Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Im nächsten, letzten Artikel versuchen wir es, Werners allgemeine Theorie der Erdbildung und die neuern Ansichten in aller Kürze zu charakterisiren.

Ueber die militärische Stellung der Vereinigten Staaten.

(Beschluß.) Der zweite Hauptartikel des Berichts des Kriegsministers betrifft die Nothwendigkeit der Verschanzungen an der Westgränze der Union, den Bau neuer Fortificationen am Eingange der meisten Seehäfen, namentlich des von New-York, das nothgedrungene Princip, die Armee in größeren Massen zusammenzuhalten - natürlich dieselbe eher zu vermehren als zu vermindern (ein Ding, das ein Advocat jetzt leichter aussprechen kann, und das man dem alten General Jackson zur Zeit seiner Präsidentschaft sehr übel genommen hätte), den Garnisonsdienst derselben durch den Bau größerer und bequemerer Casernen zu erleichtern, die Cavallerie durch die Sendung von jungen Officieren nach Frankreich, wo sie die Pferdedressur und noch andere Dinge lernen, besser beritten zu machen, hauptsächlich aber - und dieß öffnet dem aufkeimenden Ehrgeiz der Officiere die schönsten Aussichten - bei der Armee einen Generalstab einzuführen, statt, wie bisher, die dahin gehörigen Arbeiten von den Officieren der Linie verrichten zu lassen. Sie ersehen aus allem diesem, daß unsere Regierung ernstlich damit umgeht, eine gewisse Consistenz zu gewinnen, die ihr Washington und die älteren Revolutionsväter, Jefferson mit eingeschlossen, nicht zu geben vermochten, und wodurch zuletzt unser Staatenverband durch sein geschlossenes Ganzes auch europäischen Mächten gegenüber ein respectables Ansehen bekommt. Halten Sie übrigens diese Aeußerung ja nicht für Ironie. Das ist sie nicht, das soll sie nicht seyn. Der Drang der nicht zu beschwörenden Ereignisse, unsere Stellung England und dem aufrührerischen Canada gegenüber, der jedes Jahr mit mehr Verlust an Geld und Menschen geführte Indianerkrieg, die am Mississippi zusammengedrängten, 30,000 Krieger zählenden Indianerstämme machen, wie bereits erwähnt, alle diese Centralmaaßregeln der Regierung zur unausbleiblichen Nothwendigkeit. Mehr als Alles aber zwingt uns das unserm eigenen Schooß entsprossene Kind, der junge, aufblühende, jetzt schon übermüthige Staat Texas, eine verhältnißmäßig kriegerische Stellung anzunehmen. Wahrhaftig die Nemesis schreitet schnell und gewaltig in diesem Lande europäischer Cultur und Entartung. Schrecklich wurde Spanien für seine an Amerika begangenen Grausamkeiten bestraft; noch schrecklicher bezahlten die spanischen Colonien ihren Undank gegen das Mutterland. Sollte nun wirklich die Reihe an die Vereinigten Staaten kommen? Es ist nicht zu läugnen, daß wir den Mexicanern das Gebiet von Texas nach Art von Straßenräubern auf meuchelmörderische Weise entrissen *), und daß wir unter dem Vorwand einer friedlichen Ansiedlung gleich anfangs staatsverbrecherische Absichten im Schilde führten. Nun, da Texas kaum als unabhängiger Staat von Amerika und - aus welchen Ursachen, werde ich Ihnen später zeigen - auch von Frankreich anerkannt ist, mischen wir uns neuerdings in die innern Händel der Republik Mexico; - bereits steht ein Heer texanischer Freiwilligen und Föderalisten vor den Thoren der Hauptstadt. Mexico muß in wenig Jahren fallen; vielleicht ist sein Schicksal im Augenblick, wo ich Ihnen dieses schreibe oder wo Sie diesen Brief erhalten, entschieden; aber was werden die Vereinigten Staaten dadurch gewinnen?

