezug auf ihren Ursprung berühren. In der Ausbildung seines Cooperationssystems drängte sich ihm bald die Bemerkung auf, daß das Eigenthumsrecht demselben im Wege stehe und vielmehr dem Concurrenzprincip, das er zu bekämpfen unternommen hatte, zu Grunde liege. Nun haben Geistliche und Staatsrechtslehrer das Eigenthumsrecht mit der Religion in Verbindung zu bringen gesucht, dasselbe unter die Sanction göttlicher Offenbarung gestellt; ja sie sind noch weiter gegangen, indem sie bestehenden politischen Rechtsungleichheiten einen göttlichen Ursprung beilegten, nicht anders als sey die brittische Pairie bereits auf dem Sinai eingesetzt und der Hosenbandorden vorbildlich schon in dem Bauriß für die Arche Noah mit decretirt worden. Darin erblickte Owen die Quelle vieler Uebel, und so gerieth er allmählich darauf, zuerst das Erb- und Eigenthumsrecht, und dann auch die positiven Religionsbekenntnisse anzufechten, weil sie auf eine, nach seiner Ansicht ungebührliche Weise in die Anordnung rein weltlicher und staatlicher Dinge sich einmischen. So wuchs Owens Gesellschaftsform nicht, wie jene des mittelalterlichen Mönchsthums oder die der Rappiten, aus seiner Religionsansicht, sondern umgekehrt diese aus jener hervor. Diese Eigenthümlichkeit seines Systems sollte es, meinen wir, zum Gegenstand ernsten Nachdenkens für Staatsmänner machen, die sich den Pauperismus im Volk und die Hebung desselben zur Aufgabe gesetzt haben; die Geistlichen hingegen, als die Prediger und Hüter einer bestimmten Religionssatzung, die nur mittelbar in die bürgerlichen Weltverhältnisse eingreift, haben mit jenem System nichts zu schaffen. Unsere Klerisei denkt indessen anders, und der Bischof von Exeter hat, von einigen seiner bigotten Jünger unter den Tories flankirt, zur Verfolgung der Socialisten aufgerufen, nicht etwa weil sie eine neue dem Christenthum widerstreitende Offenbarung verkünden, sondern weil gewisse Grundsätze derselben in weltlichen Dingen sie dahin geführt haben, die Doctrinen einer Kirche zu läugnen oder zu bezweifeln, die ihre Priesterschaft mit einem so unchristlichen Mammon und Flitterstaat dotirt. Vor einiger Zeit verfolgte Dr. Phillpots in seinem Sprengel die bibelstrengen Methodisten und andere Dissenter. Ueberhaupt war die ganze hochkirchliche Partei seit Menschengedenken gegen die Dissenter ebenso leidenschaftlich unduldsam, wie sie sich in neuerer Zeit artig gegen sie benommen, nämlich um mit ihrer Hülfe die Katholiken niederzudrücken. In letzter Zeit waren die Katholiken die Zielscheibe von Dr. Phillpots odium theologicum; nun aber die Katholiken zu mächtig geworden sind, um ungestraft und mit Erfolg angegriffen werden zu können, fällt er mit seiner „streitenden Kirche“ über die Socialisten her, wo er sich einen leichtern Triumph verspricht. Im Interesse allgemeiner Duldung hoffen wir jedoch, daß die Klerisei den Kürzern ziehen wird, denn dränge sie erst hier durch, wo würde sie aufhören? Wenn der Atheismus ein Verbrechen ist, so ist der Theismus, in den Augen des Bischofs, auch eines; verdammen ja doch die hochkirchlichen Blätter die Socinianer als noch schlimmer denn die Atheisten. Können aber die Socinianer gestraft werden, warum nicht auch die Katholiken, die Methodisten, die Baptisten, die Puseyiten u. s. w.? Gewiß, das lieblose, wesentlich unchristliche Treiben dieser Zionswächter und Monopolisten der Rechtgläubigkeit kann nicht stark und allgemein genug gerügt und zurückgewiesen werden.“

Großbritannien.