Gleich zu Anfang der Debatten über die Aufnahme der Republik Texas in die Union erklärte John C. Calhoun, der talentvollste und weitsehendste amerikanische Staatsmann, daß dieß eine Lebensfrage für den ganzen Süden der Union sey, und daß die Sklavenstaaten nimmermehr zugeben könnten, daß sich im Süden und Westen der Vereinigten Staaten neue, von denselben Gesetzen regierte, aus demselben Stamm entsprossene, ganz mit gleichen Institutionen versehene Staaten bildeten. "Wenn wir ihnen nicht erlauben mit uns zu gehen", sagte er, "so werden sie uns zwingen ihnen zu folgen." Wirklich fühlt der ganze Süden, namentlich aber die östlichen Staaten desselben, den großen vom Congreß begangenen Mißgriff. Texas ist fruchtbarer als der durch hundertjährigen Anbau ohne Dünger ausgesogene Boden der zwei Carolinas, von Georgien, Alabama u. s. w.; das Klima ist gesünder, das Land wohlfeiler, das Volk unternehmender und die Sklaverei dort gegen jeden Eingriff fremder Staaten geschützt. Die Sklaverei ist dort Grundgesetz des Staates, und da der ganze Reichthum des Südens außer dem Boden in Sklaven besteht, so ist das Eigenthum in Texas gesicherter als hier, wo die unaufhörlichen Petitionen der nördlichen Staaten zu Gunsten der Negeremancipation das Volk beständig in Aufruhr bringen und zu den schrecklichsten, blutigsten Verbrechen hinreißen. Mit Einem Wort, für einen jungen unternehmenden Mann, für einen Mann von Ehrgeiz, von Muth und Unternehmungsgeist ist Texas das Land der Verheißung, und da die Vaterlandsliebe, worunter ich hauptsächlich die Liebe zum heimathlichen Boden verstehe, keine besondere Tugend unserer Yankees ist, so ist leicht einzusehen, daß Texas über kurz oder lang der Centralpunkt der ganzen amerikanischen Wanderung nach Westen werden muß. Auf dieser Wanderung sind nicht etwa - wie dieß in den nördlichen Staaten der Fall - die mittellosen oder durch unglückliche Speculationen herabgekommenen Familien begriffen, sondern einflußreiche Männer, wie z. B. der General Hamilton in Carolina, reiche Pflanzer, welche ihre Pflanzungen in Georgien, Alabama u. s. w. um einen Spottpreis losschlagen, Gutsbesitzer, die der Durst nach größeren Reichthümern und vermehrtem politischen Einfluß ihr Vaterland fliehen heißt, endlich Unzufriedene aller Art, die in Texas eine ihren Ansichten entsprechendere Verfassung gründen wollen. Der ganze Süden (und Schreiber dieses ist eben von einer Reise durch Georgien, Süd- und Nord-Carolina und Virginien zurückgekehrt) gleicht einer mit Auswanderern bedeckten Heerstraße, und es scheint, als ob die anglo-amerikanische Race, deren außerordentlich schnelle Entwicklung gewiß zu den merkwürdigsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts gehört, auf ihrer Flucht nach dem stillen Ocean sich kaum die Zeit nähme, den von ihr ausgestreuten Samen der Cultur keimen zu sehen, ehe sie sich von neuer Thatkraft beseelt zu neuen Missionen brauchen läßt. Oder ist diese flüchtige Eile, mit welcher sich die amerikanische Menschheit nach Westen drängt, ein Zeichen von Mangel an Kraft? Ist sie zu schwach, die

*) Nach der Schlacht von San Jacinto sandte der General Houston einen Boten nach Washington ab, der dem Congreß der Vereinigten Staaten den Triumph der texanischen Waffen verkündete. Derselbe präsentirte sich vor den Schranken des Hauses barfuß, ohne Kopfbedeckung, bloß in einem zerrissenen Hemd und geflickten Hosen: "Mein General sendet mich", hub er an, "nicht weil ich der Tapferste bin - Hunderte gehen mir in dieser Tugend voran - nicht weil ich mich besonders ausgezeichnet - es hatte jeder von uns vollauf zu thun - sondern weil ich am besten gekleidet und daher am geeignetsten war, die frohe Botschaft des Siegs dieser ehrenwerthen Versammlung anständig zu verkünden." - Da hätten wir denn die ersten transatlantischen Sansculotten; wohl uns, daß sie jetzt noch in den Eingeweiden fremder Staaten wühlen, obgleich ihre Mordlust jetzt schon die Menschheit mit Grausen erfüllt. A. des Corresp.

Im nächsten, letzten Artikel versuchen wir es, Werners allgemeine Theorie der Erdbildung und die neuern Ansichten in aller Kürze zu charakterisiren.