Der Herzog v. Wellington hat abermals einen starken Krankheitsanfall gehabt, wovon er sich jedoch wieder schnell erholt zu haben scheint, indessen darf er noch nicht ausgehen. Er war bekanntlich der einzige von der Torypartei, welcher zur königlichen Trauung, aber auch nur zu dieser, weder zum Frühstücke noch zum Diner, welche an jenem Tage bei Hof gegeben wurden, eingeladen war. Selbst die Einladung zur Trauung erfolgte erst am Freitag Abend vor dem Trauungstage, der bekanntlich ein Montag war, und zwar, wie man versichert, auf die dringendsten Vorstellungen Lord Melbourne's. Die Tories versichern, die Königin habe die ganze Partei für rebellische Unterthanen erklärt, und habe selbst den edlen Herzog von dieser, man müßte gestehen, etwas leidenschaftlichen Beschuldigung nicht ausnehmen wollen. Der greise Held soll, als man ihm jene Worte hinterbracht, gesagt haben, er werde darum die nächste Nacht nicht schlechter schlafen. Es ist indessen sehr möglich, daß es mit dem Anekdötchen dieselbe Bewandtniß hat, wie mit den so weit verbreiteten sonstigen falschen Gerüchten ...; aber solches Geschwätz zeigt, wessen sich die Partei von der Monarchin versieht, und wie man ihrem Mißfallen Trotz bieten möchte. Freilich ist alles dieses nur, so zu sagen, exoterisch, denn im Parlament stellt sich die Partei ganz anders an, wie man aus dem Benehmen der Häupter in beiden Häusern bei dem Vorschlage der Glückwunschadressen abnehmen kann, wo die Herren kaum Worte genug finden konnten, ihre Liebe und Treue gegen die Monarchin, so wie ihre Freude über die glückliche Verbindung an den Tag zu legen. Auch ließen es an dem Vermählungstage viele Tories nicht an Freudenbezeugungen fehlen. Besonders war im Carlton-Clubhaus ein großes Essen, wobei Peel selbst den Vorsitz führte und die loyalsten Reden gehalten wurden; doch war es merkwürdig, daß nur etwa 70, die Auserwählten der Partei, sich zu Tische setzten, und man es unterlassen hatte, die gesammten Mitglieder von dem beabsichtigten Banket in Kenntniß zu setzen. Ob dieß nun aus Furcht vor den unbescheidenen, weinerhitzten Zungen der Bradshaws und Robys oder aus irgend einem andern Grunde geschah – die Vernachlässigung hat zu großem Verdruß Anlaß gegeben, so daß man von einem Austritt vieler Mitglieder aus dem Club spricht. Was die Partei in bessere Laune versetzt, ist der Sieg, den sie mit Hülfe mehrerer radicalen Sparsamkeitsmänner vorige Woche im Unterhause davon getragen hat. Zwar steht es mit den Finanzen bei weitem nicht so schlimm, als Hr. Herries bei der Gelegenheit sie darstellte, und es ist nicht im geringsten zu bezweifeln, daß das Parlament eine oder mehrere neue Steuern bewilligen wird, theils um die entstandenen Ausfälle, theils um die vermehrten Ausgaben zu decken; eben so wenig ist zu zweifeln, daß die Nation Kraft genug hat, solche, wie sie auch seyn mögen, zu entrichten. Aber diese Weise, sowohl innere als äußere Verhältnisse zu betrachten, hat sich jede Partei als Opposition zu allen Zeiten erlaubt. Die Nation ist daran gewöhnt, und weiß meistentheils, welche Abzüge sie von dergleichen Uebertreibungen zu machen hat. Man hat immer den Vortheil, daß die Regierung in Athem erhalten wird, und auf ihrem Posten nicht einschlummert. Auch konnte das Haus billig verlangen, was oft von Finanzministern freiwillig geschehen ist, eine Uebersicht über die im laufenden Jahre zu erwartenden Einkünfte gleich im Anfange der Session vorgelegt zu