Ueber die militärische Stellung der Vereinigten Staaten.

(Beschluß.) Der zweite Hauptartikel des Berichts des Kriegsministers betrifft die Nothwendigkeit der Verschanzungen an der Westgränze der Union, den Bau neuer Fortificationen am Eingange der meisten Seehäfen, namentlich des von New-York, das nothgedrungene Princip, die Armee in größeren Massen zusammenzuhalten – natürlich dieselbe eher zu vermehren als zu vermindern (ein Ding, das ein Advocat jetzt leichter aussprechen kann, und das man dem alten General Jackson zur Zeit seiner Präsidentschaft sehr übel genommen hätte), den Garnisonsdienst derselben durch den Bau größerer und bequemerer Casernen zu erleichtern, die Cavallerie durch die Sendung von jungen Officieren nach Frankreich, wo sie die Pferdedressur und noch andere Dinge lernen, besser beritten zu machen, hauptsächlich aber – und dieß öffnet dem aufkeimenden Ehrgeiz der Officiere die schönsten Aussichten – bei der Armee einen Generalstab einzuführen, statt, wie bisher, die dahin gehörigen Arbeiten von den Officieren der Linie verrichten zu lassen. Sie ersehen aus allem diesem, daß unsere Regierung ernstlich damit umgeht, eine gewisse Consistenz zu gewinnen, die ihr Washington und die älteren Revolutionsväter, Jefferson mit eingeschlossen, nicht zu geben vermochten, und wodurch zuletzt unser Staatenverband durch sein geschlossenes Ganzes auch europäischen Mächten gegenüber ein respectables Ansehen bekommt. Halten Sie übrigens diese Aeußerung ja nicht für Ironie. Das ist sie nicht, das soll sie nicht seyn. Der Drang der nicht zu beschwörenden Ereignisse, unsere Stellung England und dem aufrührerischen Canada gegenüber, der jedes Jahr mit mehr Verlust an Geld und Menschen geführte Indianerkrieg, die am Mississippi zusammengedrängten, 30,000 Krieger zählenden Indianerstämme machen, wie bereits erwähnt, alle diese Centralmaaßregeln der Regierung zur unausbleiblichen Nothwendigkeit. Mehr als Alles aber zwingt uns das unserm eigenen Schooß entsprossene Kind, der junge, aufblühende, jetzt schon übermüthige Staat Texas, eine verhältnißmäßig kriegerische Stellung anzunehmen. Wahrhaftig die Nemesis schreitet schnell und gewaltig in diesem Lande europäischer Cultur und Entartung. Schrecklich wurde Spanien für seine an Amerika begangenen Grausamkeiten bestraft; noch schrecklicher bezahlten die spanischen Colonien ihren Undank gegen das Mutterland. Sollte nun wirklich die Reihe an die Vereinigten Staaten kommen? Es ist nicht zu läugnen, daß wir den Mexicanern das Gebiet von Texas nach Art von Straßenräubern auf meuchelmörderische Weise entrissen *), und daß wir unter dem Vorwand einer friedlichen Ansiedlung gleich anfangs staatsverbrecherische Absichten im Schilde führten. Nun, da Texas kaum als unabhängiger Staat von Amerika und – aus welchen Ursachen, werde ich Ihnen später zeigen – auch von Frankreich anerkannt ist, mischen wir uns neuerdings in die innern Händel der Republik Mexico; – bereits steht ein Heer texanischer Freiwilligen und Föderalisten vor den Thoren der Hauptstadt. Mexico muß in wenig Jahren fallen; vielleicht ist sein Schicksal im Augenblick, wo ich Ihnen dieses schreibe oder wo Sie diesen Brief erhalten, entschieden; aber was werden die Vereinigten Staaten dadurch gewinnen?