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[0461/0013] versprochen wird. Manchen hat in dieses Land der Verheißung die Hoffnung verlockt, fortan leben zu können wie ein geistlicher oder weltlicher Pair. Der Socialismus ist demnach ganz und gar ein System für diese Welt, und Tausende der ärmeren Volksclassen haben sich jetzt um Owens Fahne gesammelt, unter der sie aus ihrer Noth und Kümmerniß zum Genuß eines irdischen Wohlergehens zu gelangen meinen. „Owens religiöse Meinungen wollen wir nur in Bezug auf ihren Ursprung berühren. In der Ausbildung seines Cooperationssystems drängte sich ihm bald die Bemerkung auf, daß das Eigenthumsrecht demselben im Wege stehe und vielmehr dem Concurrenzprincip, das er zu bekämpfen unternommen hatte, zu Grunde liege. Nun haben Geistliche und Staatsrechtslehrer das Eigenthumsrecht mit der Religion in Verbindung zu bringen gesucht, dasselbe unter die Sanction göttlicher Offenbarung gestellt; ja sie sind noch weiter gegangen, indem sie bestehenden politischen Rechtsungleichheiten einen göttlichen Ursprung beilegten, nicht anders als sey die brittische Pairie bereits auf dem Sinai eingesetzt und der Hosenbandorden vorbildlich schon in dem Bauriß für die Arche Noah mit decretirt worden. Darin erblickte Owen die Quelle vieler Uebel, und so gerieth er allmählich darauf, zuerst das Erb- und Eigenthumsrecht, und dann auch die positiven Religionsbekenntnisse anzufechten, weil sie auf eine, nach seiner Ansicht ungebührliche Weise in die Anordnung rein weltlicher und staatlicher Dinge sich einmischen. So wuchs Owens Gesellschaftsform nicht, wie jene des mittelalterlichen Mönchsthums oder die der Rappiten, aus seiner Religionsansicht, sondern umgekehrt diese aus jener hervor. Diese Eigenthümlichkeit seines Systems sollte es, meinen wir, zum Gegenstand ernsten Nachdenkens für Staatsmänner machen, die sich den Pauperismus im Volk und die Hebung desselben zur Aufgabe gesetzt haben; die Geistlichen hingegen, als die Prediger und Hüter einer bestimmten Religionssatzung, die nur mittelbar in die bürgerlichen Weltverhältnisse eingreift, haben mit jenem System nichts zu schaffen. Unsere Klerisei denkt indessen anders, und der Bischof von Exeter hat, von einigen seiner bigotten Jünger unter den Tories flankirt, zur Verfolgung der Socialisten aufgerufen, nicht etwa weil sie eine neue dem Christenthum widerstreitende Offenbarung verkünden, sondern weil gewisse Grundsätze derselben in weltlichen Dingen sie dahin geführt haben, die Doctrinen einer Kirche zu läugnen oder zu bezweifeln, die ihre Priesterschaft mit einem so unchristlichen Mammon und Flitterstaat dotirt. Vor einiger Zeit verfolgte Dr. Phillpots in seinem Sprengel die bibelstrengen Methodisten und andere Dissenter. Ueberhaupt war die ganze hochkirchliche Partei seit Menschengedenken gegen die Dissenter ebenso leidenschaftlich unduldsam, wie sie sich in neuerer Zeit artig gegen sie benommen, nämlich um mit ihrer Hülfe die Katholiken niederzudrücken. In letzter Zeit waren die Katholiken die Zielscheibe von Dr. Phillpots odium theologicum; nun aber die Katholiken zu mächtig geworden sind, um ungestraft und mit Erfolg angegriffen werden zu können, fällt er mit seiner „streitenden Kirche“ über die Socialisten her, wo er sich einen leichtern Triumph verspricht. Im Interesse allgemeiner Duldung hoffen wir jedoch, daß die Klerisei den Kürzern ziehen wird, denn dränge sie erst hier durch, wo würde sie aufhören? Wenn der Atheismus ein Verbrechen ist, so ist der Theismus, in den Augen des Bischofs, auch eines; verdammen ja doch die hochkirchlichen Blätter die Socinianer als noch schlimmer denn die Atheisten. Können aber die Socinianer gestraft werden, warum nicht auch die Katholiken, die Methodisten, die Baptisten, die Puseyiten u. s. w.? Gewiß, das lieblose, wesentlich unchristliche Treiben dieser Zionswächter und Monopolisten der Rechtgläubigkeit kann nicht stark und allgemein genug gerügt und zurückgewiesen werden.