Gleich zu Anfang der Debatten über die Aufnahme der Republik Texas in die Union erklärte John C. Calhoun, der talentvollste und weitsehendste amerikanische Staatsmann, daß dieß eine Lebensfrage für den ganzen Süden der Union sey, und daß die Sklavenstaaten nimmermehr zugeben könnten, daß sich im Süden und Westen der Vereinigten Staaten neue, von denselben Gesetzen regierte, aus demselben Stamm entsprossene, ganz mit gleichen Institutionen versehene Staaten bildeten. „Wenn wir ihnen nicht erlauben mit uns zu gehen“, sagte er, „so werden sie uns zwingen ihnen zu folgen.“ Wirklich fühlt der ganze Süden, namentlich aber die östlichen Staaten desselben, den großen vom Congreß begangenen Mißgriff. Texas ist fruchtbarer als der durch hundertjährigen Anbau ohne Dünger ausgesogene Boden der zwei Carolinas, von Georgien, Alabama u. s. w.; das Klima ist gesünder, das Land wohlfeiler, das Volk unternehmender und die Sklaverei dort gegen jeden Eingriff fremder Staaten geschützt. Die Sklaverei ist dort Grundgesetz des Staates, und da der ganze Reichthum des Südens außer dem Boden in Sklaven besteht, so ist das Eigenthum in Texas gesicherter als hier, wo die unaufhörlichen Petitionen der nördlichen Staaten zu Gunsten der Negeremancipation das Volk beständig in Aufruhr bringen und zu den schrecklichsten, blutigsten Verbrechen hinreißen. Mit Einem Wort, für einen jungen unternehmenden Mann, für einen Mann von Ehrgeiz, von Muth und Unternehmungsgeist ist Texas das Land der Verheißung, und da die Vaterlandsliebe, worunter ich hauptsächlich die Liebe zum heimathlichen Boden verstehe, keine besondere Tugend unserer Yankees ist, so ist leicht einzusehen, daß Texas über kurz oder lang der Centralpunkt der ganzen amerikanischen Wanderung nach Westen werden muß. Auf dieser Wanderung sind nicht etwa – wie dieß in den nördlichen Staaten der Fall – die mittellosen oder durch unglückliche Speculationen herabgekommenen Familien begriffen, sondern einflußreiche Männer, wie z. B. der General Hamilton in Carolina, reiche Pflanzer, welche ihre Pflanzungen in Georgien, Alabama u. s. w. um einen Spottpreis losschlagen, Gutsbesitzer, die der Durst nach größeren Reichthümern und vermehrtem politischen Einfluß ihr Vaterland fliehen heißt, endlich Unzufriedene aller Art, die in Texas eine ihren Ansichten entsprechendere Verfassung gründen wollen. Der ganze Süden (und Schreiber dieses ist eben von einer Reise durch Georgien, Süd- und Nord-Carolina und Virginien zurückgekehrt) gleicht einer mit Auswanderern bedeckten Heerstraße, und es scheint, als ob die anglo-amerikanische Race, deren außerordentlich schnelle Entwicklung gewiß zu den merkwürdigsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts gehört, auf ihrer Flucht nach dem stillen Ocean sich kaum die Zeit nähme, den von ihr ausgestreuten Samen der Cultur keimen zu sehen, ehe sie sich von neuer Thatkraft beseelt zu neuen Missionen brauchen läßt. Oder ist diese flüchtige Eile, mit welcher sich die amerikanische Menschheit nach Westen drängt, ein Zeichen von Mangel an Kraft? Ist sie zu schwach, die

*) Nach der Schlacht von San Jacinto sandte der General Houston einen Boten nach Washington ab, der dem Congreß der Vereinigten Staaten den Triumph der texanischen Waffen verkündete. Derselbe präsentirte sich vor den Schranken des Hauses barfuß, ohne Kopfbedeckung, bloß in einem zerrissenen Hemd und geflickten Hosen: „Mein General sendet mich“, hub er an, „nicht weil ich der Tapferste bin – Hunderte gehen mir in dieser Tugend voran – nicht weil ich mich besonders ausgezeichnet – es hatte jeder von uns vollauf zu thun – sondern weil ich am besten gekleidet und daher am geeignetsten war, die frohe Botschaft des Siegs dieser ehrenwerthen Versammlung anständig zu verkünden.“ – Da hätten wir denn die ersten transatlantischen Sansculotten; wohl uns, daß sie jetzt noch in den Eingeweiden fremder Staaten wühlen, obgleich ihre Mordlust jetzt schon die Menschheit mit Grausen erfüllt. A. des Corresp.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="0475"/>
        <p>Im nächsten, letzten Artikel versuchen wir es, Werners allgemeine Theorie der Erdbildung und die neuern Ansichten in aller Kürze zu charakterisiren.</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ueber die militärische Stellung der Vereinigten Staaten</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Washington,</hi> 12 Jan.</dateline>
          <p> (Beschluß.) Der zweite Hauptartikel des Berichts des Kriegsministers betrifft die Nothwendigkeit der Verschanzungen an der Westgränze der Union, den Bau neuer Fortificationen am Eingange der meisten Seehäfen, namentlich des von New-York, das nothgedrungene Princip, die Armee in größeren Massen zusammenzuhalten &#x2013; natürlich dieselbe eher zu vermehren als zu vermindern (ein Ding, das ein Advocat jetzt leichter aussprechen kann, und das man dem alten General Jackson zur Zeit seiner Präsidentschaft sehr übel genommen hätte), den Garnisonsdienst derselben durch den Bau größerer und bequemerer Casernen zu erleichtern, die Cavallerie durch die Sendung von jungen Officieren nach Frankreich, wo sie die Pferdedressur und noch andere Dinge lernen, besser beritten zu machen, hauptsächlich aber &#x2013; und dieß öffnet dem aufkeimenden Ehrgeiz der Officiere die schönsten Aussichten &#x2013; bei der Armee einen Generalstab einzuführen, statt, wie bisher, die dahin gehörigen Arbeiten von den Officieren der Linie verrichten zu lassen. Sie ersehen aus allem diesem, daß unsere Regierung ernstlich damit umgeht, eine gewisse Consistenz zu gewinnen, die ihr Washington und die älteren Revolutionsväter, Jefferson mit eingeschlossen, nicht zu geben vermochten, und wodurch zuletzt unser Staatenverband durch sein geschlossenes Ganzes auch europäischen Mächten gegenüber ein respectables Ansehen bekommt. Halten Sie übrigens diese Aeußerung ja nicht für Ironie. Das ist sie nicht, das soll sie nicht seyn. Der Drang der nicht zu beschwörenden Ereignisse, unsere Stellung England und dem aufrührerischen Canada gegenüber, der jedes Jahr mit mehr Verlust an Geld und Menschen geführte Indianerkrieg, die am Mississippi zusammengedrängten, 30,000 Krieger zählenden Indianerstämme machen, wie bereits erwähnt, alle diese Centralmaaßregeln der Regierung zur unausbleiblichen Nothwendigkeit. Mehr als Alles aber zwingt uns das unserm eigenen Schooß entsprossene Kind, der junge, aufblühende, jetzt schon übermüthige Staat Texas, eine verhältnißmäßig kriegerische Stellung anzunehmen. Wahrhaftig die Nemesis schreitet schnell und gewaltig in diesem Lande europäischer Cultur und Entartung. Schrecklich wurde Spanien für seine an Amerika begangenen Grausamkeiten bestraft; noch schrecklicher bezahlten die spanischen Colonien ihren Undank gegen das Mutterland. Sollte nun wirklich die Reihe an die Vereinigten Staaten kommen? Es ist nicht zu läugnen, daß wir den Mexicanern das Gebiet von Texas nach Art von Straßenräubern auf meuchelmörderische Weise entrissen <note place="foot" n="*)">Nach der Schlacht von San Jacinto sandte der General Houston einen Boten nach Washington ab, der dem Congreß der Vereinigten Staaten den Triumph der texanischen Waffen verkündete. Derselbe präsentirte sich vor den Schranken des Hauses barfuß, ohne Kopfbedeckung, bloß in einem zerrissenen Hemd und geflickten Hosen: &#x201E;Mein General sendet mich&#x201C;, hub er an, &#x201E;nicht weil ich der Tapferste bin &#x2013; Hunderte gehen mir in dieser Tugend voran &#x2013; nicht weil ich mich besonders ausgezeichnet &#x2013; es hatte jeder von uns vollauf zu thun &#x2013; sondern weil ich am besten gekleidet und daher am geeignetsten war, die frohe Botschaft des Siegs dieser ehrenwerthen Versammlung anständig zu verkünden.