“ Großbritannien. _ London, 18 Febr. Der Herzog v. Wellington hat abermals einen starken Krankheitsanfall gehabt, wovon er sich jedoch wieder schnell erholt zu haben scheint, indessen darf er noch nicht ausgehen. Er war bekanntlich der einzige von der Torypartei, welcher zur königlichen Trauung, aber auch nur zu dieser, weder zum Frühstücke noch zum Diner, welche an jenem Tage bei Hof gegeben wurden, eingeladen war. Selbst die Einladung zur Trauung erfolgte erst am Freitag Abend vor dem Trauungstage, der bekanntlich ein Montag war, und zwar, wie man versichert, auf die dringendsten Vorstellungen Lord Melbourne's. Die Tories versichern, die Königin habe die ganze Partei für rebellische Unterthanen erklärt, und habe selbst den edlen Herzog von dieser, man müßte gestehen, etwas leidenschaftlichen Beschuldigung nicht ausnehmen wollen. Der greise Held soll, als man ihm jene Worte hinterbracht, gesagt haben, er werde darum die nächste Nacht nicht schlechter schlafen. Es ist indessen sehr möglich, daß es mit dem Anekdötchen dieselbe Bewandtniß hat, wie mit den so weit verbreiteten sonstigen falschen Gerüchten ...; aber solches Geschwätz zeigt, wessen sich die Partei von der Monarchin versieht, und wie man ihrem Mißfallen Trotz bieten möchte. Freilich ist alles dieses nur, so zu sagen, exoterisch, denn im Parlament stellt sich die Partei ganz anders an, wie man aus dem Benehmen der Häupter in beiden Häusern bei dem Vorschlage der Glückwunschadressen abnehmen kann, wo die Herren kaum Worte genug finden konnten, ihre Liebe und Treue gegen die Monarchin, so wie ihre Freude über die glückliche Verbindung an den Tag zu legen. Auch ließen es an dem Vermählungstage viele Tories nicht an Freudenbezeugungen fehlen. Besonders war im Carlton-Clubhaus ein großes Essen, wobei Peel selbst den Vorsitz führte und die loyalsten Reden gehalten wurden; doch war es merkwürdig, daß nur etwa 70, die Auserwählten der Partei, sich zu Tische setzten, und man es unterlassen hatte, die gesammten Mitglieder von dem beabsichtigten Banket in Kenntniß zu setzen. Ob dieß nun aus Furcht vor den unbescheidenen, weinerhitzten Zungen der Bradshaws und Robys oder aus irgend einem andern Grunde geschah – die Vernachlässigung hat zu großem Verdruß Anlaß gegeben, so daß man von einem Austritt vieler Mitglieder aus dem Club spricht. Was die Partei in bessere Laune versetzt, ist der Sieg, den sie mit Hülfe mehrerer radicalen Sparsamkeitsmänner vorige Woche im Unterhause davon getragen hat. Zwar steht es mit den Finanzen bei weitem nicht so schlimm, als Hr. Herries bei der Gelegenheit sie darstellte, und es ist nicht im geringsten zu bezweifeln, daß das Parlament eine oder mehrere neue Steuern bewilligen wird, theils um die entstandenen Ausfälle, theils um die vermehrten Ausgaben zu decken; eben so wenig ist zu zweifeln, daß die Nation Kraft genug hat, solche, wie sie auch seyn mögen, zu entrichten. Aber diese Weise, sowohl innere als äußere Verhältnisse zu betrachten, hat sich jede Partei als Opposition zu allen Zeiten erlaubt. Die Nation ist daran gewöhnt, und weiß meistentheils, welche Abzüge sie von dergleichen Uebertreibungen zu machen hat. Man hat immer den Vortheil, daß die Regierung in Athem erhalten wird, und auf ihrem Posten nicht einschlummert. Auch konnte das Haus billig verlangen, was oft von Finanzministern freiwillig geschehen ist, eine Uebersicht über die im laufenden Jahre zu erwartenden Einkünfte gleich im Anfange der Session vorgelegt zu

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 58. Augsburg, 27. Februar 1840, S. 0461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_058_18400227/13>, abgerufen am 02.05.2024.