&#x201C; &#x2013; Da hätten wir denn die ersten transatlantischen Sansculotten; wohl uns, daß sie jetzt noch in den Eingeweiden <hi rendition="#g">fremder</hi> Staaten wühlen, obgleich ihre Mordlust jetzt schon die Menschheit mit Grausen erfüllt. A. des Corresp.</note>, und daß wir unter dem Vorwand einer friedlichen Ansiedlung gleich anfangs staatsverbrecherische Absichten im Schilde führten. Nun, da Texas kaum als unabhängiger Staat von Amerika und &#x2013; aus welchen Ursachen, werde ich Ihnen später zeigen &#x2013; auch von <hi rendition="#g">Frankreich</hi> anerkannt ist, mischen wir uns neuerdings in die innern Händel der Republik Mexico; &#x2013; bereits steht ein Heer texanischer Freiwilligen und Föderalisten vor den Thoren der Hauptstadt. Mexico muß in wenig Jahren fallen; vielleicht ist sein Schicksal im Augenblick, wo ich Ihnen dieses schreibe oder wo Sie diesen Brief erhalten, entschieden; aber was werden die Vereinigten Staaten dadurch gewinnen?</p><lb/>
          <p>Gleich zu Anfang der Debatten über die Aufnahme der Republik Texas in die Union erklärte John C. Calhoun, der talentvollste und weitsehendste amerikanische Staatsmann, daß dieß eine Lebensfrage für den ganzen Süden der Union sey, und daß die Sklavenstaaten nimmermehr zugeben könnten, daß sich im Süden und Westen der Vereinigten Staaten neue, von denselben Gesetzen regierte, aus demselben Stamm entsprossene, ganz mit gleichen Institutionen versehene Staaten bildeten. &#x201E;Wenn wir ihnen nicht erlauben mit uns zu gehen&#x201C;, sagte er, &#x201E;so werden sie uns zwingen ihnen zu folgen.&#x201C; Wirklich fühlt der ganze Süden, namentlich aber die östlichen Staaten desselben, den großen vom Congreß begangenen Mißgriff. Texas ist fruchtbarer als der durch hundertjährigen Anbau ohne Dünger ausgesogene Boden der zwei Carolinas, von Georgien, Alabama u. s. w.; das Klima ist gesünder, das Land wohlfeiler, das Volk unternehmender und <hi rendition="#g">die Sklaverei dort gegen jeden Eingriff fremder Staaten geschützt</hi>. Die Sklaverei ist dort Grundgesetz des Staates, und da der ganze Reichthum des Südens außer dem Boden in Sklaven besteht, so ist das Eigenthum in Texas gesicherter als hier, wo die unaufhörlichen Petitionen der nördlichen Staaten zu Gunsten der Negeremancipation das Volk beständig in Aufruhr bringen und zu den schrecklichsten, blutigsten Verbrechen hinreißen. Mit Einem Wort, für einen jungen unternehmenden Mann, für einen Mann von Ehrgeiz, von Muth und Unternehmungsgeist ist Texas das Land der Verheißung, und da die Vaterlandsliebe, worunter ich hauptsächlich die Liebe zum heimathlichen Boden verstehe, keine besondere Tugend unserer Yankees ist, so ist leicht einzusehen, daß Texas über kurz oder lang der Centralpunkt der ganzen amerikanischen Wanderung nach Westen werden muß. Auf dieser Wanderung sind nicht etwa &#x2013; wie dieß in den nördlichen Staaten der Fall &#x2013; die mittellosen oder durch unglückliche Speculationen herabgekommenen Familien begriffen, sondern einflußreiche Männer, wie z. B. der General Hamilton in Carolina, reiche Pflanzer, welche ihre Pflanzungen in Georgien, Alabama u. s. w. um einen Spottpreis losschlagen, Gutsbesitzer, die der Durst nach größeren Reichthümern und vermehrtem politischen Einfluß ihr Vaterland fliehen heißt, endlich Unzufriedene aller Art, die in Texas eine ihren Ansichten entsprechendere Verfassung gründen wollen. Der ganze Süden (und Schreiber dieses ist eben von einer Reise durch Georgien, Süd- und Nord-Carolina und Virginien zurückgekehrt) gleicht einer mit Auswanderern bedeckten Heerstraße, und es scheint, als ob die anglo-amerikanische Race, deren außerordentlich schnelle Entwicklung gewiß zu den merkwürdigsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts gehört, auf ihrer <hi rendition="#g">Flucht</hi> nach dem stillen Ocean sich kaum die Zeit nähme, den von ihr ausgestreuten Samen der Cultur keimen zu sehen, ehe sie sich von neuer Thatkraft beseelt zu neuen Missionen brauchen läßt. Oder ist diese flüchtige Eile, mit welcher sich die amerikanische Menschheit nach Westen drängt, ein Zeichen von <hi rendition="#g">Mangel</hi> an Kraft? Ist sie zu schwach, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475/0011] Im nächsten, letzten Artikel versuchen wir es, Werners allgemeine Theorie der Erdbildung und die neuern Ansichten in aller Kürze zu charakterisiren. Ueber die militärische Stellung der Vereinigten Staaten. _ Washington, 12 Jan. (Beschluß.) Der zweite Hauptartikel des Berichts des Kriegsministers betrifft die Nothwendigkeit der Verschanzungen an der Westgränze der Union, den Bau neuer Fortificationen am Eingange der meisten Seehäfen, namentlich des von New-York, das nothgedrungene Princip, die Armee in größeren Massen zusammenzuhalten – natürlich dieselbe eher zu vermehren als zu vermindern (ein Ding, das ein Advocat jetzt leichter aussprechen kann, und das man dem alten General Jackson zur Zeit seiner Präsidentschaft sehr übel genommen hätte), den Garnisonsdienst derselben durch den Bau größerer und bequemerer Casernen zu erleichtern, die Cavallerie durch die Sendung von jungen Officieren nach Frankreich, wo sie die Pferdedressur und noch andere Dinge lernen, besser beritten zu machen, hauptsächlich aber – und dieß öffnet dem aufkeimenden Ehrgeiz der Officiere die schönsten Aussichten – bei der Armee einen Generalstab einzuführen, statt, wie bisher, die dahin gehörigen Arbeiten von den Officieren der Linie verrichten zu lassen. Sie ersehen aus allem diesem, daß unsere Regierung ernstlich damit umgeht, eine gewisse Consistenz zu gewinnen, die ihr Washington und die älteren Revolutionsväter, Jefferson mit eingeschlossen, nicht zu geben vermochten, und wodurch zuletzt unser Staatenverband durch sein geschlossenes Ganzes auch europäischen Mächten gegenüber ein respectables Ansehen bekommt. Halten Sie übrigens diese Aeußerung ja nicht für Ironie. Das ist sie nicht, das soll sie nicht seyn. Der Drang der nicht zu beschwörenden Ereignisse, unsere Stellung England und dem aufrührerischen Canada gegenüber, der jedes Jahr mit mehr Verlust an Geld und Menschen geführte Indianerkrieg, die am Mississippi zusammengedrängten, 30,000 Krieger zählenden Indianerstämme machen, wie bereits erwähnt, alle diese Centralmaaßregeln der Regierung zur unausbleiblichen Nothwendigkeit. Mehr als Alles aber zwingt uns das unserm eigenen Schooß entsprossene Kind, der junge, aufblühende, jetzt schon übermüthige Staat Texas, eine verhältnißmäßig kriegerische Stellung anzunehmen. Wahrhaftig die Nemesis schreitet schnell und gewaltig in diesem Lande europäischer Cultur und Entartung. Schrecklich wurde Spanien für seine an Amerika begangenen Grausamkeiten bestraft; noch schrecklicher bezahlten die spanischen Colonien ihren Undank gegen das Mutterland. Sollte nun wirklich die Reihe an die Vereinigten Staaten kommen? Es ist nicht zu läugnen, daß wir den Mexicanern das Gebiet von Texas nach Art von Straßenräubern auf meuchelmörderische Weise entrissen *), und daß wir unter dem Vorwand einer friedlichen Ansiedlung gleich anfangs staatsverbrecherische Absichten im Schilde führten. Nun, da Texas kaum als unabhängiger Staat von Amerika und – aus welchen Ursachen, werde ich Ihnen später zeigen – auch von Frankreich anerkannt ist, mischen wir uns neuerdings in die innern Händel der Republik Mexico; – bereits steht ein Heer texanischer Freiwilligen und Föderalisten vor den Thoren der Hauptstadt. Mexico muß in wenig Jahren fallen; vielleicht ist sein Schicksal im Augenblick, wo ich Ihnen dieses schreibe oder wo Sie diesen Brief erhalten, entschieden; aber was werden die Vereinigten Staaten dadurch gewinnen? Gleich zu Anfang der Debatten über die Aufnahme der Republik Texas in die Union erklärte John C. Calhoun, der talentvollste und weitsehendste amerikanische Staatsmann, daß dieß eine Lebensfrage für den ganzen Süden der Union sey, und daß die Sklavenstaaten nimmermehr zugeben könnten, daß sich im Süden und Westen der Vereinigten Staaten neue, von denselben Gesetzen regierte, aus demselben Stamm entsprossene, ganz mit gleichen Institutionen versehene Staaten bildeten. „Wenn wir ihnen nicht erlauben mit uns zu gehen“, sagte er, „so werden sie uns zwingen ihnen zu folgen.“ Wirklich fühlt der ganze Süden, namentlich aber die östlichen Staaten desselben, den großen vom Congreß begangenen Mißgriff. Texas ist fruchtbarer als der durch hundertjährigen Anbau ohne Dünger ausgesogene Boden der zwei Carolinas, von Georgien, Alabama u. s. w.; das Klima ist gesünder, das Land wohlfeiler, das Volk unternehmender und die Sklaverei dort gegen jeden Eingriff fremder Staaten geschützt. Die Sklaverei ist dort Grundgesetz des Staates, und da der ganze Reichthum des Südens außer dem Boden in Sklaven besteht, so ist das Eigenthum in Texas gesicherter als hier, wo die unaufhörlichen Petitionen der nördlichen Staaten zu Gunsten der Negeremancipation das Volk beständig in Aufruhr bringen und zu den schrecklichsten, blutigsten Verbrechen hinreißen. Mit Einem Wort, für einen jungen unternehmenden Mann, für einen Mann von Ehrgeiz, von Muth und Unternehmungsgeist ist Texas das Land der Verheißung, und da die Vaterlandsliebe, worunter ich hauptsächlich die Liebe zum heimathlichen Boden verstehe, keine besondere Tugend unserer Yankees ist, so ist leicht einzusehen, daß Texas über kurz oder lang der Centralpunkt der ganzen amerikanischen Wanderung nach Westen werden muß. Auf dieser Wanderung sind nicht etwa – wie dieß in den nördlichen Staaten der Fall – die mittellosen oder durch unglückliche Speculationen herabgekommenen Familien begriffen, sondern einflußreiche Männer, wie z. B. der General Hamilton in Carolina, reiche Pflanzer, welche ihre Pflanzungen in Georgien, Alabama u. s. w. um einen Spottpreis losschlagen, Gutsbesitzer, die der Durst nach größeren Reichthümern und vermehrtem politischen Einfluß ihr Vaterland fliehen heißt, endlich Unzufriedene aller Art, die in Texas eine ihren Ansichten entsprechendere Verfassung gründen wollen. Der ganze Süden (und Schreiber dieses ist eben von einer Reise durch Georgien, Süd- und Nord-Carolina und Virginien zurückgekehrt) gleicht einer mit Auswanderern bedeckten Heerstraße, und es scheint, als ob die anglo-amerikanische Race, deren außerordentlich schnelle Entwicklung gewiß zu den merkwürdigsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts gehört, auf ihrer Flucht nach dem stillen Ocean sich kaum die Zeit nähme, den von ihr ausgestreuten Samen der Cultur keimen zu sehen, ehe sie sich von neuer Thatkraft beseelt zu neuen Missionen brauchen läßt. Oder ist diese flüchtige Eile, mit welcher sich die amerikanische Menschheit nach Westen drängt, ein Zeichen von Mangel an Kraft? Ist sie zu schwach, die *) Nach der Schlacht von San Jacinto sandte der General Houston einen Boten nach Washington ab, der dem Congreß der Vereinigten Staaten den Triumph der texanischen Waffen verkündete. Derselbe präsentirte sich vor den Schranken des Hauses barfuß, ohne Kopfbedeckung, bloß in einem zerrissenen Hemd und geflickten Hosen: „Mein General sendet mich“, hub er an, „nicht weil ich der Tapferste bin – Hunderte gehen mir in dieser Tugend voran – nicht weil ich mich besonders ausgezeichnet – es hatte jeder von uns vollauf zu thun – sondern weil ich am besten gekleidet und daher am geeignetsten war, die frohe Botschaft des Siegs dieser ehrenwerthen Versammlung anständig zu verkünden.“ – Da hätten wir denn die ersten transatlantischen Sansculotten; wohl uns, daß sie jetzt noch in den Eingeweiden fremder Staaten wühlen, obgleich ihre Mordlust jetzt schon die Menschheit mit Grausen erfüllt. A. des Corresp.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840, S. 0475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/11>, abgerufen am 25.04.2024.